Einschätzung eines Gründers

Veränderungen im Startup-Ökosystem: Corporate Ventures machen sich auf den Weg

© beigestellt / Hornik
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Über die letzten Jahre hat das Innovationsvehikel Corporate Venture Building (CVB) deutlich an Interesse in der Konzernwelt gewonnen – Konzerne gründen eigenständige, von den hemmenden Prozessen des Konzerns unabhängige, Ventures. Kritische Stimmen – insbesondere aus dem Startup-Umfeld – sehen diese Entwicklung weniger positiv und sprechen von Wettbewerbsverzerrung und von einer modernen Verpackung altbekannter Methoden. Als ehemaliger Gründer eines Startups, welcher heute selber im Corporate Venture Umfeld navigiert, beobachte ich die zunehmende Präsenz von Corporate Ventures im Innovationsökosystem besonders genau.

Es ist unbestreitbar, dass diese neuen Marktteilnehmer die Landschaft des Startup-Ökosystems verändern werden. So beginnt die Geburtsstunde der Innovationsreise bei Corporate Ventures beispielsweise, im Gegensatz zu den meisten Startups, nicht erst mit der Idee, sondern oft mit einer sorgfältigen Analyse von Pain Points und strukturierter Validierung. Auch das Mindset und die Kultur von Corporate Ventures und traditionellen Startups sind gänzlich verschieden – nicht zuletzt durch den unterschiedlichen Zugang zu Folgefinanzierungsrunden, aber auch in der Zielsetzung und Incentivierung der Shareholder und des Managementteams.

Doch was bedeutet das konkret für das Startup-Ökosystem?

Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten

Durch ihre Verbindungen zu Konzernen haben Corporate Ventures oft einen Vorteil bei der Gewinnung von Folgefinanzierungsrunden, welche meistens vom Konzern selbst gestemmt werden. Gerade gegenüber frühphasigen Startups bietet dies meist einen signifikanten Vorteil. Für Startups ohne bestehendes Netzwerk zu Investor:innen sind die ersten Finanzierungsrunden ein besonderer Kraftakt, welcher vollen Fokus zumindest eines Gründungsmitglieds benötigt. Hier können Corporate Ventures ihre Bemühungen neben dem Fundraising definitiv leichter auf die Weiterentwicklung des Produkts bzw. des Marktes fokussieren.

Gleichzeitig haben Startups ohne Konzerneigentümern einen potenziellen Vorteil bei großen spätphasigen Finanzierungsrunden: abhängig von der Größe des Konzerns im Hintergrund des Corporate Ventures kommen auch diese irgendwann an die Grenzen der Möglichkeit zur Folgefinanzierung, während Late Stage Startups deutlich eher dem Suchfeld von Venture Capital Fonds entsprechen und somit einfacher externe Finanzierungsrunden aufstellen können.

Kund:innen-Zugang

Durch ihre Verbindungen zu Konzernen haben Corporate Ventures oft eine starke Marktmacht durch bestehende Kundenzugänge, was traditionelle Startups benachteiligen kann. Außerdem vereinfacht das Vertrauen zu großen Konzernen die Akquise von Kund:innen deutlich.

Andererseits tun sich Startups häufig in B2B-Märkten mit wenigen Marktteilnehmern, insbesondere jenen, wo der Mutterkonzern des Corporate Ventures auch Kunde des innovativen Produkts oder Services werden soll und den Technologiezugang für Konkurrenzunternehmen einschränken möchte, einfacher. Diese können unabhängig von einzelnen Unternehmen agieren und dürfen somit auch mehrere Wettbewerber in der gleichen Branche zu den Kund:innen zählen.

Incentivierung von Entrepreneuren

Auch der Zugang zu Co-Foundern kann für Startup Gründer:innen durch Corporate Ventures tendenziell erschwert werden. Zwischen der Incentivierung von klassischen Gründungsteams und jenen von Corporate Venture Entrepreneuren liegen deutliche Unterschiede. Einerseits sind die Gehälter der Corporate Gründer:innen von Anfang an deutlich höher, als bei traditionellen Startups. Andererseits halten die Founder eines Startups am Anfang des Gründungsvorhabens meistens 100% der Anteile – bei Corporate Ventures liegen meistens die Mehrheitsanteile beim Konzern.

