UN-Sicherheitsrat: Erstes Treffen zu KI-Risiken
Der UN-Sicherheitsrat hat am Dienstag zum ersten Mal eine eigene Sitzung zum Thema Künstliche Intelligenz abgehalten. Etwa zwei Stunden lang haben sich Diplomat:innen und führende Expert:innen mit den jüngsten KI-Entwicklungen befasst. Nicht zum ersten Mal hagelte es Warnungen. Russland und China betrachteten diese eher skeptisch. Dennoch kündigte UN-Generalsekretär Antonio Guterres die Einrichtung eines neuen UN-Beratungsgremiums an, das bis Ende des Jahres Vorschläge für die globale KI-Regulierung erarbeiten soll.
“KI könnte die globale strategische Stabilität verbessern”
Der britische Außenminister James Cleverly, der das Treffen leitete, da Großbritannien diesen Monat die rotierende Ratspräsidentschaft innehat, äußerte in seiner Rede eine eher positive Betrachtungsweise gegenüber Künstlicher Intelligenz: „KI wird jeden Aspekt des menschlichen Lebens grundlegend verändern. Bahnbrechende Entdeckungen in der Medizin stehen möglicherweise vor der Tür. Der Produktivitätsschub für unsere Volkswirtschaften könnte enorm sein. KI kann uns helfen, uns an den Klimawandel anzupassen, Korruption zu bekämpfen, die Bildung zu revolutionieren, die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen und gewalttätige Konflikte zu reduzieren. Aber wir sind heute hier, weil KI die Arbeit dieses Rates beeinflussen wird. KI könnte die globale strategische Stabilität verbessern.”
Auch der sonst so KI-kritische UN-Generalsekretär Antonio Guterres fand bei der Sitzung, zumindest anfangs, positive Worte: „KI wird im Zusammenhang mit Frieden und Sicherheit eingesetzt, auch von den Vereinten Nationen. Es wird zunehmend eingesetzt, um Gewaltmuster zu erkennen, Waffenstillstände zu überwachen und mehr und trägt so dazu bei, unsere Friedenssicherungs-, Vermittlungs- und humanitären Bemühungen zu stärken.“
KI-Cyber-Attacken und militärische Anwendung als Gefahrenquelle
Darauf folgten jedoch ebenso Warnungen seinerseits: „KI-Tools können aber auch von Personen mit böswilliger Absicht genutzt werden. Der böswillige Einsatz von KI-Systemen für terroristische, kriminelle oder staatliche Zwecke könnte zu schrecklichen Todesfällen und Zerstörungen, weit verbreiteten Traumata und tiefen psychischen Schäden unvorstellbaren Ausmaßes führen. KI-gestützte Cyberangriffe zielen bereits auf kritische Infrastrukturen sowie unsere eigenen friedenserhaltenden und humanitären Einsätze ab und verursachen großes menschliches Leid.
Sowohl militärische als auch nichtmilitärische Anwendungen von KI könnten sehr schwerwiegende Folgen für den Weltfrieden und die Sicherheit haben.“
Deepdakes und Deinformation
Die zunehmende Verbreitung von KI-Tools, die die Fähigkeit besitzen, auf Eingabeaufforderungen basierende Texte zu erstellen, Stimmen nachzuahmen und Medieninhalte wie Fotos, Illustrationen und Videos zu generieren, haben jedoch auch Besorgnis hinsichtlich Desinformation und Manipulation ausgelöst. Der UN-Generalsekretär äußerte sich dazu und warnte vor den potenziell schwerwiegenden Auswirkungen von Deepfakes, einem KI-gestützten Tool, das ohne Kontrolle den Frieden und die Stabilität beeinträchtigen könnte. Darüber hinaus könnten die unvorhergesehenen Folgen einiger KI-gestützter Systeme versehentlich zu Sicherheitsrisiken führen. Ein Beispiel hierfür sind die sozialen Medien, die ursprünglich zur Stärkung zwischenmenschlicher Verbindungen gedacht waren, jedoch heute für Zwecke wie Wahlmanipulation, Verbreitung von Verschwörungstheorien sowie Hass und Gewalt missbraucht werden.
China und Russland vereint gegen die Mehrheit
Russland wich von der Mehrheitsmeinung des Rates ab und äußert seine Skepsis darüber, dass genug über die Risiken der KI bekannt sei, um sie als eine Quelle von Bedrohungen für die globale Instabilität darzustellen. Auch Chinas Botschafter bei den Vereinten Nationen, Zhang Jun, lehnte die Schaffung einer Reihe globaler Gesetze ab und sagte, dass internationale Regulierungsbehörden flexibel genug sein müssen, um den Ländern die Entwicklung eigener Regeln zu ermöglichen. Er fügte, dass sein Land den Einsatz von KI als „Mittel zur Schaffung militärischer Hegemonie oder zur Untergrabung der Souveränität eines Landes“ ablehne.
Schaffung eines neuen UN-Gremiums
Trotz dieser Bedenken unterstützte Guterres die Forderungen einiger Staaten für die Gründung eines neuen UN-Gremiums. Er betonte die Notwendigkeit und meinte, dass die Vereinten Nationen bis 2026 ein rechtsverbindliches Abkommen ausarbeiten würden, das insbesondere den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in automatisierten Kriegswaffen verbieten soll.
In seiner Rede sagte er konkret: „Der Bedarf an globalen Standards und Herangehensweisen macht die Vereinten Nationen zum idealen Ort, um dies zu ermöglichen. Die Betonung des Schutzes zukünftiger Generationen in der Charta gibt uns den klaren Auftrag, alle Stakeholder um die kollektive Minderung langfristiger globaler Risiken zusammenzubringen. KI stellt genau ein solches Risiko dar. Daher begrüße ich die Forderungen einiger Mitgliedstaaten nach der Schaffung einer neuen Einrichtung der Vereinten Nationen, die kollektive Bemühungen zur Regulierung dieser außergewöhnlichen Technologie unterstützt, inspiriert von Modellen wie der Internationalen Atomenergieorganisation, der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation oder dem Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen.“