Uniqa Ukraine: Wie die Versicherung in der Ukraine unter extremen Bedingungen wächst
![(v.l.): Teimour Bagirov (Präsident UNIQA Ukraine, Vorsitzender des Aufsichtsrats), Wolfgang Kindl (Mitglied des Vorstands der UNIQA Insurance Group), Olena Uljee (CEO UNIQA Ukraine) und Ivo Mijnssen (NZZ-Journalist) von der Auslandspressevereinigung in Wien. © UNIQA, Nessweda](https://www.trendingtopics.eu/wp-content/uploads/2025/02/Julia-TT-2025-02-10T180758.145-780x439.jpg)
Wie ergeht es Unternehmen in der Ukraine, seit der russische Angriffskrieg am 24. Februar 2022 eskaliert ist? Olena Uljee, CEO von Uniqa Ukraine, gab hierzu eine Einschätzung aus erster Hand: Das Land ist großem Leid ausgesetzt und kämpft mit einer Vielzahl von Herausforderungen. Der Krieg hat bis dato mehr als 12.000 zivile Todesopfer gefordert und ganze Infrastrukturen sowie Unmengen an Eigentum zerstört. Für Uniqa Ukraine bedeutete dies, ihr Geschäftsmodell anzupassen.
Trotz enormer Belastungen im Arbeitsalltag der 840 ukrainischen Mitarbeiter:innen, wie etwa Krankheiten, mentaler Probleme oder Unterbrechungen durch Stromausfälle, bleibt Uniqa Ukraine profitabel und strebt weiteres Wachstum an.
Komplett aus Russland zurückgezogen
So viel vorweg: Etwas nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine, um genau zu sein, im dritten Quartal 2023, unterzeichnete Uniqa einen Anteilskaufvertrag, um sein Geschäft in Russland zu beenden. “Es dauerte jedoch ein weiteres Jahr, bis der Deal abgeschlossen war. Seit dem dritten Quartal 2024 ist UNIQA offiziell nicht mehr in Russland tätig“, so Vorstand-Mitglied Wolfgang Kindl. Weitere Desinvestitionen, die 2024 begonnen wurden, betreffen die Länder Albanien, Nordmazedonien und Kosovo – noch seien diese Deals allerdings nicht abgeschlossen.
Ukraine Portfolio hebt sich ab
Die Kernbotschaft: Uniqa Ukraine ist anders. Kindl formulierte es so. “Ich bin fest davon überzeugt, dass die Ukraine inzwischen eines unserer am stärksten digitalisierten Versicherungsunternehmen in ganz Mittel- und Osteuropa ist.“ Außerdem sei man bemüht, den ukrainischen Versicherungsmarkt an europäische Standards anzupassen, um sich regulatorisch der EU zu nähern.
Im internationalen Geschäft dominieren Sach- und Haftpflichtversicherungen (P&C) mit zwei Dritteln des Umsatzes. Lebensversicherungen machen 22 Prozent aus, Krankenversicherungen 19 Prozent. In den meisten CEE-Märkten spielt der Gesundheitsbereich eine untergeordnete Rolle, doch in der Ukraine sei das anders. Trotz der enormen Belastungen durch den Krieg ist Uniqa seit dem Markteintritt 2006 in der Ukraine profitabel und erwirtschaftet dort fast sechs Prozent des Gesamtgewinns.
Olena Uljee ist seit mehr als neun Jahren CEO bei Uniqa Ukraine und arbeitet insgesamt bereits knapp 20 Jahre für die Versicherung, die mit Stand heute eine Million ukrainische Versicherungsnehmer:innen betreut. Für die Pressekonferenz im Uniqa Tower in Wien ist sie extra aus der Ukraine angereist – mit dem Zug.
Uniqa Ukraine zahlenmäßig auf Niveau von 2021
Laut Uljee wurde 2021 ein Umsatz von etwa 109 Millionen Euro erwirtschaftet. Als dann der Krieg vor zwei Jahren neue Dimensionen annahm, habe sich vieles verändert. Dennoch würde sich Uniqa Ukraine umsatzmäßig heute fast wieder auf demselben Niveau befinden – abgesehen davon, dass die nationale Währung „Hrywnja“ eine durchschnittliche Abwertung von etwa 30 Prozent erfuhr.
