Interview

WeAreDevelopers: „Entwickler hassen Headhunter“

Das WeAreDevelopers-Team (© Tamás Künsztler)
Das WeAreDevelopers-Team (© Tamás Künsztler)
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2015 fand die WeAreDevelopers Conference in Wien zum ersten Mal statt. Damals kamen rund 350 Besucher zu dem Event, das für die Entwickler-Szene maßgeschneidert ist. Drei Jahre später muss die Konferenz als „WeAreDevelopers World Congress“ (16. bis 18. Mai) in das riesige Austria Center in Wien umsiedeln. Die Veranstalter erwarten 8.000 Gäste und zu den Speakern zählen Branchen-Schwergewichte wie Apple-Co-Founder Steve Wozniak oder Angie Jones von Twitter und Microsoft-AI-Experte Joseph Sirosh.

Seit Ende 2017 betreibt WeAreDevelopers mit devjobs auch eine Jobplattform, die sich nur auf die Vermittlung von Entwicklerjobs konzentriert.

Benjamin Ruschin hat WeAreDevelopers mitbegründet und Jacqueline Resch ist im Frühjahr zur COO aufgestiegen und kümmert sich um die Expansion von WeAreDevelopers nach Deutschland. Dort haben die Developer-Versteher im Februar in Berlin ein Büro eröffnet.

Trending Topics: Wie bekommt man Steve Wozniak nach Wien?

Benjamin Ruschin: Indem man ein Format schafft, das ihm gefällt. Steve Wozniak geht es nicht ums Geld – er ist Milliardär. Man muss einen Termin finden, an dem er Zeit hat. Und das Format muss ihn interessieren. Er ist Philantrop, er unterstützt Kids, er spielt gerne Tetris, er fährt gerne Segway. Man muss einen guten Mix finden.

Welchen Part übernimmt er auf der WeAreDevelopers?

Ruschin: Er macht einen Fireside-Chat und dann spricht er mit den Leuten. Wenn man als Developer auf der Konferenz ist, hat man eine gute Chance, mit ihm zu sprechen. Er wird präsent und greifbar sein.

Ihr habt eine Niederlassung in Berlin eröffnet. Wird die Konferenz nach Deutschland expandieren oder abwandern?

Ruschin: Für uns ist Deutschland als Markt sehr wichtig. Von der Zahl der Unternehmen und Developer her, die sich dort befinden, ist Deutschland einfach größer als Österreich. Es gibt noch keine fixe Entscheidung, was den Konferenz-Standort betrifft. Wir schauen uns verschiedene Locations an. Es wird auf der Konferenz ein Announcement geben.

Wird es in Deutschland und Österreich Veranstaltungen geben?

Ruschin: Wir planen mehrere Veranstaltungen zu machen, auch international und breiter aufgestellt. Es wird auch kleinere Formate geben.

Welche anderen Länder habt ihr im Auge?

Ruschin: Wir haben zum Beispiel ein Büro in Sarajevo. Wir werden zunächst dort und in anderen Städten Meetups veranstalten.

Ihr habt euch auf die Fahnen geschrieben, mit der Konferenz dem Developer-Mangel entgegenzuwirken. Wie macht ihr das?

Ruschin: Wir bringen etwa 8.000 Entwickler aus Zentral- und Osteuropa nach Wien.

Die bleiben aber nicht hier.

Ruschin: Ein Großteil davon ist dazu sicher bereit. In Sarajevo mit einem BIP pro Kopf von 6.000 Euro im Jahr ist ein Jobangebot für 50.000 bis 60.000 Euro im Jahr durchaus ein Grund zu bleiben. Wir sprechen viele Länder an, in denen die Lebensqualität niedriger ist als bei uns und die Gehälter viel niedriger sind. Die Frage ist, ob Unternehmen diese Chance nutzen.

Wie unterstützt ihr Unternehmen dabei?

Jacqueline Resch: Wir wissen, was an den Ständen auf der Konferenz funktioniert. Man sollte dort keine HR-Leute hinstellen, sondern Entwickler. Man muss die Besucher challengen. Giveaways sollten keine Flyer sein – man muss sich schon etwas Besonderes einfallen lassen. Gut funktionieren auch Workshops, in denen der CTO anwesend ist. Oder Hackathons, bei denen man etwas gewinnen kann.

