Was nützt ein Boykott von russischem Öl in Österreich?
Die, die alt genug sind, können sich vielleicht erinnern: Bereits Anfang der 70er-Jahre kletterten die Treibstoffpreise in Österreich scheinbar unaufhaltsam, wegen des Jom-Kippur-Kriegs im Nahen Osten wurden die Öl-Ausfuhren der OPEC-Länder ab Oktober 1973 drastisch eingeschränkt. In Österreich reagierte man und führte im Jänner 1974 den autofreien Tag ein. Und es wäre keine österreichische Lösung, wenn sich nicht jede:r Bürger:in selbst den autofreien Tag aussuchen hätte dürften. Mit einem Pickerl auf der Windschutzscheibe gab man an, an welchem Tag man das Auto stehen lassen würde. Wer sich nicht daran hielt, riskierte Strafen von umgerechnet bis zu 2.000 Euro. Zudem wurden erstmals Geschwindigkeitsbegrenzungen auf der Autobahn eingeführt, um den Treibstoffverbrauch zu verringern. Die Geschwindigkeitsbegrenzung blieb, nach fünf Wochen wurde der autofreie Tag aber wieder abgeschafft.
Knapp 10 Prozent des Erdöls in Österreich stammt aus Russland
Was vor knapp 50 Jahren zur Realität wurde, rückt durch den Krieg in der Ukraine auch 2022 immer näher. Doch während Russland der Hauptlieferant Österreichs in puncto Gas ist, trägt Russland zu den österreichischen Erdölimporten laut Fachverband der Mineralölindustrie (FVMI) nur 9,9 Prozent bei. Der Großteil des österreichischen Erdöls stammt aus Kasachstan (36,6 Prozent), gefolgt vom Irak mit 15,0 Prozent. Aus Russland wurden 2020 stattliche 740.000 Tonnen Erdöl importiert, mehr als doppelt so viel wie 2019 (267.000 Tonnen). Aus all den Rohölimporten und der vernachlässigbaren Rohölförderung im Inland, sowie dem Import von bereits raffinierten Öl-Produkten wurden 2020 in Österreich 9,76 Millionen Tonnen von diesen verbraucht. Laut Verkehrsclub Österreich (VCÖ) flossen damit über 80 Prozent der 5,5 Milliarden Euro schweren Rohölimporte in den Verkehr. Nach Angaben des Mineralölreports 2020 sieht die Aufteilung wie folgt aus:
- 64,2 Prozent Dieselkraftstoffe
- 14,1 Prozent Ottokraftstoffe, also Benzin
- 12,2 Prozent Heizöl
- 3,3 Prozent Flugkraftstoff
- 4,6 Prozent Bitumen
- 1,6 Prozent Schmiermittel und sonstiges
Kann nun ein Kraftstoffboykott in Österreich Russlands Wirtschaft schwächen? In Deutschland werden bereits Rufe – etwa von der Deutschen Umwelthilfe – nach einer kurzfristigen Einführung einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf allen Straßen laut. Dadurch soll schnell Erdöl gespart und dadurch die Abhängigkeit von Russland verringert werden. Deutschland bezog 2020 laut Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz knapp 40 Prozent seines importierten Rohöls aus Russland. Ein deutlich höherer Prozentsatz als in Österreich.
Welche Tankstellen bieten „russischen“ Treibstoff an?
Zudem ist die Kraftstoffverteilung auf die einzelnen Tankstellen in Österreich nicht nachvollziehbar. Hier muss man nämlich zwischen COCO (Company owned – Company operated), CODO (Company owned – Dealer operated) und freien Tankstellen unterscheiden. Freie Tankstellen können ihre Bezugsquelle laut FVMI selbst auswählen, sind unter den insgesamt 2.700 Tankstellen in Österreich aber in der Minderheit. Alle anderen sind bei ihrer Treibstoffwahl an den jeweiligen Mineralölkonzernen gebunden. Diese Tankstellen beziehen ihren Treibstoff aufgrund von langfristigen Lieferverträgen.
Internationale Ölkonzerne kündigten bereits ihren Rückzug aus Russland an. BP und Shell, die zusammen mehr als 300 Tankstellen in Österreich betreiben, haben ihr Russlandgeschäft beispielsweise bereits gestoppt (Tech & Nature hat berichtet).
Genau lässt sich allerdings trotzdem nicht sagen, ob sich beim Treibstoff, den jemand gerade an einer Tankstelle abzapft, auch russisches Öl dabei ist oder nicht. Das zeigt zumindest die Nachfrage bei den Unternehmen. Eva Kelm, Pressesprecherin der Tankstellenkette bp, blieb auf Tech & Nature-Anfrage entsprechend wage: „Zu der Zusammensetzung des verwendeten Kraftstoffes von bp können wir leider keine Auskunft geben. bp bezieht Benzin und Diesel zum überwiegenden Teil aus Raffinerien in Österreich und Deutschland. Diese verarbeiten Rohölsorten aus verschiedenen Teilen der Erde.“ Shell konnte auf Nachfrage nur die Auskunft geben, dass ihre Tankstellen in Österreich hauptsächlich mit Treibstoff aus Raffinerien in Deutschland beliefert werden. Die genaue Zusammensetzung des Eröls lasse sich auch hier nicht sagen.
Es gibt jedoch auch Alternativen, um der ukrainischen Bevölkerung Solidarität auszudrücken. Einige Möglichkeiten finden sich in folgendem Artikel:
Hilfe für die Ukraine: Das sind einige Alternativen zu Geldspenden
„When you ride alone you ride with Hitler!“, hieß es auf einem US-Propagandaposter, das 1943 vom Künstler und Grafiker Weimer Pursell für die US-amerikanische Regierung entworfen wurde. Das damalige Propagandaposter hat sich fast 80 Jahre später in ein Meme entwickelt. Für Österreich mag das nur teilweise der Fall sein. Sparsam mit Treibstoff umzugehen und das Auto auch mal stehenzulassen, empfiehlt sich trotzdem – allein schon aus Umweltgründen.