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Warum das Glücksversprechen aus dem Silicon Valley die Welt nicht retten wird

Was passiert, wenn alle Strukturen disruptiv verändert wurden? Fangen wir dann wieder von vorne an? © flickr_savara_ccby2.0
Was passiert, wenn alle Strukturen disruptiv verändert wurden? Fangen wir dann wieder von vorne an? © flickr_savara_ccby2.0
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Gründer sind süchtig nach Glück. Die Chance frei zu leben, zu denken, zu arbeiten. Selbst über seine Zeit entscheiden, kein nörgelnder Chef und keine festen Arbeitszeiten. Leidenschaft für das, was man jeden Tag tut.

Der Mythos des glücklichen Startup-Lebens baut auf zwei Säulen: Der Selbstausbeutung und dem Wunsch nach Selbstoptimierung. Um fünf aus dem Bett, vor dem ersten Meeting 10 Kilometer rennen, zu Mittag eine selbstgemachte Brokkoli-Quiche mit Chia-Samen und abends früh mit einem Ingwertee ins Bett. 100 Stunden Arbeit pro Woche.  Manche nennen die technologiegestützte Selbstüberschätzung Self-Tech.

Timothy Ferriss, Steven Kotler und Jamie Wheal sind die heutigen Vordenker dieser Strömung, die den asketischen (Steve Jobs, Apple) oder halsbrecherischen (Sergey Brin, Google) Lebensstil der Säulenheiligen im Silicon Valley prototypisch zum Idealbild verklären.

Stoisch zum maximalen Erfolg

Die Denkschule der Stoa fordert den Menschen auf, sich auf ihrer Suche nach Glück und Zufriedenheit vier Tugenden anzueignen: Mut, Mäßigung, Fairness anderen gegenüber und die Weitsicht, komplizierte Sachverhalte möglichst praktikabel lösen zu können. Weltliche Vergnügungen gelten als verpönt.

Sie entstand 300 vor Christus. Also in einer Zeit, in der das Selbstverständnis der Athener Bürger nach 150 Jahren kultureller Blütezeit durch die drohende Abschaffung des Attischen Demokratie bröckelte. Es war die Denkschule eines postdemokratischen Zeitalters, in dem sich tiefgreifende politische und gesellschaftliche Veränderungen ankündigten und in den Alltag der Menschen schlichen.

Ähnlich wie heute auf globaler Ebene veränderte sich im alten Griechenland zur Zeit der Stoiker das politische Gefälle. Die Makedonier nahmen den Vielvölkerstaat Alexander des Großen mithilfe damaliger Werkzeuge (Schwert und Feuer) disruptiv auseinander.

Neue Zeiten, neue Gedanken

Die damit einhergehenden kulturellen Veränderungen schufen Platz für neue Ansichten. Die Suche nach dem kollektiven Glück wich durch die Stoiker und Epikureer dem Streben nach dem individuellen Seelenheil. Klingt vertraut, oder?

Der Postkapitalismus, die geopolitische Unsicherheit, Fake-News und die permanente Zerstreuung durch die sozialen Medien drängten in den vergangenen zehn Jahren ein kollektives, sozialdemokratisches Glücksversprechen zurück. Hervor trat das Individuum als Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit. Selfie-Time.

Die sozialistische Sehnsucht, der bis zur Jahrtausendwende prägenden 68er, nach Abschaffung der globalen Ungleichheiten wich einem entfesselten Turbo-Kapitalismus, der den Menschen, ob seiner inhärenten Rücksichtslosigkeit rat- und hilflos zurückließ. Wir zogen uns dorthin zurück, wo wir Glück noch fanden – in uns selbst.

Rette einen Menschen, dann rettest du die Welt  

Der disruptive Ansatz ist Ausdruck dieser Strömung auf wirtschaftlicher Ebene. Die Rettung der Welt wird durch die eigene Schaffenskraft reflektiert. Das Dogma aus dem Silicon Valley transportiert den Wunsch nach kollektivem Glück durch Marketing: Facebook will alle Menschen miteinander verbinden, Google alle Informationen der Welt bereitstellen.

Rette einen Menschen, dann rettest du die Welt. Doch das Individuum stellt sich heute wieder stoisch über das Kollektiv. Das gilt für juristische Personen genauso wie für jene aus Fleisch und Blut. Der britische Philosoph und Mathematiker Bertrand Russell urteilt in seinem Werk „Philosophie des Abendlands“ hart über die Stoiker: „Vernichtung der gegenwärtigen Welt durch Feuer und anschließend Wiederholung des gesamten Vorganges. Kann man sich etwas Sinn- und Zweckloseres vorstellen?“

Was soll eigentlich passieren, wenn die digitale Disruption der bestehenden Strukturen vollendet ist? Fangen wir dann wieder von vorne an?

Dabei fördert dieses Glücksversprechen die permanente Unzufriedenheit jedes Einzelnen durch meist illusorische Leistungsansprüche. Think big. Selbstausbeutung und totale Fokussierung auf eng zugeschnittene, egozentrische Ziele führen zu dem, was Randi Zuckerberg, CEO von Zuckerberg Media, kürzlich das „menschliche Dilemma“ nannte: Die Unmöglichkeit Schlaf, Familie, Freunde, Arbeit und Sport unter einen Hut zu bringen. „Wähle drei“, war ihr asketischer Ansatz für den maximalen Erfolg. Nur was, wenn ich auch Liebe und Spaß will?

Zusammengefasst führt der stoische Weg nicht nur zu Scheuklappendenken, sondern stützt auch die Ungerechtigkeiten auf unserem Planeten, weil kollektive Ziele durch den puren Selbstzweck ersetzt wurden. Einem Stoiker ist Trump egal.

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