Not Your Keys, Not Your Coins: Wallet Wars in einer Post-FTX-Welt
FTX, Celsius Network, BlockFi, Genesis, Voyager, Vauld oder Nexo – nach dem Jahr 2022 müssen sich viele Krypto-Nutzer:innen ernsthaft fragen: Kann man einer dritten Partei die Keys zu seinen Krypto-Assets noch anvertrauen? Oder kümmert man sich stattdessen selbst mit Hilfe von Software und/oder Hardware um die Verwahrung der Schlüssel zum Krypto-Vermögen? Immer mehr Menschen beantworten diese Frage mit: Ja.
Und genau deswegen ist nun ein Wettbewerb um dieser Nutzer:innenschaft ausgebrochen, den manche schlicht und einfach als die „Wallet Wars“ bezeichnen. Immer mehr neue sowie viele altbekannte Player im Krypto-Markt wollen User die beste digitale Geldbörse für die Speicherung der Kryptos anbieten – und malen sich dafür schon ganz unterschiedliche Geschäftsmodelle aus. Denn die Logik gebietet: Wer die User hat, der kann auch das Geschäft bestimmen.
Breite Auswahl an Wallets
Als Krypto-Nutzer:in hat man heute die Qual der Wahl. Es gibt eine breite Auswahl an Software- und Hardware-Wallets – mit unterschiedlichen Funktionen. Für Bitcoin-Maximalist:innen, die „Shitcoins“ links liegen lassen, gibt es genauso Geldbörsen wie für jene, die am liebsten mit NFTs im DeFi-Casino zocken. Hier eine kleine, nicht vollständige Übersicht über derzeit angesagte Wallets:
- Blue Wallet (Bitcoin-Wallet mit Lightning-Support)
- Blockstream Green (Bitcoin-Wallet von Blockstream mit Unterstützung für Liquid)
- Coinbase Wallet (von Coinbase, für BTC, EC-20-Token, NFTs, Zugang zu DeFi)
- ZenGo (für Bitcoin, Ethereum, Tezos, uvm., sowie DeFi und NFTs)
- MetaMask (von ConsenSys, für Ethereum, Polygon, Binance Smart Chain, Avalanche, Fantom, Celo, NFTs, DeFi)
- 1inch Wallet (von 1inch Network, für Ethereum, BNB Chain, Polygon, Optimistic Ethereum, Arbitrum, Gnosis Chain, Avalanche, Fantom, Aurora, Klayton; DEX Aggregator)
- Phantom (Solana-Wallet, die auch für Ethereum und Polygon kommen soll)
- Rainbow (Ethereum-Wallet mit FOkus auf NFTs)
- Ultimate (Solana-Wallet, die sich auch für Ethereum öffnen soll)
- Trust Wallet (von Binance, unterstützt BTC, ETH, NFTs und dutzende weitere Kryptowährungen)
- Ledger (Hardware-Wallet-Anbieter aus Frankreich mit passenden Apps, für BTC, ETH, NFTs, DeFi)
- Bitbox (von Bitcoin-Wallet-Spezialist Shift Crypto aus der Schweiz mit passenden Apps)
- Trezor (Hardware-Wallet-Hersteller namens SatoshiLabs aus Tschechien)
- NGrave (Hardware-Wallet-Hersteller aus Belgien; Binance hat investiert)
Einer der Unternehmer:innen, die derzeit mit Wallet-Angeboten um den Markt rittern, ist Peter Grosskopf. Er war früher CTO der
„2022 haben zentralisierte Krypto-Angebote, also Handelsplattformen wie FTX oder Lending-Anbieter wie Celsius, das Vertrauen der Kund:innen missbraucht. Als Konsequenz besinnen sich die Menschen wieder, wie Krypto eigentlich entstanden und was das Kern-Versprechen ist: selbst die Kontrolle über Assets zu haben und zu entscheiden, was mit ihnen passiert“, sagt Grosskopf zu Trending Topics. Noch ist aber offen, welche Wallets sich letztendlich durchsetzen werden. Gut möglich, dass sich der Bereich wie der Smartphone-Markt entwickelt: Es gibt zahlreiche Anbieter:innen, die sich in Sachen Features regelmäßig übertrumpfen und sich Marktanteile wegschnappen.