Warum gibt es in Österreich überhaupt zu wenige Entwickler?

Ruschin: Österreich ist für große Tech-Unternehmen ein zu kleiner Markt. Auf der Liste der Einnahmequellen schaffen wir es bei den Konzernen nicht in die Top-20. Deshalb bekommen die Niederlassungen wenig Budget und in der Regel gibt es überhaupt nur Sales-Büros. IBM ist in Österreich eine Ausnahme mit einem Entwicklerzentrum, das direkt an das globale Geschäft angeschlossen ist. Dort sitzen hundert Entwickler. In Österreich gibt es unterm Strich die Startups, ein paar IT-Dienstleister und ein paar KMU, die Entwickler anheuern. Und die Unternehmen zahlen zu niedrige Gehälter. Der EU-Schnitt für einen mobile Developer ist 55.000 Euro Jahresgehalt, der US-Schnitt ist 110.000 Dollar. Das Linzer Software-Unternehmen Dynatrace hat uns erzählt, dass sie in Palo Alto Entwickler sitzen haben, die 200.000 Dollar und mehr verdienen.

Durch die Automatisierung sollen in den nächsten Jahren viele Jobs wegfallen, auch bei klassischen Bürojobs. Können KIs den Job von Developern übernehmen?

Resch: Es geht bei dem Job auch viel um Kommunikation und Kreativität. Das ist kein Job, der immer nach einem Kochrezept abläuft. Es treten Probleme auf und die Suche nach einer Lösung ist meist ein Zusammenspiel aus vielen Faktoren und braucht viele Versuche. Gerade in der Kommunikation ist Künstliche Intelligenz noch nicht so ausgereift.

Ihr habt vergangenes Jahr eine eigene Job-Plattform gegründet. Warum haben Unternehmen so große Schwierigkeiten, Developer-Jobs zu besetzen?

Ruschin: Es gibt mehr Jobs als Entwickler. Die Recruiting-Branche hat sich bei Entwicklern einen schlechten Ruf eingehandelt. HR-Abteilungen sind nicht mit Spezialisten ausgerüstet, sollen aber Developer recruiten. Das Recruiting geht in den meisten Fällen nicht vom CTO aus – das ist ein großer Fehler. Das zweite Problem ist, dass Unternehmen kaum Kanäle haben, um an qualifizierte Entwickler heranzukommen. Sie arbeiten mit Branchenmedien, Jobportalen. Karriere.at und Stepstone funktionieren nachweislich nicht. Alle diese Plattformen versuchen zu viele verschiedene Zielgruppen zugleich zu erreichen. Developer sind aber so eine spezielle Zielgruppe, dass man sie mit einer eigenen Strategie erreichen muss. Dafür fehlen diesen Firmen aber die Ressourcen.

Resch: Software-Developer sind so begehrt, dass man sich im Endeffekt bei ihnen bewerben muss. Sie haben keinen Bedarf an einem Jobportal – vor allem, dann wenn es ein generelles Jobportal ist. Für Developer braucht man eine zielgerichtete Ansprache.

Ruschin: Ich habe noch nie von einem Developer gehört, der auf Karriere.at nach einem Job sucht.

Funktioniert es mit Headhuntern?

Ruschin: Entwickler hassen Headhunter. Die großen Headhunter haben das Problem, dass der Markt ausgetrocknet ist. Sie haben außerdem fast alle großen Firmen unter Vertrag, was ein Abwerben von Mitarbeitern verhindert. Das ist bei Unternehmen natürlich Strategie: Sie schließen mit möglichst vielen Headhuntern solche Verträge ab, dann ist die Gefahr des Abwerbens relativ gering. Headhunter haben außerdem schlechte Kontakte ins Ausland und noch dazu so einen Druck, dass sie sehr penetrant sind. Recruiter haben außerdem nicht das Know-how, die Sprache von Entwicklern sprechen zu können. Sie erzählen zwar alle, dass sie Entwickler haben, die das Recruiting machen – das ist aber Schwachsinn. Ich habe noch nie einen Entwickler getroffen, der das machen will.

