Weiterhin große Kritik von NGOs an Österreichs Landwirtschaftsplan
Der europäische Green Deal – mit dieser klingenden Initiative will der Kontinent der erste klimaneutrale Kontinent werden und den Übergang zu einer „modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft“ schaffen. Drei Hauptziele hat die Europäische Union schriftlich festgelegt, welche durch die Maßnahmen des Green Deals erreicht werden sollen. Diese sind: Kein Ausstoß von Netto-Treibhausgasen mehr bis 2050, Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abkoppeln und „niemanden, weder Mensch noch Region, im Stich lassen“.
Ende März 2021 hat die Europäische Union daher den Aktionsplan zur Förderung der Biodiversität vorgestellt, wir berichteten. Insgesamt drei Schwerpunktbereiche nennt der Aktionsplan. So wurden in den Bereichen Förderung des Verbrauchs, Ausbau der Produktion und weitere Stärkung der Nachhaltigkeit insgesamt 23 Maßnahmen für eine Steigerung der Bioproduktion genannt. Mit diesem soll das Ziel der EU, den Bioflächenanteil innerhalb des Staatenverbundes bis 2030 auf 25 Prozent zu erhöhen, erfüllt werden.
Kritik an nationalem GAP-Strategieplan
Die EU-Mitgliedsstaaten sind daher angehalten die Maßnahmen des Planes in ihre aktualisieren nationalen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)-Strategiepläne mit einfließen zu lassen. Diese sollen ab 2023 in Kraft treten. Das Landwirtschaftsministerium hatte daher Mitte April 2021 erste Fachentwürfe für die österreichische Variante veröffentlicht, welche viel Kritik seitens Umweltschutzorganisationen und Fachverbänden hervorrufen. Während einer von der Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000, der Österreichischen Berg- und KleinbäuerInnen-Vereinigung (ÖBV) und BirdLife Österreich organisierten öffentlichen Anhörung im Mai 2021, erklärten sich die Regierungspartner:innen daher zumindest dazu bereit, die GAP-Pläne weiter zu bearbeiten, wir berichteten.
NGOs sehen wenig Verbesserung
Das ist nun erfolgt. Allerdings mit geringem Erfolg. So zumindest die Einschätzung der genannten Umweltorganisationen. Diese haben eine weitere Analyse der aktualisierten GAP-Strategie vorgenommen. Dabei haben die Studienautor:innen acht Ziele des European Green Deals auf ihre Erreichbarkeit mit dem aktuellen Entwurf des GAP-Strategieplanes untersucht. Die acht Ziele sind: 50 Prozent-Reduktion von Nährstoffverlusten, 50 Prozent-Reduktion von Pestizideinsatz, 10 Prozent Naturflächen, Umkehr des Rückgangs von Bestäubern, Beitrag zur Klimaneutralität, 25 Prozent Biolandwirtschaft, Verbesserung bäuerlicher Einkommen und faire Arbeitsbedingungen für Erntearbeiter:innen.
Bliebe es bei dem bestehenden Plan, würden sechs von acht dieser Ziele verfehlt werden oder eine Zielerreichung sei sehr unwahrscheinlich. So lautet das Resümee der Analyse, welches sich somit nicht von dem ersten im Frühjahr unterscheidet. Das bemängelt auch die Landwirtschaftssprecherin von Global 2000, Brigitte Reisenberger auf einer aktuellen Pressekonferenz: „Die Maßnahmen unterscheiden sich nicht maßgeblich von dem Entwurf, welcher im April veröffentlicht wurde“, so ihre Kritik.
Die zwei Ziele, die erreicht werden könnten, seien im Moment 25 Prozent Biolandwirtschaft und das Erreichen von 10 Prozent Naturflächen, so die Ergebnisse der Auswertung. Zumindest in Österreich lag der Anteil der Biolandwirtschaft 2020 laut einer Erhebung des österreichischen Landwirtschaftsministeriums bereits über den 25 Prozent. Inwiefern das Land darüber hinaus zu dem Ziel, 25 Prozent Bioflächenanteil innerhalb des Staatenverbundes beitragen wird, sei allerdings offen, so die NGOs.
