Wer Österreichs nächstes Unicorn sucht, muss sich Waterdrop reinziehen
„Zuckerwasser in Plastikflaschen abfüllen, durch die Gegend fahren und dann wegschmeißen, das ist einfach nicht zeitgemäß.“ Martin Murray hat nicht viele Worte des Lobes für die Getränkeriesen da draußen übrig, die den milliardenschweren Markt für Drinks aller Art dominieren. „Die verkaufen ja kein Wasser, sondern Plastikflaschen. Das ist absurd“, sagt Murray. Mit seinem Wiener Scale-up Waterdrop, das er 2016 startete, soll dieses Jahrzehnte lang gediehene Geschäftsmodell aufgebrochen werden.
Und so gesehen sind die kleinen Brausewürfel mit verschiedenen Geschmackssorten dann doch spektakulär. Innerhalb weniger Jahre haben es Murray und sein mittlerweile mehr als 200 Mitarbeiter, Waterdrop als Marke für MicroDrinks zu positionieren, bei der schon 1,5 Millionen Kunden online bestellt haben. In 19 eigenen Stores von Paris bis Miami sowie bekannten Supermarktketten stehen die Brausewürfel in den Regalen. Und das bringt mittlerweile ordentlich Umsätze.
„Wir werden dieses Jahr zwischen 80 und 90 Millionen Euro machen. Wir verdoppeln uns jedes Jahr. Der Großteils des Geschäfts ist online, aber wir haben auch Partnerschaften mit REWE, Edeka, Rossmann oder Müller“, sagt Murray, gebürtiger Schotte, im Gespräch mit Trending Topics. In Wien wird Waterdrop bald noch präsenter werden: Die legendäre Gösserhalle soll künftig nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch Fitnessstudio, Restaurant und eigene Content-Hub beherbergen. „Das ist ein Megaprojekt.“
Groß denken ist angebracht bei Waterdrop. Schließlich geht es Murray nicht bloß um Geschmack, der sich einfach in Wasser auflösen lässt, sondern um die Disruption des globalen Wasser-Business. „Mehr Wasser trinken, weniger Plastikflaschen kaufen“, lautet die Zielvorgabe, und die Kundschaft soll dazu die Werkzeuge in die Hand bekommen. Also nicht nur Brausetabletten, sondern auch Wasserflaschen, und vielleicht 2021 noch ein neuartiges Gadget, mit dem man seinen eigenen Wasserkonsum tracken kann.
„Diese Umsätze sind nichts, nicht einmal ein Mosquito auf einem Elefanten. Der Markt ist 600 Milliarden Dollar groß. Da kann man zehn Jahre weiter wachsen, bevor es für einen Großen signifikant wird“, sagt Murray. „Es könnte noch zehn Waterdrops geben, und es würde keine Saturierung geben. Die Getränkelandschaft wird in 20 Jahren anders aussehen. Vor 25 Jahren hat auch keiner gewusst, was ein Energy Drink ist“. Dementsprechend sieht er die Pepsi-Tochter Sodastream auch gar nicht als Konkurrent, sondern als Helfer. Sodastream ist ein geniales Produkt. Es gibt tausende, die Waterdrop gemeinsam mit Sodastream konsumieren.“
Vertikale Integration von Fabrik bis Shop
SodaStream, 2018 von PepsiCo um satte 3,2 Milliarden Dollar übernommen, zeigt, welche Potenzial in dem Markt liegt. Auch Murray weiß, wie groß seine Firma noch werden kann, bedenkt man, dass derzeit Abermillionen an Konsumenten im Sinne der Plastikreduktion weg von Flaschen wollen. „Wir verkaufen hunderte Millionen Drops und können Milliarden Drops produzieren in unser eigenen Produktionsstätte“, sagt er. Unicorn-Alarm in Wien also.
Der wichtigste Vertriebskanal: online. Dort sieht Murray, der in Schottland aufwuchs und sich letztlich für Wien anstelle von London oder Singapur zum Standort fürs Gründen auserkor, den großen Vorteil. „Wir haben den großen Vorteil gegenüber den Großen, dass sie alle online nicht können oder wollen“, sagt der Waterdrop-CEO. Wenn Waterdrop in neue Märkte geht, dann zuerst digital. Wenn man mehrere zehntausend Kunden und gutes Feedback hat, dann wird der Weg in den Einzelhandel gesucht, Flagship-Stores eröffnet.
Den Standort Wien im Herzen Europas sieht Murray, trotz aller Hemmschuhe, als Vorteil. „Wenn man in Europa erfolgreich ist und die Agilität kann, hat man alle Voraussetzungen, um global zu skalieren. Die USA ist zwar ein sehr teurer Markt, aber es gibt dort auch 300 Millionen Menschen in der gleichen Sprache“, sagt er.
Investitionen in DrinkTech
Noch ist Waterdrop für Brausewürfel bekannt, doch das muss nicht so bleiben. Murray baut das „Ökosystem ums Wassertrinken“, wie er es nennt, stetig aus. Der Marktführer bei nachhaltigen Trinkflaschen sei man bereits, zuletzt wurde wie berichtet das Wiener Startup Purgaty zugekauft. Dieses ist auf smarte Wasserflaschen mit integrierter Desinfektionsmöglichkeit (UVC-Technologie) spezialisiert, unter dem neuen Namen Waterdrop Technologies soll die Tochter künftig für neuartige Drink-Gadgets sorgen. „Wir investieren jetzt ganz stark in den DrinkTech-Bereich, also alles, was dazu beiträgt, Wasser noch genießbarer zu machen“, sagt Murray.
„Wir entwickeln ein Produkt, mit dem man den Wasserkonsum automatisch tracken wird können“, so der Waterdrop-CEO weiter. Mehr wolle er noch nicht verraten, jedenfalls soll es keine eigene Flasche sein, sondern etwas Neuartiges. Und: Es wird aufs eigene Geschäftsmodell und die Kundenbindung einzahlen: Wer sein Wasserziel erreicht, bekommt Punkte, die als Gutscheine im Online-Store von Waterdrop eingelöst werden können. „Die Leute sollen nicht nur den Konsum tracken können, sondern auch belohnt werden, wenn sie genug trinken.“ So geht Marketing 2021.
Unicorn? „Das ist very doable“
Eine Getränkemarke, die sich zum Marktführer in der eigens geschaffenen Kategorie macht – die Parallele zu Red Bull ist augenscheinlich. „Ich kann dem Vergleich natürlich etwas abgewinnen, auch wenn es andere Produkte sind“, sagt Murray. „Unternehmerisch [ist Red Bull] eine der größten Leistungen, die in Österreich jemals vollbracht wurde, und ein großes Vorbild.“ Etwa 16 Milliarden Euro ist die Red-Bull-Marke heute wert.
Bevor Murray aber in Red-Bull-Höhen fliegen kann, muss er Waterdrop aber noch skalieren. Und da stellt sich die große Frage: Langsamer aus dem eigenen Cashflow heraus, oder doch mit Hilfe von Investoren mit tiefen Taschen? Entscheidung dazu scheint noch keine getroffen zu sein, aber der Unicorn-Status dürfte Waterdrop früher oder später ziemlich sicher sein. Murray im schönsten Denglisch: „Das ist very doable.“
Waterdrop erhält neues Headquarter in Gösserhalle in Favoriten