Stehen Gründungsinteressierte vor der Entscheidung, selbst ein Startup zu gründen, oder in ein Corporate Venture als Entrepreneur in Residence einzusteigen, könnten die Sicherheit des Konzerngehalts, sowie das leichte Aufwärtspotenzial durch die Unternehmensanteile, einen größeren Anreiz zum Einstieg in das Corporate Venture darstellen, als selber zu gründen. Dadurch lässt sich argumentieren, dass dies zu einer systematischen Veränderung des Risikoappetits und somit zur Erschwerung der Suche nach einem Founding Teams führen könnte.
In der Vergangenheit hat sich dieser Trend jedoch nicht nachweisen lassen. Viel mehr haben einige erfolgreiche Startup-Gründer:innen (wie beispielsweise Kağan Sümer von Gorillas bei Rocket Internet) zunächst das Handwerkzeug im Venture Building gelernt und erst später ein eigenes, unabhängiges Unternehmen gegründet.

Verständnis für Startups von Strategen

Corporate Ventures sind nicht das erste Innovationsvehikel, mit welchem Konzerne in die Startup Welt eintauchen. So führen beispielsweise auch Corporate Venture Capital (CVCs) und Startup Kollaborationen zu Berührungspunkten mit Jungunternehmen. Hier wird jedoch häufig kritisiert, dass Investments von Corporates in Startups oder Kollaborationen zwischen den beiden Organisationen, häufig zu Problemen durch divergierende Erwartungen und Incentivierungen führen.

Durch Corporate Ventures können Konzerne im Rahmen der eigenen Organisation (in Form der Ventures als Tochterunternehmen) verstehen, mit welchen Herausforderungen das Gründen eines Startups einhergeht. Dieses erhöhte Verständnis für die Schwierigkeiten von Gründungsteams kann potentiell auch den Erfolg von Pilotprojekten mit Startups erhöhen.

Förderung des nationalen Innovationsklimas

Corporate Ventures können einen entscheidenden Beitrag zur Förderung des Innovationsklimas eines Landes leisten, indem sie in innovative Ideen investieren. Dies kann zu einer höheren Sichtbarkeit für Venture Investitionen im Allgemeinen steigern.

Zudem kann die zunehmende Präsenz von Corporate Ventures dazu beitragen, dass politische Entscheidungsträger auf die Bedeutung von Startups und Venture Investitionen aufmerksam werden. Dies kann dazu führen, dass strukturelle Themen wie Vesting und ESOP im politischen Rahmen diskutiert werden und dass politische Entscheidungen getroffen werden, die dem Innovationsklima des Landes förderlich sind.

Eine positivere Sichtbarkeit für Venture Investitionen und eine stärkere politische Unterstützung für Startups kann dazu beitragen, dass das Innovationsklima in einem Land gestärkt wird und dass mehr Chancen für Gründer und Startups entstehen. Corporate Ventures haben somit potentielle eine wichtige Rolle bei der Förderung des Innovationsklimas eines Landes.

Schlussfolgerung

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Corporate Ventures zwar positive Auswirkungen auf das Startup-Ökosystem haben können, jedoch auch einige Risiken mit sich bringen. Der Einstieg von Konzernen in das Startup Ökosystem in Form von Corporate Ventures kann das nationale Innovationsklima fördern und zukünftigen Gründer:innen aus dem Konzernumfeld einen Einstieg in das Unternehmertum bieten.

Andererseits besteht die Gefahr, dass durch den Einstieg von Corporate Ventures das Umfeld von Startups, insbesondere durch den leichteren Zugang zu Kapital und Kund:innen, negativ beeinflusst werden kann.

Trotz der möglichen Risiken, bleibt das Potenzial für positive Synergien bestehen, wenn Corporate Ventures und Startups, wo immer sinnvoll, partnerschaftlich zusammenarbeiten und voneinander lernen. Eine kritische Beobachtung des Einflusses von Corporate Ventures auf das Startup-Ökosystem ist jedoch unerlässlich, um sicherzustellen, dass die Vorteile von Corporate Ventures als Innovationsvehikel im Konzernumfeld nicht zu Lasten von eigenständigen Startups gehen.

Christoph ist ehemaliger Founder eines ClimateTech Startups und arbeitet aktuell selber im Venture Building bei TheVentury. Er kennt somit die unterschiedlichen Seiten der Innovationslandschaft, mit ihren Vor- und Nachteilen aus eigener Hand. Am Besten erreichst du Christoph via LinkedIn.

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