Interview

Grüner Wasserstoff hat das Zeug dazu, einmal Öl zu ersetzen.

© Hydrogen Center Austria
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Bei der Hindenburg ist die Sache schlecht ausgegangen, bei den Apollo-Missionen der NASA sehr erfolgreich: Wasserstoff wird seit vielen Jahrzehnten in vielen verschiedenen Bereichen der Mobilität eingesetzt. Doch jetzt setzt das Gas zu einem Innovationssprung an. Gerade im Schwertransport, also bei Zügen, Bussen oder LKW gilt H2 in Kombination mit Brennstoffzelle und Elektromotor als zukunftsträchtige Antriebsenergie. In Österreich wird 2023 im Zillertal die erste Wasserstoffbahn an den Start gehen (Trending Topics berichtete).

Doch um Wasserstoff auch im Sinne der Klimaverträglichkeit einsetzen zu können, muss er auch grün produziert werden. Im Interview spricht Rudolf Zauner, Head of Hydrogen Center bei Österreichs größtem Stromversorger Verbund, darüber, wie Wasserstoff produziert werden kann und wie er einmal fossile Brennstoffe in Industrie und Verkehr ersetzen könnte.

Trending Topics: Warum ist Wasserstoff heute wieder ein so heißes Thema?

Rudolf Zauner: Wasserstoff wurde in den letzten Jahrzehnten schon ein paar Mal gehypt. Derzeit setzen viele auf Wasserstoff, weil man einen grünen Energieträger sucht, mit dem man Strom speicher- und transportierbar macht. Es gibt nicht viele andere grüne Energieträger, die das erlauben. Man kann etwa aus Überschussstrom aus Photovoltaik, Wind oder Wasserkraft mittels Elektrolyse Wasserstoff machen. So kann man Energie saisonal speichern, Wasserstoff in der Industrie oder im Verkehr und  als Medium zum Zurückverstromen verwenden – also dann umwandeln, wenn man Strom braucht.

Österreich hat das Ziel, bis 2030 bilanziell hundert Prozent erneuerbaren Strom zu haben. Bis dahin wird man einen Energieträger brauchen, mit dem man große Mengen an Energie zwischen Sommer und Winter verschieben kann. Mit den Pumpspeichern alleine wird man das nicht schaffen, und mit Batterien auch nicht. Die sind nicht geeignet, große Energiemengen zu verschieben.

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Welche Alternativen zu Wasserstoff gäbe es?

Man kann versuchen, einen Teil des Energiebedarfs mit Biogas oder Bioenergie zu decken. Wasserstoff wird auch nicht die Lösung aller Probleme sein, aber es wird einen wesentlichen Beitrag leisten.

Strom kann man doch auch in Batterien speichern.

Ja, aber es geht um die Speicherung großer Energiemengen im Terrawattstundenbereich. Es geht weniger um die Leistung, sondern um die Energiemenge. Da ist Wasserstoff alternativlos.

Wasserstoff soll also so gespeichert werden wie heute etwa Öl?

Genau. Wasserstoff ist ja auch transportierbar. Die Logistik von Erdöl und Erdgas könnte man fast 1:1 auf Wasserstoff übertragen. Etwa mit Pipelines oder, mit Hilfe der Verflüssigung von Wasserstoff, über Kontinente hinweg. Auch der IEA-Report „The Future of Hydrogen“, der beim G20-Gipfel in Japan präsentiert wurde, kommt zum Schluss, dass Wasserstoff ein international gehandelter Energieträger werden wird. Man kann dann Strom dort produzieren, wo es am günstigsten ist – etwa dort, wo es viele Sonnen- oder Windstunden gibt -, und dann umgewandelt als Wasserstoff zum Anwender bringen.

Würde das die Macht von den Erdöl reichen Staaten hin zu jenen verschieben, wo Wasserstoff günstig produziert werden kann?

Genau – zu jenen, die mit Sonne oder Wind gesegnet sind. Man würde so geopolitische Abhängigkeiten vermindern und versuchen, möglichst viel Wasserstoff in Europa zu produzieren.

Welche Regionen in Europa sind da interessant?

In Zentraleuropa sind wir mit Wasserkraft gesegnet, im mediterranen Bereich ist natürlich Photovoltaik wichtig. In manchen Ländern ist die Photovoltaik bereits die günstigste Erzeugungstechnologie, und die Preise werden weiter nach unten gehen. Da werden vor allem Länder in Süd- und in Südosteuropa darauf setzen. Im Norden wird die Offshore-Windenergie wichtig, wo man große Flächen zur Verfügung hat. Man könnte den Strom dort bereits am Meer in Wasserstoff verwandeln und auf Schiffe verladen oder per Pipeline an Land bringen.

Wo kommt Wasserstoff heute her?

Er wird heute zum großen Teil durch die so genannte Dampfreformation aus Erdgas hergestellt, aber es gibt auch andere Verfahren aus Kohle oder Öl. Etwa 96 Prozent des Wasserstoffs, der derzeit eingesetzt wird, wird aus fossilen Energieträgern hergestellt. Pro Kilogramm Wasserstoff werden etwa zehn Kilogramm CO2 freigesetzt. Grünen Wasserstoff kann man aber mittels Elektrolyse aus grünem Strom CO2-frei herstellen.

