Analyse

“Uns ist die Klimakrise nicht egal!” – Ach, wirklich?

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Seit Jahrzehnten sendet uns die Erde alarmierende Signale, die deutlich machen, dass wir sofortige Maßnahmen gegen die Klimakrise ergreifen müssen. Beginnen wir mit einem konkreten Beispiel: In den vergangenen Wochen haben zahlreiche Menschen ihre Häuser und somit ihre Existenzgrundlage verloren. Die extremen Hitzewellen und die daraus resultierende Trockenheit sorgen nämlich immer regelmäßiger für massive Waldbrände. So auch im griechischen Alexandroupolis: Die Brände im August waren, nach Angaben des Kommissars für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, „sogar die größten in der Geschichte der Europäischen Union“. Ganze 73.000 Hektar standen in Flammen, also eine Fläche fast so groß wie Hamburg. „Wir müssen die nationalen und gemeinsamen Präventions- und Vorbereitungsmaßnahmen weiter stärken“, forderte Janez Lenarčič, Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, öffentlich.

Ein anderes messbares Signal, das im Sommer bei vielen NGOS für Kopfschütteln gesorgt hat, ist der erneut verfrühte Earth Overshoot Day. Er zeigt uns, an welchem Tag alle nachhaltigen Ressourcen der Erde aufgebraucht sind, die ihr Ökosystem innerhalb eines ganzen Jahres herstellen kann. Er war in diesem Jahr bereits Anfang August – fünf Monate vor Jahresende. Der verfrühte Earth Overshoot Day soll daran erinnern, dass die Überbeanspruchung der natürlichen Ressourcen der Erde durch die Menschen Folgen haben wird, ob ein massiver Rückgang der biologischen Vielfalt, ein Überschuss an Treibhausgasen in der Atmosphäre oder ein verschärfter Wettbewerb um Nahrungsmittel und Energie.

Buzzword oder ernsthafte Sorge um die Zukunft?

Trotz all dieser eindeutigen Signale scheinen die Präventionsmaßnahmen für viele Verbraucher: innen, Unternehmen und vor allem Regierungen keine ehrliche Priorität zu sein. Im Gegenteil: Während der Klimaschutz – zumindest in der Theorie – zweifellos zu einem Schwerpunkt unserer Zeit geworden ist, zeigt sich dennoch eine Kluft zwischen der Oberflächlichkeit vieler Diskussionen und dem tatsächlichen ernsthaften Engagement. Oftmals wird der Begriff Klimaschutz als Buzzword genutzt, um Aufmerksamkeit zu erregen oder ein positives Image zu vermitteln, ohne jedoch wirklich aktiv Schritte zur Bekämpfung der Krise zu unternehmen. ”Uns ist die Klimakrise nicht egal!”, heißt es dabei oft, doch ist das wirklich so? Lasst uns einen Blick darauf werfen, was aktuell gewaltig schief läuft.

Kurztrip statt Klimaschutz

Die globalen CO2-Emissionen steigen in vielen Bereichen weiter. Zum Beispiel ist Fliegen ist die klimaschädlichste Art sich fortzubewegen. Trotz eines allgemeinen Rückgangs des internationalen Flugverkehrs um 15 bis 20 Prozent aufgrund der Corona-Pandemie wurde im Sommer 2023 ein neuer Rekord aufgestellt: Am 6. Juli wurden innerhalb von 24 Stunden 134.396 kommerzielle Flüge durchgeführt. Das markiert die höchste Anzahl an Flügen an einem einzigen Tag, zumindest seit dem Start des Onlinedienstes flightradar24.com im Jahr 2006. Die Weltkarte auf der Seite zeigt deutlich das Ausmaß dieses Rekordtages: Lediglich über der Ukraine, der Sahara, großen Teilen Russlands und dem Himalaya gab es größere freie Lufträume. Die Umrisse der USA und Europas waren aufgrund der Vielzahl von Flugzeugen kaum noch erkennbar.

