Strenges EU-Waldschutzgesetz soll auch Leder, Schokolade und Möbel betreffen
453 Stimmen bei 57 Gegenstimmen und 123 Enthaltungen: Das EU-Parlament hat sich heute ziemlich klar für eine neue Verordnung über Entwaldungsfreie Lieferketten ausgesprochen. Da der Konsum von EU-Bürger:innen weltweit für 10 Prozent der weltweiten Entwaldung verantwortlich ist, sieht man nun endlich Handlungsbedarf. Das neue Gesetz – sollte es nach einer letzten Abstimmung mit den EU-Mitgliedstaaten auch so kommen – sieht strenge neue Sorgfaltspflichten für Unternehmen vor.
In der EU tätige Firmen sollen künftig dafür sorgen, dass in der EU verkaufte Waren nicht auf abgeholzten oder degradierten Flächen hergestellt. Das betrifft bei weitem nicht nur Holz, sondern darüber hinaus viele andere Rohstoffe. Der Vorschlag der EU-Kommission, dass die Sorgfaltspflicht auch für Rinder, Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja sowie Folgeprodukte wie etwa Leder, Schokolade und Möbel gilt, ging den EU-Parlamentarier:innen nicht weit genug. Sie stimmten dafür, dass nun auch Schweinefleisch, Schafe und Ziegen, Geflügel, Mais und Kautschuk sowie Holzkohle und bedruckte Papierprodukte einbezogen werden.
Außerdem soll die Verordnung auch rückwirkend gelten. „Nach in Kraft treten der Verordnung dürften keine der betroffenen Produktgruppen mehr auf den EU-Markt gelangen, wenn sie auf Flächen hergestellt wurden, die nach Ende 2019 der Entwaldung oder Waldschädigung zum Opfer gefallen sind“, heißt es aus Strassburg. „Wir nehmen den Kampf gegen den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt ernst. Da die EU für etwa 10 % der weltweiten Entwaldung verantwortlich ist, haben wir keine andere Wahl, als unsere Anstrengungen zu verstärken, um die weltweite Entwaldung zu stoppen. Wenn wir das richtige Gleichgewicht zwischen Ehrgeiz, Anwendbarkeit und WTO-Kompatibilität finden, hat dieses neue Instrument das Potenzial, den Weg zu entwaldungsfreien Lieferketten zu ebnen“, so Berichterstatter Christophe Hansen von der Europäischen Volkspartei, in einem Statement.
Geodaten und Audits zur Kontrolle
Wie soll aber nun genau kontrolliert werden, wo Rohstoffe und Waren genau herkommen? Laut EU-Parlament könnten Firmen etwa auf Satellitenüberwachungsinstrumente, Vor-Ort-Audits, den Aufbau von Kapazitäten bei den Lieferanten oder Isotopentests setzen. EU-Behörden werden Zugriff auf diese Daten bekommen, um die Herkunft zu prüfen, und auch die Öffentlichkeit soll Informationen in Form anonymisierter Daten bekommen.
Die Umweltschützer:innen des WWF begrüßen das Abstimmungsergebnis. Anders als von den EU-Mitgliedstaaten geplant würde nun auch der europäische Finanzsektor in die Pflicht genommen werden. Man macht aber auf mehrere Schlupflöcher in der Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten aufmerksam: Neben tropischen Regenwäldern müssten laut WWF „unbedingt auch weitere artenreiche Ökosysteme wie Feuchtgebiete und Grasländer vor der Zerstörung durch die Gewinnung von Agrarrohstoffen“ geschützt werden. Im Vorfeld war beanstandet worden, dass von den Regeln Supermärkte ausgenommen sind, die aber zur Verbreitung der Rohstoffe und Waren wesentlich beitragen (Trending Topics berichtete).
Den Grünen in Österreich zufolge verantwortet die EU durch ihre Importe 16 Prozent der weltweiten Regenwaldabholzung. Allein der Import an Rohstoffen von Kakao (80% der weltweiten Einfuhren), Kaffee (60%), Rindfleisch (41%), Mais (30%), Palmöl (25% ), Gummi (25%) und Soja (15%) würde einen großen Teil der weltweiten Entwaldung, etwa im Amazonas, verursachen.