„Waren am Anfang sehr skeptisch“: Die 4-Tage-Woche von Tractive im Detail
Der Mittwoch war ein Tag der großen Überraschung für die etwa 170 Mitarbeiter:innen des oberösterreichischen Herstellers von PetTech-Gadgets. Denn nach Monaten der Vorbereitung wurde ihnen die große Neuerung im Unternehmen vorgestellt: Fortan gibt es für sie 4 Tage Arbeit, 3 Tage Wochenende bei gleich bleibendem Gehalt. Der wichtigste Faktor dabei: Die bisher 38,5 Stunden pro Woche werden auf 35 Stunden reduziert, und zwar nicht nur vorübergehend, sondern standardmäßig. Gestartet wird am 1. Juli.
Tractive geht damit einen Weg, den bisher nur kleinere Firmen wie whatchado oder Hektar Nektar eingeschlagen haben und der bei der Wirtschaftskammer bisher auf Widerstand gestoßen ist (mehr dazu hier). International hat die 4-Tage-Woche als Mittel zur Verbesserung der Work-Life-Balance von Mitarbeiter:innen aber sehr viel Bedeutung bekommen, ganze Länder wie Belgien experimentieren mit dem Gedanken, sie flächendeckend einzuführen. Kritisiert wird an ihr oft, dass sie täuscht – weil die bisher 40 Stunden von fünf in vier Tage gezwängt werden.
„Das ist keine Fake-4-Tage Woche, die in Wirklichkeit eine 5-Tage-Woche ist“, sagt Tractive-CEO Michael Hurnaus zu Trending Topics. Deswegen hätte man für all die ArbeitsWoche auf 35 Stunden reduziert, aber niemand muss deswegen Einbußen im Gehalt hinnehmen. „Wir versuchen bewusst, alles, was man vorher in 38,5 Stunden gemacht hat, in die 35 Stunden zu kramen. Wir haben ein breites Spektrum an Initiativen, effizienter werden.“ Das betreffe zum Beispiel die Meeting-Kultur – ein Standard-Meeting könne etwa statt 25 nur mehr 15 Minuten dauern.
„Es gibt viele Pros und Cons“
Die Initiative für die Einführung kam von Seiten der Mitarbeiter:innen. Die Geschäftsführung rund um Hurnaus war anfangs skeptisch, ließ sich dann aber überzeugen. „Wenn man als Arbeitgeber drauf sieht, tun sich doch einige Fragen auf. Wir waren am Anfang sehr skeptisch, es gibt viele Pros und Cons“, sagt er. So hätten Investor:innen angemerkt, wie man es schaffen wolle, ein Growth-Unternehmen zu sein, aber weniger arbeiten zu wollen. Aber: „Uns ist der Ausgleich wichtig. Die Leute laden ihre Batterien viel zu wenig auf. In Summe trägt das zu einem gesünderen Leben und Mitarbeiter:innen und im Idealfall zu weniger Krankenständen und höherer Produktivität bei.“
Damit es wirklich eine 4-Tage-Woche ist, gibt es die Vorgabe, dass man entweder Montag bis Donnerstag oder Dienstag bis Freitag arbeitet – „Inseltage“ soll es keine geben. Mit maximal 10 Arbeitsstunden pro Tag gehe sich das für alle aus, rechtlich sei alles im Vorfeld abgeklärt worden. Zusätzlich gebe es noch 6 „Balancing Days“ pro Jahr, in denen die Mitarbeiter:innen (sie haben alle All-in-Verträge) Überstunden abbauen können. Hurnaus selbst geht aber nicht davon aus, dass er selbst und einige Manager:innen im Unternehmen die 4-Tage-Woche einhalten werden können. Man werde es aber versuchen, um mit gutem Beispiel voranzugehen.
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„Es ist ein Big Bet“
„Wir werden nur schwer messen können, wie sich das auswirkt“, sagt Hurnaus. Man glaube, dass man die Produktivität der bisher 38,5 Stunden auch in den 35 Stunden erreichen könne. „Es soll aber nicht so sein, dass wir dann zehn Prozent mehr Arbeitskräfte brauchen, weil das würde am Ziel vorbeischießen.“ Die Investor:innen und das Board haben den Neuerungen letztlich zugestimmt.
Tractive geht es in erster Linie übrigens nicht darum, attraktiver für potenzielle neue Mitarbeiter:innen zu werden, sondern vor allem um die bestehende Belegschaft. „So Themen wie unbegrenzter Urlaub haben wir uns auch angesehen“ sagt Hurnaus. Aber da hätte sich gezeigt, dass sich die Mitarbeiter:innen sogar weniger Urlaub als die rechtlich zugesicherten fünf Wochen nehmen würden. Deswegen setze man lieber auf die 4-Tage-Woche. „Wenn es uns als Arbeitgeber attraktiver macht, umso besser für uns.“ Jungen Familien würde das etwa entgegen kommen, andere Scale-ups würden das (noch) nicht bieten können.
Wie gut oder schlecht die 4-Tage-Woche funktionieren wird, das bleibt noch abzuwarten. Auch Hurnaus weiß: „Es ist ein Big Bet.“