Und was ist mit Österreich? Eine Greenpeace-Studie hat im Mai die undurchsichtige Privatflug-Branche in Österreich beleuchtet. Demnach wurden in den letzten vier Jahren insgesamt 227 aktive Privatflugzeuge in Österreich registriert, die zusammen über 407.000 Tonnen CO2-Emissionen verursacht haben sollen. Diese Flugzeuge legten insgesamt rund 96 Millionen Kilometer zurück, was unfassbare 2.399 Erdumrundungen entspricht.

Fast Fashion, Fast Crisis 

Kleidung und Verantwortungslosigkeit spielen auch beim nächsten Punkt eine entscheidende Rolle. Wusstet ihr, dass  im Jahr 2000 nur halb so viel Kleidung produziert wurde wie heute? Laut einem Gitnux-Bericht hat der Bekleidungskonsum 62 Millionen Tonnen pro Jahr erreicht und wird bis 2030 voraussichtlich 102 Millionen Tonnen pro Jahr betragen. Einen großen Teil dazu tragen aktuell Fast Fashion Online-Shops bei. Im Jahr 2000 wurde nur halb so viel Kleidung produziert wurde wie heute.

Ein erheblicher Anteil der weltweit entsorgten Kleidung und Textilien landet auf unsicheren Mülldeponien. Die Zersetzung von Naturfasern und Wolle auf diesen Deponien kann zur Freisetzung des Treibhausgases Methan führen. Zahlreiche Medien haben Ende Juni darüber berichtet, dass tonnenweise Kleidung aus Europa und den USA auf riesigen Müllhalden in der Atacama-Wüste in Chile landen. Seit rund 20 Jahren werden dort Textilien großer Hersteller aus dem Fast Fashion-Bereich endgelagert. 156.000 Tonnen wurden allein 2021 nach Chile importiert, 60 Prozent davon landen auf illegalen Deponien. Die Mengen haben sich im Vergleich zu den Jahren davor nahezu verdreifacht By the way: Ingesamt fallen jährlich fallen 92 Millionen Tonnen Bekleidungsabfälle an, die eine halbe Million Tonnen Mikroplastik produzieren.

Müll? Ins Meer damit! 

Apropos Plastik. Auch die Verschmutzung der Meere mit Plastik durch Müll verstärkt den Klimawandel. Sie beeinträchtigt die Fähigkeit der Ozeane, Kohlenstoff zu absorbieren und zu speichern. Geschädigte marine Ökosysteme können weniger effektiv zur Regulierung des globalen Klimas beitragen, da Mikroplastik die Gesundheit der Meeresumwelt beeinträchtigt und die biologische Vielfalt verringert. 

Leider haben Wissenschaftler:innen aus Norwegen Mikroplastik vor wenigen Wochen auch schon in der Meeresluft der norwegischen Küste nachweisen können. Um genau zu sein wurde eine besorgniserregende Mischung aus unterschiedlichen Mikroplastikarten gefunden. In allen Proben waren Polyesterfasern zu sehen, die bekanntlich in vielen Kleidungsstücken vorhanden sind. Darüber hinaus konnten auch winzige Reifengummipartikel identifiziert werden. Die gemessenen Konzentrationen erreichten bis zu 37,5 Nanogramm pro Kubikmeter Luft. 

Kompensationsgeschäfte überbewerten ihre Wirkung

Manchmal sind auch vermeintliche Lösungen die eigentlichen Probleme. Die Wirksamkeit von Kohlenstoffkompensationen zur Bekämpfung des Klimawandels steht schon lange zur Debatte. Der CO2-Handel ist ein Mechanismus, der darauf abzielt, die Emissionen von Treibhausgasen zu regulieren und zu reduzieren. Unternehmen oder Länder erhalten dabei eine begrenzte Anzahl von CO2-Emissionszertifikaten, die jeweils eine bestimmte Menge an CO2-Emissionen repräsentieren. Wenn ein Unternehmen seine Emissionen unter die zugewiesene Grenze senkt, kann es überschüssige Zertifikate verkaufen. Andererseits müssen Unternehmen, die ihre Emissionen nicht reduzieren können, zusätzliche Zertifikate erwerben, um ihre Emissionen auszugleichen.

