Wie das Startup Senken den Handel mit Emissionszertifikaten modernisieren will
Immer mehr Unternehmen begeben sich in den freiwilligen Emissionshandel. Für diesen Markt hat das Startup Senken 2022 eine digitale Handelsplattform erschaffen. Es will den freiwilligen Handel mit Emissionszertifikate moderner, nachhaltiger und transparenter machen. Das Gründerteam, bestehend aus Adrian Wons, René Schäfer und Djamel Mekibes, setzt dabei erstmals auf tokenisierte Emissionszertifikate.
Im Interview mit Trending Topics verrät Adrian Wons unter anderem Details darüber, wie es zu diesem Konzept gekommen ist, inwiefern sein Startup Betrug bzw. Manipulation beim Handel verhindern kann und welche Trends er in dem Bereich erkennt.
TT: Was hast du vor der Gründung des Startups gemacht?
Adrian Wons: Ursprünglich komme ich aus dem Windenergiebereich. Ich habe Computergestützte Strömungslehre studiert und mir genauer angesehen, wie die Windströme von der Windkraftanlage durch die Turbine durchgehen. Mit dem Wissen im Gepäck bin ich erstmal in die Beratung gegangen und habe dann auch in der Windenergiebranche in Deutschland bei Ernst & Young angefangen. Ich habe dann aber etwas ganz anderes gemacht – und zwar in meiner Freizeit ein Buch geschrieben. Es war das erste deutsche Buch über Blockchain für den Springerverlag. Das war 2017. Danach habe ich letztendlich die ganze Blockchain-Abteilung bei uns in Deutschland gegründet und auch drei Jahre lang geleitet.
Ich habe somit in den drei Jahren alle möglichen Blockchain-Projekte gemacht. Ich habe, zum Beispiel, mitgeholfen, für einen der größten Wein-Manufacturer in Italien die Wein-Supplychain auf die Blockchain zu bringen, denn 30% des Weins, den wir „aus Italien“ im Supermarkt kaufen, ist gar nicht aus Italien. Der kommt oft aus Asien bzw. China und wird irgendwann in die Lieferkette hineingeschmuggelt. Das konnte man durch die Blockchain alles tracken und schließlich auch sicher machen gegenüber solchen Schmuggel-Aktionen.
Nach EY, also im Jahr 2019, habe ich ein Forschungsinstitut zum Thema Nachhaltige Innovation gegründet. Kurz darauf sind wir dem Konzept für das Startup immer näher gekommen.
Wie genau kam es zur Idee von Senken?
Ich bin für meine Partnerin nach Südafrika gezogen. In ihrem Freundeskreis sind viele Farmer:innen, aber auch Leute, die Konservierung von Wäldern betreiben. Die haben sich natürlich gefragt, wie man an Gelder für nachhaltige Landwirtschaft kommt und sind letztendlich auf den Handel mit Carbon Credits gekommen. Sie haben diese Option genutzt, um zusätzliche Quellen für Kapital zu bekommen, um ihre Projekte durchzuführen. Aber es war einerseits nicht einfach über Zertifikate an das Kapital zu gelangen und andererseits haben die meisten dann auch nur wenig Geld dafür bekommen. Das lag jedoch nicht am geringen Wert, sondern daran, dass extrem viele Intermediäre Geld aus dem Markt bringen. Oft werden diese CO2-Zertifikate in der nördlichen Hemisphäre verkauft, aber die Projekte finden im globalen Süden statt, zum Beispiel eben Südafrika.
Irgendwann sind wir beim Durchforsten auf ein Projekt in der nachhaltigen Landwirtschaft gestoßen, das eines dieser Zertifikate für drei Dollar verkauft hat. Wir haben dann jedoch das gleiche Zertifikat in Deutschland gefunden, aber für 15 Dollar. Das heißt, dass zwölf Dollar auf dem Weg komplett an Intermediäre, also irgendwelche Broker gegangen sind und nicht nach Südafrika, wo der Impact ist. So sollte es nicht weitergehen, dachten wir uns zumindest. Es braucht nämlich so unfassbar viel Funding für Klimaprojekte, wird aber niemals skalieren, weil es so ineffizient ist.
