Analyse

Vibe Coding verändert gerade fundamental, wie Software-Entwicklung läuft

AI am Steuer. © Trending Topics via Grok
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Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview Startup Interviewer: Gib uns dein erstes AI Interview

„Bau‘ mir bitte mal eine Social-App, ähnlich Instagram, in türkis, verpasse ihr einen coolen Namen mitsamt Logo, und statt Bildern können die User Sounds teilen.“ 15 Minuten später ist die App fertig, und der Founder kann die nächste AI anwerfen, um die Werbetrommel für „seine“ neueste Kreation auf Search und Social Media zu rühren.

Herzlich willkommen in der schönen neuen Welt des Vibe Coding! Ok, noch ist es nicht ganz so weit, aber man sieht bereits, dass es bald so weit sein könnte. AI-Modelle von Anthropic, OpenAI und Co spucken mittlerweile Code auf Befehl aus, dass auch gestandenen Entwicklern die Spucke wegbleibt. Wenn sie nicht mehr in die Tasten hauen müssen, sondern in natürlicher Sprache eingeben, welche Software sie denn gerne hätten, spricht man von „Vibe Coding“.

„Es fühlt sich an wie smoothes Segeln“

„Vibe Coding ist im Grunde Coden mit Instruktionen in natürlicher Sprache an ein LLM oder ein Agentic AI System, das dann die Instruktionen in Code gießt“, so Matthias Grabner von grabner.tech und Boardmember von AI Austria. „Dabei steht Vibe für die lockere iterative Herangehensweise, es fühlt sich wie ’smooth sailing‘ an anstatt hartes, technisches Coden.“

Präferierte Tools laut Grabner sind komplett Browser-basierte IDEs mit eigenen Agentic-Systemen wie Replit oder Loveable, aber der „Visual Studio Fork“ Cursor, der modular erweiterbar (z.B. mit Model Context Protocol, welches Erstellung vielseitiger Tools erlaub), „Die Vorteile liegen klar im schnellen Prototypen, an der Möglichkeit rasch simple Produktivitätstools zu bauen, die 100%ig individualisiert sind, oder PoCs oder Mockups für alles Mögliche“, so Grabner weiter. „Nachteil ist: Um etwas wirklich Production-ready auf die Beine zu stellen, muss man trotzdem intensiv iterativ mit Trial & Error und Debug-Schleifen vorgehen. Dazu muss man dann doch gewisse Coding-Kenntnisse mitbringen.“

Ehemaliger AI-Chef von Tesla prägt den Begriff

Der Begriff “Vibe Coding” wurde im Februar 2025 von Andrej Karpathy, einem Mitbegründer von OpenAI und ehemaligen KI-Leiter bei Tesla, geprägt. Karpathy beschrieb seine Erfahrung mit dieser neuen Programmiermethode als einen Prozess, bei dem er sich vollständig dem “Flow” hingibt und die “exponentiellen” Möglichkeiten der KI akzeptiert, während er die Details des generierten Codes weitgehend ignoriert. Er charakterisierte Vibe Coding als eine Tätigkeit, bei der man “Dinge sieht, Dinge sagt, Dinge ausführt und Dinge kopiert”, ohne sich tiefgehend mit dem Code selbst auseinandersetzen zu müssen.

Karpathy hat übrigens eine interessante Connection zu Österreich. Er ist einer der Investoren des AI-Startups Magic von Eric Steinberger und Sebastian De Ro. Wie mehrfach berichtet, entwickeln die beiden ein AI-Tool, das selbstständig Coden kann (mehr dazu hier).

Die Entwicklung von Vibe Coding wurde durch die rasanten Fortschritte bei großen Sprachmodellen (LLMs) ermöglicht, die inzwischen in der Lage sind, komplexe Programmieraufgaben zu verstehen und umzusetzen. Laut Garry Tan, dem Leiter des Startup-Inkubators Y Combinator, nutzen bereits etwa 25 Prozent der aktuellen Startups KI-generierte Lösungen, wobei in einigen Fällen bis zu 95 Prozent des Codes von Sprachmodellen geschrieben wird.

Coding-Startups fordern Github Copilot heraus

Letztendlich rechnen Investoren damit, dass die Anbieter der Coding-KIs sehr viel Geld verdienen können. Wenn Unternehmen dutzende, hunderte, vielleicht sogar tausende Programmierer durch AI einsparen können, dann kann man für die entsprechenden Tools auch ordentlich Geld verlangen.