Eine neue Studie hat nun gezeigt, dass viele Kompensationsgeschäfte, die auf die Reduzierung der Abholzung abzielen, nicht so effektiv sind, wie Unternehmen behaupten. Expert:innen untersuchten 26 Projekte in sechs verschiedenen Ländern und fand heraus, dass nur acht der Projekte tatsächlich die Entwaldung verringerten. Selbst bei diesen Projekten wurde jedoch nicht das Ausmaß der Verringerung erreicht, das ursprünglich behauptet wurde. Das wirft natürlich Zweifel an der Effektivität solcher Kompensationsmechanismen auf. Es wird deutlich, dass die Reduzierung der Abholzung nicht ausreichend vorangebracht wird und dass viele Kompensationsgeschäfte möglicherweise gar keine Auswirkungen haben.

Noch immer 92 Prozent der Investitionen in fossile Energien gepumpt 

Wir bleiben noch einen Absatz lang bei den Unternehmen bzw. Konzernen.  Laut einem Greenpeace-Bericht der letzten Woche haben zwölf führende europäische Energiekonzerne, darunter die OMV,  keine effektiven Strategien, um ihre Klimaziele zu erreichen. Die Analyse der Jahresberichte von sechs internationalen und sechs europäischen Öl- und Gasunternehmen für 2022 ergab, dass lediglich 0,3 Prozent der gesamten produzierten Energie aus erneuerbaren Quellen stammten. Über 92 Prozent der Investitionen flossen in die Aufrechterhaltung und den Ausbau fossiler Geschäftsmodelle. Die OMV investierte sogar weniger als ein Prozent in erneuerbare Energien. Gut, das überrascht hoffentlich niemanden, aber 92 Prozent sind einfach schamlos. 

Wo bleiben die verbindlichen Abkommen? 

Wer die Rahmenbedingungen für all das setzt, ist allen bewusst – die Politik. Es wäre in diesem Kontext daher auch wichtig, einen Blick darauf zu werfen, was hier alles nicht rund läuft. Das Pariser Abkommen wurde am 12. Dezember 2015 auf der UN-Klimakonferenz in Paris verabschiedet. Im April 2016 unterzeichneten 175 Staaten, darunter die Vereinigten Staaten, China und Deutschland, das Übereinkommen. Das Problem: Es handelt sich nur um einen völkerrechtlichen Vertrag. Somit gibt es keine direkte Instanz, die eine verbindliche Zusage zum Abkommen durchsetzen könnte. Jedes Land ist selbst dafür zuständig, wie ernst es das Abkommen nimmt. 

So hat, zum Beispiel, China, das das Abkommen unterzeichnet hat, im aktuellen Klimaschutz-Index einen starken Abstieg um 13 Plätze auf Rang 51 erlebt. Obwohl das Land erhebliche Investitionen in erneuerbare Energien tätigt, verschlechtert sich seine Position aufgrund weiter steigender Kohlenstoffemissionen. Trotz des Ausbaus erneuerbarer Energien gelingt es China bisher nicht, seine Emissionen zu reduzieren und den Trend umzukehren. Neue Kohlekraftwerke werden im Land sogar errichtet, was dazu führt, dass diese Anlagen über viele Jahre hinweg betrieben werden müssen, um die Investitionen zu amortisieren. Das bringt die Klimaschutzziele natürlich in immer weitere Ferne.

Green Deal – Super in der Theorie, fragwürdig in der Umsetzung

Wer an Politik und Klimaabkommen denkt, darf natürlich auch nicht auf den Green Deal der EU vergessen. Auch er Green Deal ist zwar eine wichtige politische Agenda, aber nicht gänzlich rechtlich verbindlich. Nur einige der im Green Deal festgelegten Ziele und Maßnahmen werden in politische Initiativen, Gesetze und Programme der EU integriert. Diese können in verbindlicheren Rechtsvorschriften münden, während zahlreiche andere eher als politische Leitlinien dienen.

