Viel Moos, nix los? Wiener Börse kontert startup300 nach Delisting-Ankündigung
Hoher administrativer und finanzieller Aufwand, geringes Handelsvolumen und wegen großer Kurssprünge keine Chancen, institutionelle Investor:innen zu überzeugen: Das sind angegebene Gründe für die Entscheidung der startup300 AG, sich im März 2022 von der Wiener Börse zurück zu ziehen. Das wirft auch ein schlechtes Licht auf die Wiener Börse. Denn auch wenn das Linzer Unternehmen eigene Fehler eingesteht („nicht gelungen, die Attraktivität dieses Businessmodells bei den Anlegerinnen und Anlegern zu verankern“), so werden viele Fehler bei der Börse und ihrer Struktur gesucht (mehr dazu hier).
Nun wollen die Betreiber der Wiener Börse, für die das Delisting der startup300 auch ein Rückschlag ist, mit eigenen Zahlen das Bild zurecht rücken. „Über die Höhe der Kurse entscheiden allein die Investoren, die damit das Unternehmen bewerten. Die Börse stellt dafür die Technik zur Verfügung und sorgt für transparenten, überwachten Handel. Das ist im Einstiegssegment bei Unternehmen mit teilweise sehr geringer Bewertung, sowie wenigen frei umlaufenden Aktien, eine Herausforderung“, heißt es seitens Wiener Börse. Das Beispiel Beispiel der startup300 AG zeige aber, dass dies trotzdem gelingen könne.
Das ist ein völlig anderes Bild, als es startup300 zeichnet.
Waren es nun 5 oder 10 Millionen?
„Seit dem Börselisting am 21. Jänner 2019 wurden insgesamt rund fünf Millionen Euro in Aktien gehandelt, wobei ein signifikanter Teil davon in den ersten Monaten nach dem Listing abgewickelt wurde. Im Jahr 2021 wurden nur mehr rd. 360 TEUR gehandelt, was die Frage der Handelbarkeit grundsätzlich in Frage stellt und wenig Vorteile für Aktionäre bietet“, hieß es seitens startup300 im Zuge der Bekanntgabe des Delistings. Bei der Wiener Börse hingegen kommt man auf das Doppelte: „Seit Listing wurden 1,72 Mio. Aktien mit einem Wert von 10,2 Mio. Euro gehandelt. Das durchschnittliche tägliche Handelsvolumen beträgt 22.100 EUR (3.730 Aktien).“
Anm.: Der Unterschied erklärt sich aus der Zählweise: startup300 zählt einfach (Aktie wird verkauft), die Wiener Börse doppelt (Aktie wird 1x verkauft, aber gleichzeitig auch 1x gekauft).
Auch dass startup300 es eigenen Angaben nach nicht geschafft hätte, institutionelle Investoren anzusprechen, stimme so nicht ganz. Seitens Wiener Börse heißt es dazu: „30 Banken und Handelsteilnehmer waren in Aktien von startup300 AG aktiv, mit hunderten Kunden dahinter.“
Schließlich gibt es auch einen Hinweis in Bezug auf die beklagten hohen Kosten für die Börsenlistung. Bereits im Oktober 2021, als das erste Mal ein Delisting der startup300 AG im Raum stand, kommunizierten die beiden Vorstände Bernhard Lehner und Michael Eisler, dass sich die Gesamtkosten inklusive nötiger Berater- und Prüfungskosten auf 150.000 Euro pro Jahr belaufen würden. Die Wiener Börse will das nicht so stehen lassen: „Mit einer jährlichen Listinggebühr von 2.500 Euro ist der direct market (plus) wirtschaftlich attraktiv. Bei den verpflichtenden Regularien wird das europäische Mindestmaß zur Anwendung gebracht.“
Marktsegment wird nachgefragt
Der Rückzug von startup300 von der Wiener Börse bedeutet nicht, dass das Marktsegment nicht attraktiv für andere Unternehmen ist. „2021 nutzten 8 neue Unternehmen den einfachen Einstieg an die Wiener Börse im Vienna MTF. Es ist das aktivste Jahr seit Gründung der Segmente direct market & direct market plus. Die Möglichkeit, Aktien auf einfachem Wege handelbar zu machen, wird nachgefragt“, heißt es seitens Wiener Börse.
startup300: Was hinter dem neuerlichen Absturz der Aktie steckt