VivaTech 2023: Wie Kosmetik-Gigantin L’Oréal die Tech-Branche einnimmt
Der französische Weltmarktführer im Kosmetikbereich L’Oréal machte vergangene Woche auf der VivaTech 2023 in Paris gleich mit mehreren technologischen Neuheiten auf sich aufmerksam. Was viele nicht wissen: L’Oréal arbeitet tatsächlich bereits seit 2012 an der Etablierung als Technology-Player. Die Aufmerksamkeit dafür scheint allerdings erst jetzt den Höhepunkt erreicht zu haben. Mitte Juni präsentiert der Konzern neue Beauty-Tech-Geräte sowie KI-Anwendungen und dringt damit immer weiter in die Tech-Branche vor. Für alle, die den Begriff noch nicht kennen: Beauty-Tech beschreibt den Einsatz von Technologie in der Beauty-Branche, um neue, bequeme und zukunftsorientierte Schönheits-Tools anzubieten. Dazu gehören Geräte und Apps für Haar- und Hautanalysen sowie virtuelle Umstylings über Smartphone oder PC-Bildschirme. Zudem umfasst Beauty-Tech technologische Hilfsmittel für reale Look-Veränderungen.
L’Oréal gliedert die Innovationen bei der Präsentation dabei in die folgenden drei Kategorien: Inklusive Beauty-Tech-Tools, personalisierte Beauty-Tech- und nachhaltige Beauty-Tech-Lösungen. Zu den inklusiven Tools gehört, beispielsweise, ein Gerät namens Hapta, das das Auftragen von Schminke für Menschen mit eingeschränkter Mobilität erleichtern soll. Die AR-Funktion “Ready in a Click” wird L’Oréals personalisierten Tech-Lösungen zugeordnet und ist eine Kooperation mit Microsoft Teams. Sie schien junge Frauen, in Anbetracht der langen Schlange auf der VivaTech, besonders zu begeistern. Der Beauty-Filter hat es von Instagram in den Berufsalltag geschafft und wurde vor Ort mehrmals als „Time Saver“ gelobt, da mit seiner Hilfe vor Online-Meetings mit „nur einem Klick“ ein kompletter virtueller Make-Up-Look im Gesicht der User:innnen erscheint. Apropos Saver: Zur letzten Kategorie gehört der Water Saver. Dieses Gerät soll beim Haarewaschen bis zu 6,8 Milliarden Liter Wasser einsparen.
Eine Milliarde Euro in Beauty-Tech investiert
Bei der Pressekonferenz auf der VivaTech verriet Barbara Lavernos, Deputy CEO verantwortlich für Forschung, Innovation und Technologie der L’Oréal Groupe, dass der Konzern im Zeitraum bis 2022 eine Milliarde Euro in Beauty-Tech investiert hat.
„Es geht hier um die Goldmine unserer unvergleichlichen Beauty-Datenbank – die größte und reichhaltigste der Welt, wenn es um Schönheit geht. Dieser Schatz umfasst alles von Inhaltsstoffen über die Wissenschaft von Haar und Haut bis hin zu Schönheitsroutinen und Verbrauchererkenntnissen seit der Gründung unseres Unternehmens vor über einem Jahrhundert. In unserer L’Oréal Beauty-Tech-Plattform haben wir über 5.000 Terabyte an Daten“, sagte Lavernos auf der VivaTech 2023.
Laut ihr geht es jedoch nicht allein nur um die Datenbank, sondern darum, wie sie genutzt wird. Sie sagt: „Die Hyper-Personalisierung und Präzisionstechnologie der L’Oréal-Gruppe lassen sich nur mit Hilfe von generativer KI erreichen.“ Laut eigenen Angaben konzentriert sich L’Oréal mit 20 weltweiten Forschungszentren und einem Forschungs- und Innovationsteam von über 4.000 Wissenschaftler:innen und 3.000 Technologieexpert:innen mit voller Kraft darauf, die Zukunft der Schönheit aktiv mitzugestalten und ein Beauty-Tech-Powerhouse zu werden.
Hapta: Unterstützung bei körperlicher Einschränkung
Bevor es nun um die Details auf der VivaTech präsentierten Geräte, Apps & Co. geht, sollte, um Verwirrung zu vermeiden, auch erwähnt werden, dass alle im Anschluss erwähnten Marken wie Lancôme, Maybelline New York, Shu Uemura, Kérastase oder La Roche-Posay, zum L’Oréal-Konzern gehören.
Dieses Jahr war L’Oréal bereits zum siebten Mal auf der VivaTech. Unter den Beauty-Tech Kreationen befinden sich einerseits die sogenannten inklusiven Beauty-Tech-Tools. Dazu gehört das Gerät Hapta von Lancôme. Es soll es Menschen mit körperlichen Einschränkungen ermöglichen bzw. erleichtern, Make-up aufzutragen. Das Gerät ähnelt bereits auf dem Markt etablierten stabilisierenden Hilfsmitteln, die Menschen mit Handzittern oder eingeschränkter Mobilität helfen, eigenständig zu essen.