Warum das so ist: Einige Geschäftsbereiche hätten sich besonders gut entwickelt, so etwa das Kfz-Geschäft aufgrund von Preiserhöhungen und dem Inflationsdruck. Aber auch der Anteil der abgeschlossenen privaten Krankenversicherungen habe sich von 2022 bis 2024 um 41 Prozent gesteigert. Die Ukraine-CEO erklärt dies damit, dass sich die Prioritäten der Menschen durch den Krieg geändert hätten – besonders im Bereich Gesundheit. Über die Leistbarkeit wurde nicht gesprochen – nur so viel: Die Menschen können natürlich nur so viel für Versicherungen ausgeben, wie sie verdienen.
Dominanz der Sach- und Krankenversicherungen
In der Ukraine haben Sachversicherungen eine weitaus größere Bedeutung als Lebensversicherungen. Während durchschnittlich 26 US-Dollar für Sachversicherungen ausgegeben werden, liegt der Betrag für Lebensversicherungen nur bei 4 Dollar. Der Krieg habe besonders den Bereich Eigentum stark beeinträchtigt, da durch Drohnen und Raketen viel zerstört wird. Uniqa Ukraine zählt international zu den Top Drei im Bereich Sachversicherungen und strebt an, langfristig noch besser als 2021 zu werden.
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Ukraine ist die private Krankenversicherung, die vor allem vom Arbeitgeber angeboten wird und zu den wichtigsten Benefits für ukrainische Mitarbeiter:innen zählt. Für Uniqa ist dieser Sektor mittlerweile ein Kerngeschäft, das sich in den letzten Jahren auch auf mittelständische und kleine Unternehmen ausgeweitet hat.
Bankversicherungen (Bancassurance), also Versicherungsprodukte, die über Banken an Kund:innen verkauft werden, haben stark abgenommen. Verantwortlich dafür sei der Kreditrückgang, der in manchen Fällen mit dem Abschluss von Lebensversicherungen einherging.
Kriegsrisikoversicherung deckt nur 10 Prozent des Wertes
In der Ukraine gibt es zwar Kriegsrisikoversicherungen, etwa für Kfz, doch diese bieten bei weitem keinen ausreichenden Versicherungsschutz. Es sei laut Uljee nahezu unmöglich, eine Versicherungskapazität für ein Land im Krieg zu finden. Dennoch haben einige lokale Unternehmen, darunter auch Uniqa Ukraine, 2023 und 2024 begonnen, begrenzte Versicherungsdeckungen für bestimmte Risiken wie Raketen, Drohnen und Trümmer in Gebieten nahe der Kriegszone anzubieten.
Die Deckung betrage bis zu 10 Prozent des Wertes und ist auf bestimmte Gebiete innerhalb von 60 bis 100 Kilometern von aktiven Kriegszonen begrenzt. Obwohl der Versicherungsschutz nicht ausreicht, sei sie ein Schritt in Richtung Risikomanagement und Unterstützung des Landes.
“Anteil an kriegsbezogenen Versicherungsleistungen ist nicht hoch“
Ein Prozentsatz, in dem Uniqa Versicherungsprämien für den Wiederaufbau oder Gesundheitskosten aufgrund von Kriegsverletzungen ausbezahlt, wurde nicht genannt. Dieser sei zwar nicht hoch, fließe jedoch in die allgemeinen Versicherungsleistungen ein.
Zum Beispiel könnten Arbeitgeber eine “spezielle Begrenzung für kriegsbezogene Risiken in ihre Mitarbeiterdeckung aufnehmen, die dann im Fall eines Vorfalls genutzt wird. “Kriegsbezogene Leistungen werden nicht separat erfasst, sondern sind Bestandteil der regulären Schadensfälle, die hauptsächlich traditionelle, standardisierte Schadensfälle umfassen“, so Uljee.
