Interview

Ventocom-Chef Michael Krammer: „Wer mit dem Rapid-Tarif telefonieren wird, hilft dem Nachwuchs“

Ventocom-Chef und Rapid-Präsident Michael Krammer. © Jakob Steinschaden
Ventocom-Chef und Rapid-Präsident Michael Krammer. © Jakob Steinschaden
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E-Plus, tele.ring, Orange und jetzt Ventocom: Michael Krammer ist ein Veteran der österreichischen Mobilfunkbranche und nebenbei auch noch Präsident des SK Rapid Wien. Mit Ventocom hat er heuer erfolgreich zwei neue Mobilfunkmarken, nämlich HoT und Allianz SIM auf den Markt gebracht, vor allem erstere hat den Markt ordentlich aufgemischt. Sein nächstes Projekt bringt den Mobilfunk und den Fußball zusammen – denn Ventocom arbeitet bereits intensiv an einem eigenen Rapid-Tarif, wie Krammer im Interview mit TrendingTopics.at bestätigt.

Sie haben mit Ventocom heuer bereits zwei virtuelle Mobilfunker, und zwar HoT mit Hofer und Allianz SIM, gelauncht. Wie bewerkstelligt man das?

Michael Krammer: Das Fundament ist der Host-Vertrag mit einem Netzbetreiber. Da hat die EU-Kommission durch die Auflage, die sie Drei nach der Übernahme von Orange erteilt hat, die Grundlage geschaffen. Dann entsteht Wettbewerb, weil die anderen sich überlegen, ob sie Drei das ganze Geschäft überlassen. Wir haben mit allen verhandelt und einen ordentlichen Host-Vertrag abgeschlossen (mit T-Mobile, Anm.). Dann muss man sich überlegen, welchen Teil der Wertschöpfungskette man effizienter abbilden kann als der Netzbetreiber, und das ist alles, was vom Netzbetrieb bis zum Marketing und Vertrieb geht. Die Netzbetreiber haben alte Systeme, die viel Geld kosten, alte Prozesse, die nicht mehr zeitgemäß sind. Wir haben uns gedacht: Wenn wir das schon machen, dann machen wir gleich eine Mandanten-fähige Plattform, weil so können wir nicht nur einen MVNO, sondern mehrere machen.

Und dann braucht man Partner.

Dann kommt der eigentliche Schlüssel zu Erfolg. Eines ist klar: Eigene Shops und eigene Marken aufzubauen, ist schwierig. Man landet zuerst gedanklich bei der Web-Marke, aber auch da hat man die Kosten, sie bekannt zu machen. Das war auch unser erster Business-Plan, aber dann haben wir an Kooperationen gedacht. Strukturell gesehen müssen Partner klar im B2C-Bereich sein, viele Kunden, eine starke Marke, große Vertriebsmacht und ein großes Werbebudget haben, mit dem sie ohnehin schon ihre Marke bewerben. Denn Marketing und Vertrieb kostet dem klassischen Mobilfunkbetreiber 20 bis 25 Prozent vom Umsatz. Wenn man diese Kosten nicht hat, hat man einen Wettbewerbsvorteil.

Hofer ist also logischer Partner.

Die absolute Nummer eins in diesem Konglomerat ist der Hofer. Eigentlich kommen nur vier Branchen in Frage: Retail, Versicherungen, Banken, und Medienhäuser. Die wichtigsten Voraussetzungen sind, das der Partner für sein Kerngeschäft einen Nutzen daraus ziehen kann, also etwa Frequenzsteigerung, dass er keine zusätzlichen Vertriebskosten hat, und dass er das Produkt unter seiner Marke anbieten kann, also Synergien beim Marketing hat.

Dient so ein Mobilfunkangebot eher der Stärkung der Marke, oder wirft es wirklich Gewinn ab? Die Allianz etwa meinte beim Launch von “Allianz SIM”, dass sie eigentlich gar kein Geld damit verdienen will, sondern sich daraus das Image eines digitalen Unternehmens erhofft.

