Wenn Russland kein Gas mehr liefert, drohen etwa 70.000 Arbeitslose
Was würde passieren, wenn die Gaslieferungen aus Russland komplett wegfallen? Keine Frage, Österreich hätte dann ein massives Problem. Weil es aber noch nicht so weit ist und weiter Gas geliefert wird, wurde diese Woche noch keine Alarmstufe, also die zweite von drei Stufen des Gasnotfallplans, ausgerufen. Im Hintergrund rechnen die Wirtschaftsexpert:innen aber bereits kräftig, was passieren würde, wenn Russland den Gashahn zudreht.
Der nächste Event steht bereits an. Am 11. Juli steht eine geplante, zehntägige Wartung der Pipeline Nord Stream 1 an – danach ist unsicher, ob Russland dann wieder die Gaslieferungen aufnimmt. Privathaushalte werden aktuell dazu aufgerufen, ihre Gasthermen zu erneuern und Fenster abzudichten, damit im kommenden Winter Gasheizungen möglichst effizient genutzt werden können. Die Industrie soll wo geht von Gas auf Öl umsteigen, Österreich versucht derweil Gas aus anderen Ländern zu beziehen.
Der Thinktank Agenda Austria hat derweil ausgerechnet, was im Falle eines Gasstopps aus Russland passieren würde und drei Szenarien berechnet – je nachdem, wie gut oder schlecht es gelingt, das fehlende Gas aus anderen Quellen zu ersetzen. „Da die derzeitigen Gas-Speicherstände in Österreich unter Einsatz des Notfallplans fast ausreichen sollten, um das laufende Jahr halbwegs zu überstehen, richten wir den Blick schon auf das Jahr 2023“, heißt es in einer Aussendung.
Optimistisches Szenario für 2023:
- 2/3 des russischen Gases können ersetzt werden
- Wirtschaftsleistung fällt 2,6 Prozentpunkte
- 2023: BIP-Wachstum von 1 bis 2 Prozent
- 45.000 Arbeitsplätze fallen weg
Mittleres Szenario für 2023:
- 1/2 des russischen Gases können ersetzt werden
- Wirtschaftsleistung fällt 4 Prozentpunkte
- 2023: kein BIP-Wachstum
- 72.000 Arbeitsplätze fallen weg
Pessimistisches Szenario für 2023:
- russisches Gas kann fast nicht ersetzt werden
- Wirtschaftsleistung fällt 5,1 Prozentpunkte
- 2023: Rezession
- 91.000 Arbeitsplätze fallen weg
Am wahrscheinlichsten hält man bei Agenda Austria das mittlere Szenario. „Das pessimistische Szenario muss unbedingt vermieden werden, da hier selbst für die Energieversorgung zu wenig Gas vorhanden wäre. Sollte es so kommen, hätten wohl auch andere Länder massive Versorgungsprobleme (vor allem Deutschland), was wiederum wirtschaftliche Auswirkungen auf Österreich hätte. Die Abwärtsrisiken in diesem Szenario sind also unkalkulierbar.“ Optimistisch wolle man auch nich sein, weil es in Österreich nicht danach aussehe, dass zwei Drittel des russischen Gases kurzfristig ersetzt werden könnte.
Geht man vom mittleren Szenario aus, drohen also etwa 70.000 Arbeitslose. Ist das viel? Ende Juni waren in Österreich 298.402 Menschen arbeitslos gemeldet oder in Schulung, die Arbeitslosenquote liegt bei etwa 5,5 Prozent. Während der Corona-Krise ist die Zahl der Arbeitslosen schon mal Richtung 600.000 gestiegen.