„Wir sind heuer in Euphorie, aber das Risikokapital kommt nach wie vor kaum aus Europa“
Das Europäische Forum Alpbach (EFA) ist eine der wichtigsten Veranstaltungen für Unternehmer, Politiker, Wissenschaftler und Studierende des Jahres. Mit einem neuen Team rund um Ex-Erste-Group-Chef Andreas Treichl an der Spitze startet es 2021 in eine neue Ära. Unternehmer und Investor Werner Wutscher ist seit Herbst 2020 der neue Generalsekretär des Forum Alpbach und gibt im großen Interview Einblicke über die Schwerpunkte und die Neuerungen des diesjährigen Events.
Trending Topics: Das EFA 2021 wird sich von den Vorjahren unterscheiden. Was ist neu?
Werner Wutscher: Die Neuerungen ergeben sich vor allem daraus, weil wir noch stark mit Corona kämpfen. Das ist ein herausforderndes Jahr, deswegen haben wir die Konferenz hybrid geplant. Wir bieten für das digitale Publikum durchgehend Programm an. Während sich die anderen beim Jakober in Alpbach treffen, gibt es für die digitalen Teilnehmer Speed-Dating-Möglichkeiten, digitale Lounges und anderes.
Inhaltlich setzen wir drei Schwerpunkte: Sicherheit, die Chancen des Klimawandels und die Finanzierung der Systeme der Zukunft. Wie können wir in Europa zu einem funktionierenden Kapitalmarkt kommen, um privates Kapital zu mobilisieren, ist eine große Frage. Es geht darum, die Gesundheitssysteme, die Technologien und die Sicherheit der Zukunft zu finanzieren. Im Vergleich zu den USA und Asien geraten wir in Europa ja stark ins Hintertreffen.
Wir versuchen, diese drei Themen durch alle Symposien durchzuziehen. Sie finden sich bei den Technologiegesprächen genauso wie bei den Gesundheits-, Wirtschafts- und Politikgesprächen wieder.
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Zu den inhaltlichen Schwerpunkten später. Zuerst zum neuen Team rund um Andreas Treichl – wie prägt dieses die Neugestaltung?
Wir rücken Europa stark in den Mittelpunkt und gehen zu den Wurzeln zurück. Eine interdisziplinäre Plattform für Kunst, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und vor allem die Jugend, die oft übersehen wird. Europa ist derzeit in vielen Bereichen unter Druck, aber wir können die Erfolgsgeschichte der letzten 40 Jahre weiterschreiben, gemeinsam mit Nordamerika, Afrika und Asien.
Die Aufgabe ist es, digital – und da sind wir schon müde geworden – und analog vor Ort die Themenschwerpunkte an die Teilnehmer heranzutragen und spürbar zu machen. Der Schlüssel wird sein, was die Besucher sowohl von der analogen als auch digitalen Veranstaltung mitnehmen.
Wie wird die heurige Veranstaltung finanziert?
Das Geschäftsmodell des Forums sieht vor, dass die Konferenz durch Sponsoren und durch Tickets finanziert wird. Es sind auch heuer wieder die maßgeblichsten Unternehmen Österreichs mit dabei, so ist es gelungen, die Sponsoring-Einnahmen zu erhöhen. Damit können wir das heurige Jahr hoffentlich finanzieren, wir sind aber immer noch massiv unter Druck aufgrund der COVID-Situation. Beim Publikum ist aufgrund der Delta-Variante doch Zurückhaltung zu spüren. Das ist nach wie vor eine große Herausforderung.
Wie wird die Jugend in die Konferenz integriert?
Wir möchten das massiv ausbauen. Ich sehe das als USP gegenüber anderen Veranstaltungen. 2019, bei der letzten analogen Veranstaltung, waren 700 junge Menschen aus 163 Ländern dabei. Aufgrund der Reisebeschränkungen können wir die Seminarwoche nicht voll durchführen, aber wir bieten sie auch digital an. Die drei Themenschwerpunkte haben wir bereits im März in einer Challenge ausgelobt und um ganz konkrete Lösungsvorschläge ersucht.
Es gab 400 Einreichungen, aus denen die besten ausgesucht werden. Die Prototypen der Jungen sollen in Alpbach eine Bühne bekommen und die Möglichkeit bekommen, mit den Entscheidungsträgern diskutiert zu werden. Die Entrepreneure und ihre Ideen sollen verstärkt am Tisch sitzen, wenn die Lösungen der Zukunft diskutiert werden.
Das klingt nach mehr Startups in Alpbach.
Nicht nur Startups, es geht auch um junge Führungskräfte, um Spin-offs der österreichischen Universitäten, um Social Entrepreneurs. Wir versuchen bewusst, junge Menschen mit unternehmerischen Ideen besser zu präsentieren. Es gibt eine Reihe von Initiativen wie die Summer School von Hermann Hauser, Falling Walls oder „Alpbach in Motion“ (AIM).
