Wie das Startup money:care „Europas größte Community für nachhaltiges Investieren“ werden will
„Keine Firmen unterstützen, die planetare und soziale Grenzen überschreiten“
Das Gründungsteam, dem Katharina Herzog, Ulrich Penitz und Timo Nothdurft angehören, hat sich zum Ziel gesetzt, „Europas größte Community für nachhaltiges Investieren zu etablieren“. Doch wie ist es überhaupt zur Gründung gekommen? Herzog erinnert sich an die ersten Schritte zurück: „Es fing alles damit an, dass wir uns um unsere eigenen Finanzen kümmern wollten. Da ging es uns wie vielen anderen mit denen wir über das Thema reden: Geldanlage ist kompliziert und überfordernd. Wenn man dann noch den Wunsch hat, mit dem eigenen Geld Gutes zu bewirken und keine Firmen zu unterstützen, die planetare und soziale Grenzen überschreiten, wird es richtig schwer. Man wird mit einer Menge Greenwashing und intransparenten Nachhaltigkeitsratings konfrontiert.“
Sie führt weiter aus: „Nach der vergeblichen Suche nach Investitions- und Informationsplattformen für Nachhaltigkeitsenthusiast:innen wie uns, stand unser Entschluss fest: Wir müssen selbst aktiv werden. Unser erster Schritt war das Problem zu lösen, wie man Nachhaltigkeit eigentlich ehrlich bewerten kann und dann kam direkt die Frage, wie wir an die Daten dafür kommen. Hier haben wir mit unserem technischen Co-Founder genau die richtige Expertise im Team, denn wir sind jetzt in der Lage mithilfe von künstlicher Intelligenz die Daten viel schneller aus öffentlich zugänglichen Berichten zu erheben. Die ersten Auswertungen kann man jetzt auf der Beta-Version einsehen. “
In 15 Minuten KI-Analyse von Investments statt 4 Stunden mit manueller Bewertung
Durch die Nutzung der Plattform sollen Anleger:innen also Investitionsentscheidungen treffen, die sowohl finanziell als auch nachhaltig fundiert sind. Herzog betont dabei, dass leider immer wieder Unternehmen in „grünen Investitionsprodukten“ versteckt werden, die Nachhaltigkeit nur als Buzzword nutzen würden und verspricht, dass es „derartige Überraschungen“ auf money:care nicht geben würde. Die Grundlage hierfür wären „verlässliche Daten“. Dabei soll insbesondere der bereits erwähnte Einsatz von KI „das Spiel mit Nachhaltigkeitsdaten grundlegend verändert“ haben. Manuelle Analysen dauern üblicherweise mehrere Stunden. Mit dem Einsatz von KI-Tools wären es, zumindest money:care nach, „nur noch 15 Minuten pro Unternehmen“.
Im Gespräch geht Herzog noch näher auf die genaue Funktionsweise ein: „Der Kern der Plattform ist unser Impact Check. User:innen können über die Suchzeile nach börsengelisteten Unternehmen suchen und landen dann auf den jeweiligen Dashboards, wo sie die Nachhaltigkeit sowie alle Quellen einsehen können. Alternativ können Nutzer:innen nach den jeweiligen Impact Kriterien filtern und sortieren, sodass sie genau die Unternehmen finden, die ihren Werten entsprechen. Außerdem besteht schon die Möglichkeit, Unternehmen zu vergleichen und im persönlichen Profil abzuspeichern. So kann man die ersten Schritte zum persönlichen nachhaltigen Portfolio gehen.“
„Authentische Nachhaltigkeit“
Sie unterstreicht zudem, die für sie vielfältige Bedeutung von Nachhaltigkeit. Damit meine Herzog nämlich „nicht nur die ökologische Dimension, sondern auch gesellschaftliche Aspekte sowie Aspekte der Geschlechtergerechtigkeit. „In diesen drei Dimensionen schauen wir jeweils auf vier Indikatoren – von CEO-Mitarbeiter:innen-Verhältnis über erneuerbare Energien und Gender Pay Gap. Alle Indikatoren basieren dabei auf den Sustainable Development Performance Indicators (SDPI) von UNRISD“.