Eine ganze Riege an KI-Startup hat deswegen enorm viel Investment aufgenommen, um entsprechende Angebote am Markt zu platzieren:

Startup Raised so far Valuation AI Model/Agent Investors HQ
Magic $465M > $1B LTM-2 mini (own) Eric Schmidt, Atlassian, CapitalG, Jane Street, Sequoia, Nat Friedman, Daniel Gross, Elad Gil San Francisco
Poolside.ai $626M $3B tba. Bain Capital Ventures, DST Global, Nvidia, HSBC Ventures, LG Technology Ventures, eBay Ventures, Xavier Niel, Rodolphe Saadé, Motier Ventures, Bpifrance, NewWave, Frst Paris
Cognition Hunderte Millionen $ $4B Devin 8VC (Joe Lonsdale), Founders Fund, Khosla Ventures, Elad Gil, Conviction Partners San Francisco
Codeium $243M $1,25B Llama 3.1 (from Meta) General Catalyst, Kleiner Perkins, Greenoaks Capital Mountain View
Replit $222M $1,16B Replit Code 1.5 (3B) Andreessen Horowitz, Khosla Ventures, Coatue, SV Angel, Y Combinator, Bloomberg Beta, Naval Ravikant, ARK Ventures, Hamilton Helmer Menlo Park
Anysphere $105M $2,5B Cursor Thrive Capital, Andreessen Horowitz, Benchmark, Patrick Collison, OpenAI, Nat Friedman, Arash Ferdowsi Buffalo
Augment $252M $977M tba. Eric Schmidt, Index Ventures, Sutter Hill Ventures, Lightspeed Venture Partners, Innovation Endeavors, Meritech Capital Palo Alto
Tabnine $57M tba. Tabnine Universal + Tabnine Protected Telstra Ventures, Atlassian, Khosla Ventures, TPY Capital, Hetz Ventures, Qualcomm Ventures, OurCrowd, Samsung NEXT Ventures, Headline Ventures Tel Aviv

Vom Coder zum Architekten

Einer der Hauptvorteile von Vibe Coding ist die erhebliche Steigerung der Entwicklungsgeschwindigkeit. Programmierer können Prototypen und funktionale Anwendungen in einem Bruchteil der Zeit erstellen, die bei traditionellen Methoden erforderlich wäre. Dies ermöglicht schnelleres Experimentieren und Iterieren, was besonders für Startups und kleine Teams von Vorteil ist. Entwickler können sich auf die kreativen Aspekte der Problemlösung konzentrieren, anstatt Zeit mit repetitiven Codierungsaufgaben zu verbringen.

Zudem senkt Vibe Coding die Einstiegshürde für die Softwareentwicklung deutlich. Auch Personen mit begrenzten Programmierkenntnissen können nun komplexe Anwendungen erstellen, indem sie ihre Ideen in natürlicher Sprache beschreiben. Dies demokratisiert den Zugang zur Softwareentwicklung und ermöglicht es einem breiteren Spektrum von Menschen, ihre Ideen umzusetzen. Die Rolle des Entwicklers wandelt sich dabei vom reinen Programmierer zum Produkt- und Systemarchitekten, der sich auf die übergeordnete Struktur und Funktionalität konzentriert.

10 Entwickler statt 100

Die zunehmende Verbreitung von Vibe Coding könnte erhebliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt für Softwareentwickler haben. Insbesondere Junior-Entwickler und Programmierer mit Routineaufgaben könnten durch KI-gestützte Lösungen ersetzt werden, da ein kleineres Team mit KI-Unterstützung nun die Arbeit leisten kann, für die früher dutzende Ingenieure nötig waren. Garry Tan von Y Combinator meint, dass Teams von nur zehn Personen mit Vibe Coding-Expertise die Arbeit von 50 bis 100 traditionellen Entwicklern erledigen können.

Am US-Arbeitsmarkt sieht man den AI-Effekt bereits. Die Zahl der offenen Stellen bei Indeed, einer der großen Job-Portale, sind seit dem Launch von ChatGPT drastisch gesunken. Parallel da zu hat man gesehen, dass Meta, Google und Co tausende Stellen gestrichen haben, obwohl ihre Gewinne und Umsätze weiter ordentlich wachsen:

Diese Entwicklung könnte zu einer Polarisierung des Arbeitsmarktes führen, bei der hochqualifizierte Entwickler, die KI-Tools effektiv einsetzen können, stark nachgefragt werden, während andere Stellen wegfallen. Allerdings entstehen auch neue Chancen: Laut Tan könnten gerade junge Ingenieure, die auf dem traditionellen Arbeitsmarkt Schwierigkeiten haben, nun eigene Unternehmen gründen und mit kleinen Teams Nischenmärkte bedienen, die zuvor als zu klein galten. Die Fähigkeit, KI-Tools effektiv zu nutzen und zu steuern, wird zu einer entscheidenden Kompetenz für Entwickler in dieser neuen Ära der Softwareentwicklung.

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