Kommen wir zum Thema der Zukunftsfinanzierung. Es gibt derzeit sehr viele Investments in europäische Tech-Unternehmen und Scale-ups, aber das Geld kommt oft aus den USA oder Asien. Droht ein Ausverkauf der Innovationslandschaft? Wird das Thema in Alpbach sein?
Das ist ein Riesenthema. Es wird darum gehen, wie der Kapitalmarkt wachgeküsst wird. Wir sind heuer in Euphorie, aber das Risikokapital kommt nach wie vor kaum aus Europa. Es gibt ein paar Ausnahmen wie Paris, wo der Staat einen großen Fonds aufgelegt hat, oder in Großbritannien, wo es Steueranreize für Investoren gibt. Aber generell fehlt Kapital sowohl für den Mittelstand als auch für die Gründer. Das ist für Europa sehr fatal.
Die Schlüsselfrage ist: Wie gelingt es, mehr privates Kapital zu mobilisieren? Wenn das nicht gelingt, wird es nur zu mehr Fremdverbindlichkeiten führen – sowohl auf Unternehmensseite in punkto Förderungen und Schulden, und auf der anderen Seite in den Staatskassen. Es ist so viel Geld da wie noch nie, aber wir in Europa sind nicht in der Lage, dieses Geld besser abzuholen.
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Europa ist ja nach wie vor ein reicher Kontinent. Wo ist denn das viele Geld?
Es liegt und verschimmelt auf den Sparkonten und wird immer weniger. Die Schlüsselfrage der Zukunft ist, dieses Kapital für sinnvolle Projekte einzusetzen – etwa auch für lokale Klimaschutzprojekte. Der COVID-Startup-Hilfsfonds, über den man sicher viel diskutieren kann, hat 50 Millionen Euro privates Kapital in kürzester Zeit aufgestellt. Das ist ein Beispiel, wie der Staat von Förderungen wegkommen kann.
Bei Unternehmen herrscht ja immer noch der Geist vor: Um Gottes Willen, wenn jemand investiert, dann verkauft man sich. Da geht man lieber mit der Hausbank unter, als sich einen seriösen Partner herein zu nehmen. Vielen österreichischen Unternehmen ist lieber, 100 von nix zu haben als 49 von 100.
Und das wird Thema in Alpbach sein.
Ja, da wird es mehrere Runden gehen. Es wird um Hardcore-Wirtschaftsfinanzierungs-Themen gehen, aber auch die Governeure werden diskutieren, ob der Euro gut ist oder nicht.
Wie geht ihr mit Nebenveranstaltungen um? Manche nennen das Forum Alpbach auch etwas zynisch “Springbreak der CEOs”?
“Springbreak der CEOs” kann ich nicht beurteilen. Aber Netzwerken ist eines der großen Assets, da entsteht Sozialkapital. Wenn sich der CEO dort mit einem Stipendiaten zufällig treffen kann, dann hat das einen großen Wert. Der Moment des Unerwarteten ist wichtig, man soll auch in jemanden hineinstolpern können. Das wollen wir nicht missen. Es ist aber klar, dass wir die thematische Führerschaft setzen wollen.
Klimawandel ist klarerweise ein großes Thema. Wie wird er diskutiert?
Wir wollen erörtern, wie wir von den Weltuntergangsszenarien und der Krisenkommunikation wegkommen und es uns gelingt, die Bürger mitzunehmen. Die Frage ist wirklich, wie wir aus der Klimakrise eine Chance machen können. Aber wir wollen auch ganz praxisnah erörtern, warum ein LKW heute ungebremst durch Europa fahren kann, während wir an jeder Staatsgrenze die Zugloks wechseln müssen. Das werden Wissenschaftler, aber auch CEOs und NGO-Vertreter diskutieren.
Ist das EFA selbst ein Green Event?
Ja, das ist uns sehr wichtig. Wir werden die entsprechenden Auflagen erfüllen. Wir haben da Vorbildfunktion, denn im Ort Alpbach selbst haben sich mittlerweile 16 Unternehmen ebenfalls zertifizieren lassen.
Die zweite Frage ist, wie wir den Ort künftig stärker integrieren können und nicht nur als Kulisse nutzen. Es gibt Modelle für nachhaltigen Tourismus, wo wir Anstöße geben können, da stehen wir noch am Anfang. Die Kooperation mit dem Ort ist uns sehr wichtig, er ist und bleibt das herz des Forums. Wir sind uns bewusst, dass wir da manchmal wie ein tönerner Elefant sind. Die Raum- und Zimmersituation ist eine Herausforderung, das weiß jeder, der schon mal hier war. Da sinnvolle Konzepte weiter zu spinnen, ist extrem wichtig.
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