Die Co-Founderin geht hierbei ebenso darauf ein, wie das Startup nachhaltiges investieren definieren würde und stellt klar: „Es geht darum, das Geld in Unternehmen zu lenken, die etwas Positives für Menschen und Umwelt bewirken – und gleichzeitig eine Rendite zu erzielen. Das Problem liegt bei diesen aktuellen ESG-Ratings. Im Moment bilden diese Ratings das Rückgrat für unzählige nachhaltige Anlageprodukte und es scheint, als sei heutzutage jede Geldanlage irgendwie nachhaltig. Aber wenn fast jedes Unternehmen als nachhaltig eingestuft wird, müssen wir uns fragen was nachhaltig da genau bedeutet und ob wir die richtigen Kennzahlen verfolgen, um eine wirklich nachhaltige Transformation der Wirtschaft voranzutreiben. Wir haben bei unseren Auswertungen Unternehmen gefunden, die von großen Agenturen erstklassig bewertet werden, aber bei genauerem Betrachten zum Beispiel komplett die Emissionsbudgets des 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens überschreiten. Und genau diese Transparenz bieten wir – für authentische Nachhaltigkeit.“
Bei der Frage, was money:care von der Konkurrenz unterscheiden soll, betont sie auch den Schwerpunkt Vertrauen: „Unsere Innovation sind Nachhaltigkeitsdaten, denen Privatanleger:innen vertrauen können und die sie verstehen können. Wir stellen die Daten auf intuitive und leicht verständliche Weise zur Verfügung, sodass Kleinanleger:innen endlich mit gutem Gewissen investieren können. Ein großer Vorteil, den wir im Vergleich zur Konkurrenz haben, liegt in unserer technischen Entwicklung im Hintergrund. Wir erheben die Daten selber mithilfe von künstlicher Intelligenz und können sie dadurch auch komplett transparent weitergeben.“
Sehr früh mit UNRISD in Kontakt getreten
Interessant ist auch, dass das Startup zwar mit der Gründung im September noch sehr jung ist, aber es dennoch mit einem so bekannten Forschungsinstituts der Vereinten Nationen kooperiert. Wie und warum es dazu gekommen ist, wird im Interview ebenso aufgelöst. Katharina Herzog erinnert sich: „Unser Ausgangspunkt war die Überzeugung, dass es planetaren Grenzen und soziale Mindeststandards gibt, ganz im Sinne von Kate Raworths Modell der Doughnut Economics. Das Modell der Doughnut-Ökonomie bietet einen visuellen Rahmen für eine nachhaltige Entwicklung, die die menschlichen Bedürfnisse mit den Grenzen des Planeten in Einklang bringt.“
Sie führt ergänzend aus: „Bei unseren Nachforschungen, wie diese Grenzen messbar gemacht werden können, stießen wir auf die Sustainable Development Performance Indicators (SDPI) des Forschungsinstituts der Vereinten Nationen für soziale Entwicklung (UNRISD), die einfach perfekt dazu passten. Im Gegensatz zu herkömmlichen Nachhaltigkeitsrahmen kann mit dem SDPI bewertet werden, ob Unternehmen innerhalb der sozialen und ökologischen Grenzen agieren. Wir sind deshalb sehr früh mit UNRISD in Kontakt getreten und stehen seitdem in regelmäßigem Austausch. Erst kürzlich waren wir auch gemeinsam auf dem Asia Future Forum in Seoul (Südkorea) vertreten, um von den SDPI und unserer Arbeit zu berichten.“
Beta-Version: Plattform noch nicht voll funktionsfähig
Da die Plattform erst heute mit der Beta-Version live gegangen ist, ist sie noch nicht vollkommen funktionsfähig, bietet jedoch schon die Kernfunktion in Bezug auf Nachhaltigkeit an. Zudem soll das Startup bislang nur ein „begrenztes Universum an Firmen“ haben. Erzog erklärt dazu: „Diese Phase dient dazu, das Interesse und Engagement mit der Plattform abzutesten und so auch gemeinsam mit der Community weiterentwickeln zu können. Perspektivisch sollen noch viel mehr Firmen und Finanzprodukte abgebildet werden, Finanzdaten eingepflegt werden, ein persönliches Nachhaltigkeitsprofil angelegt werden können und schließlich auch die Option, direkt zu investieren. Aber heute freuen wir uns erstmal, die Plattform soweit aufgebaut zu haben und die ersten User mit dem Level an Transparenz und der Benutzerfreundlichkeit zu überzeugen.“
Ob dafür auch das richtige Investment in Sicht ist? „Aktuell sind wir durch die aws im Preseed Programm (innovative solutions) gefördert. Hiermit konnten wir diesen großen Meilenstein des Beta-Launches erreichen. Jetzt blicken wir schon in die Zukunft und werden uns um weitere Förderungen bemühen, aber auch schon bald die erste Finanzierungsrunde einläuten. Diese dauern aber bekanntermaßen eine gewisse Zeit“, meint die Gründerin abschließend.
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