Weil der Markt so ausgetrocknet ist, bilden viele Unternehmen Entwickler inhouse aus. Sagen wir, eine Firma sucht nach einem Developer mit speziellen Fähigkeiten. Die Firma weiß, dass es schwierig ist, so jemanden auf dem Markt zu finden. Deshalb sucht sie einen Developer, den sie dann inhouse in die gewünschte Richtung ausbilden kann. Der Headhunter bietet einem iOS-Developer darauf hin eine Java-Stelle an. Das Unternehmen würde die Umschulung übernehmen. Das führt bei Entwicklern zu Unmut, weil sie sich nicht verstanden fühlen. Das wäre so, als würde bei mir eine Firma anfragen, ob ich nicht als Astronaut arbeiten will – sie würden mich ausbilden.

Das wäre doch nicht schlecht?

Ruschin: Ja, das ist ein schlechtes Beispiel.

In den meisten Berufssparten würden sich Mitarbeiter über Zusatzausbildungen freuen.

Ruschin: Developer lieben was sie tun und wollen sich die Richtung selbst aussuchen. Es kommt nicht gut an, wenn man ihnen Angebote macht, die aus ihrer Sicht irrelevant sind.

Haben Developer Star-Allüren?

Ruschin: Nein, das passiert einfach, wenn die Nachfrage höher ist als das Angebot. Dann steigt der Preis und es steigen die Ansprüche.

Resch: Developern ist eine Work-Life-Balance sehr wichtig. Sie wollen Zeitfenster haben, in denen Sie mit Hardware und Software frei spielen können. Sie wollen vielleicht zu einer Konferenz fahren und legen auf Incentives wert. Diese Punkte wären für jede Berufsgruppe spannend. Developer sind aber in einer guten Position, diesen Wünschen Nachdruck zu verleihen.

Was macht eure Jobplattform anders als andere Jobplattformen und Headhunter?

Ruschin: Wir sind in der Community.

Was heißt das?

Ruschin: Wir sind präsent, die Leute nehmen uns wahr. Sie nehmen uns nicht als Fremdkörper wahr wie Headhunter.

Resch: Die Konferenz ist zum Beispiel ein gutes Vehikel, das unsere Marke stützt.

Ruschin: Das Feedback, zum Beispiel auf Twitter, ist großartig. Die Leute schreiben: “ Oh my god, it’s fucking awesome“, „Can’t wait to be there“.  Wir trommeln die geilsten Speaker zusammen.

Wieviele Developer habt ihr selbst im Team?

Resch: Der Großteil unserer Developer sitzt in Sarajevo. In Wien selbst sind es fünf, aber das Team wächst.

Ruschin: Unser Marketing-Leiter ist der nerdigste Marketing-Mensch, den man finden kann. Er trägt jeden Tag ein anderes Developer-Shirt, er versteht Entwickler, er spricht die Sprache. Unser Product-Verantwortlicher ist selbst Developer. Das findet man nicht so leicht. In der Geschäftsführung sind drei von vier Leuten Developer.

Vor welchen Herausforderungen steht man bei der Organisation einer Veranstaltung in dieser Größe in Österreich?

Ruschin: Der Zeitpunkt muss passen. Mitte Mai ist das Wetter schön, die Speaker können ein langes Wochenende machen und ihre Familien mitbringen. Bei ein paar amerikanischen Speakern haben wir noch ein Problem mit den Visa. Es gibt viele Unternehmen, die über den Standort Wien überrascht sind. Die nehmen Wien nicht als Standort für Entwickler und Innovation wahr. Wir werden oft gefragt, warum wir das nicht in Berlin oder San Francisco machen.

Und was ist die Antwort?

Resch: Wir kommen aus Wien. Es ist unser Heimmarkt, den wir gut kennen.

Wie finanziert ihr die Konferenz?

Ruschin: Durch Tickets und Firmen-Sponsorships in einem Verhältnis von 50:50. In Österreich sind solche Sponsorships stark vom Netzwerk und auch von  parteipolitischen Interessen getrieben. Das ist anstrengend und in Wien besonders ausgeprägt.

Habt ihr Förderungen bekommen?

Ruschin: Wir haben Sponsoren aus dem öffentlichen Sektor. Wir arbeiten mit der FFG und dem aws zusammen. Für unsere Job-Plattform haben wir vor einem Jahr eine Förderung bekommen.

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