Humanitäre Hilfe für Ukrainer:innen von Uniqa
Apropos Unterstützung: Uniqa gab auch Auskunft darüber, wie viele finanzielle Mittel die Versicherung den vom Krieg betroffenen Menschen in der Ukraine seit seinem Ausbruch „kontinuierlich“ bereitstellt. Seit Februar 2022 waren dies laut Teimour Bagirov, dem Präsidenten von UNIQA Ukraine, etwa 5 Millionen Euro. „Es wurde kein Geld gesammelt. Es handelt sich um die eigenen Ressourcen der UNIQA-Gruppe, die bereitgestellt wurden, um der Ukraine zu helfen“, so Bagirov.
Mit dem Geld sollen hauptsächlich medizinische Ausrüstung sowie Medikamente für verschiedene Krankenhäuser im ganzen Land beschafft worden sein. Uniqa bemüht sich außerdem, den Zugang zu wichtigen Dienstleistern wie Wohltätigkeitsorganisationen, Apotheken, Krankenhäusern und Ärzten sicherzustellen. Ein Netzwerk von 12.700 Partnern soll von Olena Uljee und ihrem Team aufgebaut worden sein, um diese Unterstützung zu gewährleisten.
Allgemein schwieriges Geschäftsumfeld
Wie wichtig es ist, während eines Krieges sehr anpassungsfähig in den Prozessen zu sein, betonte Uljee immer wieder. So gäbe es oft keinen Strom. Dies führe nicht nur zu Unterbrechungen im Arbeitsalltag, sondern erfordere auch spezielle Maßnahmen. Uniqa Ukraine betreibe zum Beispiel im Rahmen der angebotenen Krankenversicherung eine Service-Line, die im 24/7-Betrieb funktionieren muss. Darüber hinaus habe ein großer Wandel hin zu mehr Empathie im Service stattgefunden. Denn die Menschen bräuchten gerade zu Kriegszeiten empathische Reaktionen, wie etwa Mitgefühl und ein offenes Ohr – auch im Versicherungssektor.
Abschließend sprach Uljee über den Wiederaufbau der Wirtschaft, der stark von Eigentum und Infrastruktur geprägt sein werde. Sie erwartet, dass mit der Rückkehr oder dem Neubau von Einrichtungen auch Eigentumsverhältnisse – von Standardimmobilien bis zu Betriebsunterbrechungsversicherungen – wieder stärker in den Fokus rücken.
Aktuell gibt es jedoch große Herausforderungen, insbesondere durch gestörte Logistikketten, die eine präzise Risikoeinschätzung erschweren. Mit der schrittweisen Erholung der Märkte soll sich aber auch der Eigentumssektor erholen. Langfristig betrachtet werde Eigentum der entscheidende Faktor für den Wiederaufbau und zukünftiges Wachstum bleiben.
Uniqa Group: Starke Präsenz in CEE
Die Uniqa Group zählt als führende Versicherungsgesellschaft in Österreich und Zentral- und Osteuropa (CEE). Insgesamt werden laut Unternehmensangaben 16,7 Millionen Versicherungsnehmer:innen von 15.500 Mitarbeitenden betreut. Die Gruppe ist in 17 Ländern vertreten, davon in 15 in Mittel- und Osteuropa, was den hohen Anteil von 80 Prozent des konzernweiten Kundenstamms in dieser Region erklärt.
Wie Kindl im Rahmen der Pressekonferenz verkündete, zeigen die Unternehmensdaten aus 2023: Uniqa generierte mehr als 7 Milliarden Euro an Prämieneinnahmen und hatte ein EBT (Earnings Before Tax) von 426 Millionen Euro. Die Zahlen für 2024 seien noch nicht offiziell.
Uniqa International soll über einen Marktanteil von ungefähr 7 Prozent verfügen. “In den letzten zwei Jahren haben wir das internationale Portfolio um fast 14 Prozent wachsen lassen, und das auf sehr profitable Weise“, so Kindl. Für das Vorstandmitglied ist das vor allem deshalb bemerkenswert, weil der Markt in Mittel- und Osteuropa noch nicht so ausgereift ist wie in Österreich.
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