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Mehr Unterstützung für regionale, kleine Betriebe gefordert
“Nötig sind grundlegende Korrekturen bei klimaschädlichen Investitionsförderungen, höhere Förderungen der Bio-Landwirtschaft und gerechte Verteilung der Direktzahlungen zum Erhalt kleiner Höfe”, so die Forderung der bäuerlichen Organisationen und Umwelt-NGO zu der aktuellen GAP-Strategie. Diese bemängeln das Fehlen von Klima- oder Umweltnutzen als Fördervoraussetzung für Investitionsförderungen. „Es fehlen klare Förderanreize für eine Reduktion des Tierbesatzes und für die flächengebundene Tierhaltung, die z.B. durch Prämien für Mutterkuhhaltung oder hofeigenen Anbau von Eiweißfuttermitteln gegeben wären“, so Reisenberger von GLOBAL 2000.
Laut dem Obmann vom Bioverband Erde&Saat, Matthias Böhm ist die aktualisierte Form der GAP-Strategie „ein Schritt in die richtige Richtung, aber trotzdem zu wenig.“ Dieser bemängelt insbesondere die Pläne für die Bio-Basismaßnahme: “Inmitten der Klima- und Biodiversitätskrise sind Kürzungen der Bio-Basismaßnahme ein fatales Signal, da die Biolandwirtschaft hohe Grundleistungen zur ökologischen Nachhaltigkeit erbringt.“
Auch die Geschäftsführerin des Naturschutzbundes Österreich, Birgit Mair-Markart, äußert sich in einer separaten Aussendung dazu ähnlich: „„Ziel sollte nicht die aktuell im Raum stehende Kürzung, sondern eine attraktivere Biomaßnahme sein, um eine Erhöhung des Biolandbaus von derzeit mehr als 26 % auf 40 % zu erreichen. Das ist zentral, um den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden zu reduzieren. Gleichzeitig können wir so der wachsenden Nachfrage nach Bioprodukten gerecht bleiben und unseren starken Anteil am europäischen Markt behalten.“
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Noch sechs Wochen bis zur Abgabe
Nachdem heute die Stellungsnahmefrist zu dem aktuellen nationalen GAP-Strategieplan Österreichs endet, äußerten sich auch weitere Vertreter:innen aus dem Umweltschutz zu diesem. So zeigte sich der Geschäftsführer des Umweltdachverbandes, Gerald Pfiffinger ebenfalls nur wenig zufrieden: „Die österreichische Bundesregierung ist punkto Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) gefordert, noch viel mehr für den Schutz der biologischen Vielfalt zu tun. Der vorliegende GAP-Strategieplan weist einige Verbesserungen auf, reicht aber bei Weitem noch nicht, um der Biodiversitätskrise Einhalt zu gebieten.“
Inwiefern die aktuell geäußerten Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge der bäuerlichen Organisationen und Umwelt-NGOs Gehör beim österreichischen Landwirtschaftsministerium, welches für die Ausarbeitung des GAP-Strategieplanes finden wird, wird sich nun in den nächsten sechs Wochen zeigen. Ende des Jahres muss der nationale GAP-Strategieplan bei der EU-Kommission eingereicht werden. Allein entscheiden kann das Landwirtschaftsministerium die Strategie zumindest nicht. Die rechtliche Grundlage für den GAP-Strategieplan muss nämlich durch den Nationalrat beschlossen werden. Inwiefern der aktuelle Entwurf somit die notwendige Mehrheit gewinnen kann, wird sich zeigen.
Sobald der finale GAP-Strategieplan Ende diesen Jahres an die EU-Kommission weitergeleitet wird, prüft diese die nationale Ausarbeitung. Sollte die EU-Kommission dieser grünes Licht geben, titt der GAP-Strategieplan 2023 in Kraft.