Ist Österreich ein guter Standort für die Produktion von grünem Wasserstoff?

Für erste Pilotprojekte sind wir ein guter Standort, weil wir viel Wasserkraft haben. Verbund betreibt etwa 130 Wasserkraftwerke in Österreich, die rund um die Uhr laufen. Das nutzen wir im Projekt mit der Zillertalbahn aus, um lokal grünen Wasserstoff für die Züge zu erzeugen.

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Wie führend ist Österreich im Bereich Wasserstoff? Auch in Japan wird dazu viel entwickelt.

Auch in den Niederlanden, Dänemark oder Deutschland werden Wasserstoffstrategien, wie in Österreich, vorbereitet. In Asien setzen neben Japan auch China und Korea darauf, auch Kanada hat eine sehr ambitionierte Strategie verankert. Da sieht man schon, dass das Thema angekommen ist. Wichtig wird, in Europa Wertschöpfung mit Wasserstoff zu generieren. Man hat ja gesehen, was mit der Photovoltaik passiert ist, Ähnliches könnte mit den Batterien passieren. Da wäre Wasserstoff eine Chance, die ganze Wertschöpfungskette in Europa aufzubauen.

Könnte sich Österreich selbst mit grünem Wasserstoff versorgen?

Das ist natürlich eine gute Frage. In Österreich werden derzeit etwa 160 Terrawattstunden Primärenergie in Form von Strom, Biomasse, etc. produziert. Aber wir importieren etwa 370 Terrawattstunden in Form von Gas, Kohle und Öl. Es ist sehr unrealistisch, diese 370 Terrawattstunden vollständig durch österreichische Primärenergieträger ersetzen kann.

Man wird also auch in Zukunft Energie importieren müssen, und das Ziel wäre dann, grünen Wasserstoff, etwa über Pipelines, zu holen. 2050 bräuchte man dafür zwei Pipelines mit jeweils 800 Millimeter Durchmesser, um größere Mengen nach Österreich zu bringen und mit grünen Wasserstoff signifikant zur Dekarbonisierung beizutragen.

Wer sind die großen Produzenten von Wasserstoff?

Der größte Einsatzbereich ist die Chemie- und Raffinerieindustrie. Der größte Wasserstoffverbraucher ist die Düngemittelindustrie, weil man für die Ammoniakherstellung große Mengen an Wasserstoff braucht. In der Raffinerie wird er zum Entschwefeln und Hydrieren von Kraftstoffen verwendet. Diese Unternehmen stellen den derzeit praktisch ausschließlich fossilen Wasserstoff für den Eigenbedarf meistens selbst her. Bei der Lieferung von Wasserstoff sind die großen Player die klassischen Gaslieferanten.

Eine große Diskussion gibt es rund ums Wasserstoffauto – wann kommt es, muss es kommen, kommt es überhaupt. Was denken Sie?

Ich denke, dass sich Wasserstoff eher für hohe Transportgewichte und lange Transportstrecken durchsetzen wird – etwa für den LKW-, Bus- oder Bahnverkehr. Also überall dort, wo es große Flotten gibt und wo man mit der Batterie-elektrischen Mobilität nicht das Auslangen findet. Da tut sich ein großer Anwendungsbereich für grünen Wasserstoff auf.

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Grüner Wasserstoff ist aber noch sehr teuer.

Die Herstellung hängt noch stark an den Stromkosten, sie machen einen Großteil der Herstellkosten aus. Zwischen grauem und grünem Wasserstoff liegt sicher noch der Kostenfaktor 2. Die Herstellungstechnologie für grünen Wasserstoff muss noch hochskaliert werden, da ist eine Reduktion der Herstellungskosten noch möglich. Es wird nicht ohne Anreize gehen, um den grünen Wasserstoff in den Markt zu bringen. Dazu kommt noch, dass die Technologie für grauen Wasserstoff in Europa noch auf der Carbon Leakage-Liste steht – die Herstellung ist also faktisch von CO2-Abgaben befreit.

Wasserstoff soll über weite Strecken in flüssiger, also stark gekühlter Form, transportiert werden. Die Kühlung braucht Energie – rechnet sich das am Ende überhaupt?

Für die Kühlung braucht man etwa 20 bis 25 Prozent der Energie, die im Wasserstoff steckt. Für den Transport auf Schiffen könnte man den Wasserstoff, der abdampft, für den Antrieb verwenden. So kann man dann auch die Hochseeschifffahrt CO2-neutral machen. Aber es gibt auch noch andere Formen des Transports, zum Beispiel LOHC (Liquid Organic Hydrogen Carrier), da kann Wasserstoff dann in ganz normalen Tanks transportiert werden.

Kann man Flugzeuge auch mit H2 antreiben?

Es gibt erste Ansätze. Bei Flugzeugen muss die Energiedichtedes Treibstoffs allerdings sehr hoch sein, höher als bei Bussen oder Schiffen. Dort geht es eher in Richtung von e-Fuels, die grün hergestellt werden. Grüner Wasserstoff wird dort ein Bestandteil des Energieträgers sein.

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