Jedenfalls sollen Wallets nicht nur das tun, was eine Geldbörse tut: Geld, also Krypto-Assets gleichzeitig aufbewahren und verfügbar machen, um damit jederzeit unterwegs handeln zu können. Sie sollen zur Drehscheibe im Krypto-Universum werden – ein Portal, über das der User dezentralisierte Services verwenden kann. Via Ultimate-Wallet etwa kann man man auf Ethereum-Staking bei Lido Finance zugreifen, via Ledger Live-Wallet kann man auf Kiln, Binance, Lido oder 1inch zugreifen, und so weiter. Das bedeutet: Man ist nicht mehr auf das Angebot einer einzigen Exchange, bei der man die Cryptos liegen hat, angewiesen, sondern kann sich den Anbieter aussuchen.
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„Wir sehen einen Trend hin zu dezentralem Trading“
„Ich persönlich würde sogar argumentieren, dass der Nutzer auf zentralisierten Exchanges kein Wallet im eigentlichen Sinne hat“, sagt Grosskopf. „Der Handel auf zentralisierten Exchanges basiert vereinfacht gesprochen auf Tausch von Werten in einer Datenbank. Die Architektur von Trading auf dezentralisierten Exchanges (DEX) ist grundlegend anders: der Nutzer ist Eigentümer von Wallet und Custody. Er verbindet das Wallet mit einem DEX Protokoll (wie Uniswap auf Ethereum oder mit einem DEX Aggregator wie Jupiter auf Solana), dieses stellt unterschiedliche Mechanismen zum „Matchen“ von Ordern zur Verfügung, z.B. Automated Market Making (AMM) oder ein Orderbuch (CLOB – Central Limit Order Book). Der Nutzer muss keiner Organisation vertrauen, sondern nur einer Software und sich selbst. Wir sehen einen Trend hin zu dezentralem Trading, weil Nutzer die selben Features bekommen, aber deutlich mehr Kontrolle haben als auf FTX und Co.“
Fragt sich aber dann doch, wie die Wallet-Anbieter ihr Geschäft machen werden. Auch wenn Coinbase und Binance ihre Self-Custody-Wallets für User am Markt haben, das Kerngeschäft ist weiterhin das Krypto-Trading mit Handelsgebühren. Gut möglich, dass untershciedliche Anbiete runterschiedliche Modelle entwickeln. Grosskopf zählt untershciedliche Möglichkeiten auf: „Man verdient direkt an den Trading Fees, Payment for Orderflow, DEX-Agregator oder man schafft in Zukunft Produkte, für die Menschen bereit sind Geld zu bezahlen.“
„Banken sind extrem langsam“
Auch wenn FTX und Co Schockwellen durch die Branche sendeten, bedeutet das nicht, dass nun alle Krypto-Nutzer:innen hin zu Self Custody-Wallets für die Eigenverwahrung streben. Gefragter sind nun auch streng regulierte Anbieter wie Bitpanda aus Österreich oder Bison aus Deutschland, und – es könnten neue Player in den Markt kommen, die die Sache mit der Geldverwahrung seit Jahrhunderten machen: Banken. In Kooperation mit Tech-Anbietern wie Bitpanda, Fireblocks oder NodeVenture könnten sich die Geldhäuser künftig ebenfalls um die Kryptowährungen der Kund:innen kümmern. Schlägt das Pendel dann von Self Custody zurück zu Drittanbieter?
„Die nächsten Jahre werden hybrid sein, mit zentralen und dezentralen Angeboten“, sagt Grosskopf, der nicht mit einem Run der Banken auf das Verwahrungsgeschäft rechnet. „Banken sind extrem langsam in der Adaption von Krypto. Deswegen glaube ich nicht, dass es viele bestehende Banken geben wird, die vorne mitspielen. Ich gehe eher davon aus, dass wir die ein oder andere native Krypto-Bank in der Zukunft sehen werden, die sich erst noch formieren muss. Was zentralisierte Modelle angeht, bin ich insgesamt langfristig aber pessimistisch, weil Menschen in Organisationen vertrauen müssen und die Regulatorik versucht, das Vertrauen zu rechtfertigen. Die ultimative Bank ist in meinen Augen ein Stück auditierte Software. Keine Menschen, nur Maschinen.“
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