Wenig überraschend: Investitionen in Atomenergie und Erdgas „grün“ laut EU-Kommission
Eine Überraschung ist es wahrlich nicht mehr, nun aber ist es offiziell: Die EU-Kommission stuft Investitionen in Gas-und Atomkraftwerke als klimafreundlich ein. Dafür müssen festgelegte Auflagen erfüllt werden. Nachdem bereits am 31.12.2021 ein Entwurf zu der Einstufung der EU-Kommission veröffentlicht wurde, präsentiert diese nun aktuell den finalen ergänzenden delegierten Taxonomie-Rechtsakt.
Mit der EU-Taxonomie-Verordnung wird es erstmalig eine innerhalb des Staatenverbundes gültige Definition von ökologisch nachhaltigen Aktivitäten und Investitionen geben. Mithilfe dieses Klassifizierungssystems sollen Zukunftstechnologien, welche zur Erreichung des European Green Deals und der Klimaziele notwendig sind, den notwendigen finanziellen Rückenwind erhalten. Indem Geldströme durch dieses Einstufungsschema hin zu umwelt- und klimaschützenden Technologien umgelenkt werden, sollte das ein großer Schritt zu einem nachhaltigeren Finanzsystem werden.
Taxonomie-Verordnung: Einstufung von Atomkraft und Erdgas als “grün” sorgt für viel Kritik
„Brauchen stabile Energiequelle“
Gegen die Einstufung von Investitionen in Atomkraft und Erdgas, zumindest befristet, als grün, gab es im Vorfeld bereits viele Diskussionen. Laut Ansicht der Befürworter:innen brauche es diese beiden Energiequellen aber, um die Energie-Versorgung sicherzustellen, trotz des Ausstieges aus der Kohlenergie.
Bereits Ende Oktober äußerte sich die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen positiv für eine solche Einstufung, wir berichteten. Wörtlich sagte sie: „Daneben (Anmerk. d. Red.: Erneuerbaren Energiequellen) brauchen wir eine stabile Energiequelle, die Kernenergie, und in der Übergangsphase natürlich auch Erdgas. Aus diesem Grund werden wir – wie wir bereits im April als Kommission erklärt haben – unseren Vorschlag für eine Taxonomie vorlegen.“
Auch in einer aktuellen Mitteilung verweist die für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und die Kapitalmarktunion zuständige Kommissarin Mairead McGuinness auf die Notwendigkeit der Energiequellen: „Die EU hat sich verpflichtet, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, und dazu müssen wir alle verfügbaren Mittel nutzen. Die Verstärkung privater Investitionen in den Übergang ist eine Voraussetzung für die Verwirklichung unserer Klimaziele. Heute haben wir strenge Bedingungen präsentiert, die zur Mobilisierung von Kapital für den Ausstieg aus schädlicheren Energieträgern wie Kohle beitragen.“
Nachgefragt: Sechs grüne Banken zu Investitionen in Atomkraft und Erdgas
Kritik aus Österreich
Auch wenig überraschend, ist die Kritik an dieser nun finalen Einschätzung aus Österreich immens. Bereits im Vorfeld hatte die Österreichische Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) angekündigt, im Falle eines „grünen Labels für Atomkraft und Erdgas“ klagen zu wollen.
ÖVP-Europaabgeordneter und Vizepräsident des Europaparlaments, Othmar Karas gab auf Twitter bekannt, dass „alle zuständigen österreichischen Europaabgeordneten Einspruch gegen die Pläne der EU-Kommission ein(legen)“ werden. „Die Ablehnung der Atomkraft ist keine parteipolitische Frage, sondern war stets ein gemeinsames österreichisches Anliegen“, so Karas. Auch seitens Umweltschutzorganisationen wurde die Entscheidung direkt vehement kritisiert. Während der WWF von einem „Armutszeugnis für die EU-Kommission“ spricht, verurteilt Global 2000 die Einstufung als „EU-Zuckerl an die Lobbies“.
Mehrheit für Veto unwahrscheinlich
Um das Inkrafttreten dieser Regeln noch zu stoppen, bräuchte es ein Veto von der Mehrheit der EU-Länder, das wären mindestens 20 der 27 EU-Staaten, oder eine absolute Mehrheit dafür im EU-Parlament. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist allerdings sehr gering. Sollte es nicht dazukommen, tritt der ergänzende delegierte Rechtsakt in Kraft und gilt ab dem 1. Januar 2023.