“Der Green Deal war eine große Ansage. Ich hatte damals, so wie zu dem Zeitpunkt, als die österreichische Regierung verkündet hat, dass sie bis 2040 klimaneutral sein möchte, die Hoffnung, dass das einigermaßen ernst genommen wird. Der Green Deal ist nach wie vor eine große Sache, aber er wurde verwässert. Da wurde viel Wichtiges abgeräumt an mehreren Stellen, ob in der Agrarpolitik oder in der Energieversorgung. Ein Beispiel ist das Labeling von Gaskraftwerken als grünes Investment. Es passieren immer wieder Rückschläge, die nicht verwunderlich sind, weil es natürlich starke Lobbyinteressen gibt“, meinte der österreichische Experte Reinhard Steuer kürzlich in einem Interview mit Trending Topics.

Tatsächlich hält die EU-Kommission an ihrer Entscheidung fest Atomenergie und Gas werden weiterhin als „grüne“ Energiequellen zu betrachten. Laut dem 2022 in Brüssel verabschiedeten Vorschlag zur Taxonomie-Verordnung können private Investoren in europäische Energieprojekte und -unternehmen auch in den kommenden Jahren darauf vertrauen, dass Strom aus Atom- und Gaskraftwerken weiterhin als nachhaltig eingestuft wird.

Nur „Klimaübergangsplan“ für Unternehmen

Ein anderes enttäuschendes Beispiel für eine „Verwässerung des Green Deals“:  Statt einer Rechtsgrundlage, die den CO2-Fußabdruck von Unternehmen reduzieren könnte, beinhaltet der Entwurf  des EU-Lieferkettengesetzes lediglich einen „Klimaübergangsplan“. Ursprünglich war jedoch geplant, ihn mit der Vergütung der Geschäftsführung zu verknüpfen, doch diese Verbindung wurde im Verhandlungsmandat der Mitgliedstaaten im Dezember 2022 gestrichen.

Der erforderliche rechtliche Rahmen, der Unternehmen zur Reduzierung ihrer Emissionen verpflichtet, fehlt bisher. Laut Global 2000 könnte das EU-Lieferkettengesetz ihn auf Grundlage der Sorgfaltspflicht zwar schaffen, jedoch werden im Entwurf der EU-Kommission aus dem Februar 2022 Klimaschutzmaßnahmen nicht explizit in die Sorgfaltspflicht einbezogen.

Handelsabkommen, die Regenwaldzerstörung fördern

Ein letzter Punkt noch: Während des EU-Lateinamerika-Karibik-Gipfels, der am 17. und 18. Juli in Brüssel stattfand, wurde über den umstrittenen EU-Mercosur-Handelspakt diskutiert. Im Vorfeld demonstrierten Greenpeace gemeinsam mit mehr als 50 andere Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen vor den Türen des EU-Parlaments gegen den Abschluss des Abkommens. Vorab wichtig zu wissen: In Ländern wie Brasilien wird illegal gerodet, um Platz für landwirtschaftliche Flächen zu schaffen. Dies trägt zur Entwaldung des Amazonas-Regenwaldes bei, einem wichtigen CO2-Speicher.

Die Kritik am EU-Mercosur-Handelsvertrag konzentriert sich daher vor allem auf dessen potenziell negative Auswirkungen auf Klima und Umwelt. Besonders besorgniserregend ist die drohende Regenwaldzerstörung im Amazonas-Gebiet. Brasilien hat bereits eine hohe Entwaldungsrate, die durch den Vertrag verschlimmert werden könnte. Der Handelsvertrag würde den Export von Agrarprodukten wie Soja und Rindfleisch erleichtern, was die Landwirtschaft in der Region weiter ausdehnen könnte. Dies würde zu mehr Rodungen von Regenwald und Zerstörung anderer Ökosysteme führen, um Platz für Rinderweiden und Anbauflächen zu schaffen. Warum die EU hier wegschaut, wer weiß? Profit. *hust hust*

Zusammenfassend wird deutlich: Die Klimakrise erfordert dringende Maßnahmen von Politik, Unternehmen und jedem Einzelnen. Der Zeitpunkt für Veränderungen ist jetzt. Die potenziellen Folgen unzureichenden Handelns sind ernsthaft beunruhigend, doch genau darin liegt die Chance zur positiven Veränderung. Wenn wir kollektiv handeln, können wir eine nachhaltige und gerechte Zukunft formen. Lasst uns die Warnung ernst nehmen und sie als Ansporn nutzen, um gemeinsam eine lebenswerte Welt zu schaffen.

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