Das Modell ist von Partner zu Partner unterschiedlich. Manche sagen, ihnen ist Geld wurscht, es soll ihre Marke und ihre Kerndienstleistungen stärken und ermöglichen, Anschlussprodukte zu verkaufen. Mobilfunk ist für mich ein Transportmittel, weil es ein Produkt ist, das jeder braucht so wie Essen und Trinken. Es lässt sich aber auch ein Geschäftsmodell abbilden, wo der Partner Geld verdient.

T-Mobile-Chef Andreas Bierwirth hat im TrendingTopics.at-Interview gesagt, dass 2020 die Produktion für virtuelle Anbieter wieder deutlich teurer wird, weil dann die Auflage der EU-Kommission, wie viel pro Megabyte ein MVNO höchstens zahlen muss, wegfällt.

Also erstens einmal ist das 2022, zehn Jahre nach dem Merger von Drei und Orange, so lange geht die Verpflichtung. Und zweitens hat er das nicht bis zum Ende durchgedacht: Denn 2022 macht der Netzbetreiber mit dem MVNO 15 bis 20 Prozent EBIT-Beitrag, oder sogar mehr. Ich bin mir ganz sicher, dass diesen EBIT-Beitrag jeder Netzbetreiber gerne hat, und es wird wieder Wettbewerb geben. Sollte der dann nicht entstehen, riecht das stark nach Kartell. Wenn wir bei der nächsten Frequenzversteigerung eine Million Kunden oder mehr haben, vielleicht steigert die Ventocom ja dann um Frequenzen mit. Die Möglichkeiten bei der letzten Frequenzversteigerung wären schon eine Überlegung wert gewesen.

Sie würden dann ein eigenes Mobilfunknetz aufbauen?

Man kauft Frequenzen, nimmt Lizenzen und baut das Netz in einem Kerngebiet auf, und im Rest des Landes hat man National Roaming. Und dann kann man aus dem Cashflow den weiteren Ausbau des Netzes finanzieren. All das sind strategische Optionen, die bis zum Jahr 2022 auf uns zukommen werden.

Wie viele Kunden haben Sie derzeit?

Das kann ich jetzt nicht verraten, aber wir haben demnächst eine Pressekonferenz, wo wir über Kundenzahlen reden werden.

Neben HoT und Allianz SIM gibt es ja noch eine ganze Reihe an virtuellen Mobilfunkern. Ich habe schon etwas den Überblick verloren. Wie viele solcher neuen Angebote verträgt der Markt überhaupt?

Der Konsument nimmt außer HoT und UPC nichts wahr. In der neuen GfK-Studie kommen nur die zwei vor, die anderen fallen unter den Begriff “andere Betreiber”, die scheinen nicht auf.

Es werden also einige wieder verschwinden.

Kommt aufs Geschäftsmodell an. Um wirklich nachhaltig in diesem Markt auftreten zu können, musst du eine Marke haben.

Eine neue Marke aufzubauen ist zu teuer?

Wenn man einen neuen virtuellen Mobilfunkbetreiber positionieren will, dann tritt man gegen ein Werbevolumen von gut und gerne 40 Millionen Euro an, das ist das kumulierte Werbevolumen der etablierten Netzbetreiber. Wie soll das funktionieren? Aber man kann sich sicher in einer Nische positionieren und seine Zielgruppe abseits der Massenmedien über andere Kanäle erreichen. Das ist möglich, aber dann fehlt das Volumen, weil in Österreich die Teilmärkte sehr klein sind. Im Skaleneffekte-Geschäft Telekom geht sich das nicht aus.

Sie haben schon mal durchklingen lassen, dass Ventocom an einer Rapid-SIM-Karte arbeitet. Wird die wirklich kommen?

Ja, wir arbeiten an dem Rapid-Tarif, der wird sicher kommen. Das ist ein Community-Produkt. Rapid ist die größte Community Österreichs, mit 800.000 bis eine Million Sympatisanten, wovon 200.000 richtig zu Rapid stehen. Wir wollen ein Modell zum Selbstkostenpreis aufsetzen, und der Rest der Einnahmen geht in die Nachwuchsförderung. Jeder Rapidler, der mit einem Rapid-Tarif telefonieren wird, hat dann nicht nur einen attraktiven Preis, sondern hilft damit gleichzeitig dem Nachwuchs von Rapid. Und als Netzbetreiber steht oben am Display Rapid.