Auch Diagnose-Tools wie der La Roche-Posay Spotscan gehören in diese Beauty Tech-Gliederung. Entwickelt in Zusammenarbeit mit führenden Dermatologen, ist dieses kostenlose Diagnosewerkzeug für Akne-Patient:innen gedacht. Aus nur drei Selfies analysiert und bewertet Spotscan die Haut, um eine personalisierte La Roche-Posay-Routine zu empfehlen.
Brow Magic: Perfekte Augenbrauen in Sekunden
Zu den personalisierten Beauty-Tech-Lösungen gehört der 3D shu:brow von Shu Uemura – besser bekannt als BrowMagic. Brow Magic ist ein elektronischer Augenbrauen-Make-up-Applikator für zu Hause und wurde entwickelt, um ohne Zeitaufwand und den Kauf von verschiedenen Produkten, in wenigen Sekunden perfekte Augenbrauen zu erzielen. Das Gerät hat man in Zusammenarbeit mit Prinker entwickelt, einem Unternehmen, das sich auf gedruckte, nicht permanente Tattoos spezialisiert hat.
Mit einem Klick geschminkt für das Online-Meeting
Eine weitere Neuheit in diesem Bereich ist der AR-Filter „Ready in a Click“. Diese Funktion soll kostenlos und, anders als der Rest, schon im Juli 2023 bei Microsoft Teams verfügbar sein. Zu Beginn stehen den Teams-Nutzer:innen 12 verschiedene Looks zur Auswahl, die virtuellen Lippenstift sowie Augen- und Gesichts-Make-up umfassen. Die verwendete „ModiFace-Technologie“ ermöglicht es den Nutzer:innen, eine Vorschau des Looks zu sehen, bevor sie ihn live anwenden.
Wasserverbrauch bei Friseur:innen um bis zu 65 % senken
Zu der letzten Gruppe, den nachhaltige Beauty-Technologielösungen, zählt der Water Saver von L’Oréal Professionnel, Das Gerät wurde in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Startup Gjosa entwickelt und soll den Wasserverbrauch im Salon um bis zu 65 % senken. L’Oréal verspricht „Wenn 100.000 Salons mit diese Technologie nutzen, können sie bis zu 6,8 Milliarden Liter Wasser einsparen.“ Der Water Saver soll Haarprodukte nämlich direkt in das verwendete Wasser einarbeiten. Diese kommen dann mit Hilfe des Brausekopfs in die Haare.
Tech-Fokus seit 2012
Da KI-Themen sich derzeit über mehr Mainstream-Aufmerksamkeit erfreuen, hat das natürlich auch einen Einfluss auf den Bekanntheitsgrad von Beauty-Tech. L’Oréal ist eigentlich seit 2012 im Beauty-Tech-Bereich tätig und hat dafür auch schon seit damals einen eigenen Tech-Inkubator. Als Startup innerhalb der Abteilung für Forschung und Innovation wurde der Technologie-Inkubator von L’Oréal mit dem Ziel gegründet regelmäßig neue Beauty-Technologien zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.
Seit seiner Gründung ist der Inkubator in New York, New Jersey, Kalifornien, Frankreich und Japan präsent. Das Kernteam besteht aus über 30 Mitarbeitenden, darunter Physiker:innen, Ingenieur:innen, UX-Spezialist:innen, Hardware-Designer:innen und Datenwissenschaftle:rinnen, die interdisziplinär zusammenarbeiten, um L’Oréal dabei zu unterstützen, sich von einem führenden Beauty-Unternehmen zu einem Technologieanbieter zu entwickeln.
Kosten und Kritik
Hapta wurde erstmals auf der Consumer Electronics Show 2023 in Las Vegas, Nevada, für das Auftragen von Lippenstift vorgestellt, nun ist das Gerät mit neuen Funktionen ausgestattet, die auch für das Auftragen von Wimperntusche geeignet ist.
Auf den Markt kommen soll Hapta Ende 2023 und etwa 149 Dollar kosten. Die endgültige Preisgestaltung wurde jedoch noch nicht bestätigt. Allerdings gibt es, was die Kostenfrage im Zusammenhang mit Inklusivität betrifft, dennoch bereits Backlash von der Konkurrenz. Ein Artikel von Human Beauty äußert sich negativ zum Beauty-Tech-Tool Hapta, das Inklusivität betonen will. „Auf den ersten Blick scheint es ein Schritt in Richtung Barrierefreiheit in der Schönheitsindustrie zu sein. Der Verkaufspreis ist jedoch eine Enttäuschung. Obwohl L’Oréal für die Einführung von Hapta gelobt wurde, muss ich mich fragen, ob der hohe Preis wirklich mit ihrem angeblichen Engagement für Barrierefreiheit übereinstimmt“, heißt es von Human Beauty.
Die fixen Marktpreise der anderen Beauty-Tech-Kreationen, die auf der VivaTech 2023 präsentiert wurden, sind noch nicht bekannt. Alle davon sollen zwischen 2023 und 2024 auf den Markt kommen. So kann man die Meinung der breiten Masse also nur abwarten.
Disclaimer: Die Kosten für die Reise nach Paris wurde von L’Oréal übernommen.