Muss man Rapid-Fans überhaupt noch enger an die Marke binden?

Nein, aber man kann die, die noch ein bisschen weiter weg sind, näher an die Marke heranbringen. Das gelingt in erster Linie durch den sportlichen Erfolg, aber man kann es durch Umfeldmaßnahmen noch verstärken.

Das Mehrangebot an virtuellen Mobilfunkern führt auch dazu, dass sich Konsumenten ihr Smartphone selber dazukaufen und nicht mehr in einem 24-Monate-Vertrag abzahlen. Wir das weiter steigen, oder ist das nur etwas für Auskenner?

Laut GfK wurden im ersten Halbjahr mehr als 50 Prozent der Smartphones offen gekauft, und das wird weiter steigen. Die Netzbetreiber werden erkennen, dass es weiter eine Klientel gibt, die sich ein Vertragshandy nehmen, aber diese Klientel wird man nur halten können, wenn man Zusatz-Services anbietet. Entweder man schafft einen Mehrwert, oder das geht flöten. Dann bricht ein ganzes Geschäftsmodell zusammen. Aus meiner Sicht wird sich der Markt stark polarisieren in SIM-only, wo man das Smartphone selber dazukauft, oder man leistet sich ein Full-Service-Package, wo wirklich alles drinnen ist. HoT hat heuer bis dato 40 Prozent aller Portierungen gemacht und diese rein online abgewickelt, für so etwas braucht man keinen Shop mehr.

Gibt es bei Ventocom Überlegungen, die Tarife mit Zusatz-Services zu bündeln?

Ja, aber nur mit Dingen, die unmittelbar dazupassen, etwa Handy-Versicherungen oder Cloud-Dienste. Aber erst in einem zweiten Schritt, im Moment sind wir noch sehr wachstumsgetrieben.

T-Mobile-Chef Bierwirth hat auch gesagt, dass er es spannend fände, die Nutzerdaten zu Werbezwecken auszuwerten, um in Folge günstigere Tarife anzubieten. Fänden Sie solches Big Data als Geschäftsmodell spannend?

Den Mobilfunkern ist es, mit all den Daten, die sie haben, noch nicht gelungen, im Mobile Marketing eine Rolle zu spielen, weil das Inseldenken vorherrscht. Das interessiert einen Werber aber nicht, der will zum Beispiel alle 17- bis 27-Jährigen im Großraum Wien erreichen und nicht nur die T-Mobile-Kunden. Dafür ist noch nichts entwickelt worden. Vielleicht bräuchte es eine übergeordnete Initiative, bei der die Mobilfunker ihre Daten, natürlich anonymisiert, gemeinsam vermarkten. Diese Marktmacht wäre schon gewaltig. Da sind richtig gute Daten vorhanden, man erreicht so de facto jeden Österreicher, und man kann ganz genau nach Zielgruppen selektieren.

Wäre das interessant für Sie?

Nein, das ist nicht mein Spezialgebiet. Eine technische Plattform zu entwickeln, die mit allen drei Systemen funktioniert, und dann noch das Geschäftsmodell mit den drei Netzbetreibern verhandeln, das dauert fünf Jahre.

Es gibt immer wieder Berichte, dass Samsung und Apple SIM-Karten direkt im Smartphone verbauen wollen, um den Netzwechsel für Konsumenten noch einfacher zu machen. Das ist doch eigentlich in Ihrem Interesse, oder?

Dazu brauchen sie die Netzbetreiber, und da gibt es derzeit eine große Blockade bei den Europäern. Aber was würde da für eine Marktmacht entstehen, die eh schon urgewaltig ist? Da muss man schon aufpassen, dass da Weltmonopole entstehen. Da verstehe ich die Netzbetreiber, die sagen, da mach ich nicht mit. Es ist ja ohnehin so, dass Apple die Netzbetreiber sehr stark in die Mangel nimmt und zu großen Stützungen verpflichtet, die schon viel zum Gewinn von Apple beitragen. Man muss nicht alle Macht in eine Hand legen.

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