Dann habe ich mich an alles erinnert, das ich im Bereich Blockchain gemacht habe. Für mich ging es vor allem um Transparenz. Daher habe ich gemeint, dass wir uns darauf konzentrieren sollten, wie wir die Blockchain-Technologie nutzen können, um diesen Markt effizienter zu machen und so viel wie möglich Kapital in Klimaprojekte zu bekommen. Die Schwachstellen sind nämlich Punkte, die Blockchain eigentlich lösen kann, mit mehr Transparenz und niedrigen Transaktionskosten durch automatisierte Transaktionen.
Wie funktioniert Senken konkret? Kannst du mir einen Einblick in den genauen Handelsprozess geben?
An dieser Stelle möchte ich sagen: Das Ziel von Senken ist auf jeden Fall das Thema Blockchain nie im Vordergrund zu halten. Um jetzt aber recht einfach zu beschreiben, was wir machen: Wir bringen A und B zusammen und das über sogenannte smart contracts. Das heißt, immer wenn Handel auf unserer Plattform stattfindet wird ein Vertrag zwischen den zwei Parteien ausgeführt. Das aber nur, wenn eine Person das Geld einzahlt und die andere sich um das Zertifikat kümmert. So bleibt alles transparent und man sieht auch alle Transaktionen, die vorher stattgefunden haben auf der Blockchain.
Habt ihr konkrete Maßnahmen ergriffen, um Betrug oder Manipulationen zu verhindern?
Durch die Technik, die wir nutzen, sind im Vorhinein schon extrem viele Möglichkeiten für Manipulation oder Betrug ausgeschlossen. Zum Beispiel: Ein Problem am Markt ist, dass ein Zertifikat oft zweimal benutzt wird. Wenn bei uns aber ein Zertifikat “zum Offsetting” benutzt wurde, wird dieses Zertifikat sozusagen “verbrannt” und kann nie wieder verwendet werden. Ohne Blockchain war das meistens so, dass man nur ein PDF hatte und das kann ja super einfach kopiert werden. Bei uns ist dieses zweimalige Nutzen von vorne herein also nicht möglich.
Auf der anderen Seite arbeiten wir mit den ganzen großen Registern zusammen, die gemeinsam mit dem TÜV Projekte verifizieren. Wir arbeiten also mit “Verifikationskörpern” zusammen, die dann einerseits zu Projekten vor Ort gehen oder Satellitenbilder nutzen, um zu verifizieren, dass der Impact bezogen auf Projekte wirklich stattgefunden hat.
Als dritte Stufe nutzen wir auch noch Rating-Unternehmen. Wir arbeiten mit einem Unternehmen mit Sitz in London zusammen. Es heißt Be Zero. Die raten die Projekte, die wir auf unserer Plattform haben. Sie schauen dann auf Faktoren wie die politische Lage im Land, wie hoch ist das Risiko, dass die Politik einen Einfluss auf den Erfolg von dem Projekt haben kann? Das ist sozusagen noch eine zusätzliche Sicherheitsstufe.
Was sind die größten Herausforderungen beim Aufbau einer solchen Plattform?
Einerseits die ganzen technischen Aspekte, die ich schon erwähnt habe, aber natürlich auch klassische Startup-Herausforderungen, vor allem in den Bereichen, in denen wir unterwegs sind. Wir sind im Klimabereich tätig und der polarisiert extrem. Das heißt, das alles ist sehr im politischen Fokus, aber natürlich auch im medialen. Als junges Unternehmen in dem Bereich muss man also extrem aufpassen, was man macht bzw. versuchen direkt alles richtig zu machen, denn wir tragen viel Verantwortung.
Und auf der anderen Seite sind im Blockchain-Bereich und der ist ja auch nicht so einfach. Wenn man die beiden Schwerpunkte zusammennimmt, ist es natürlich für ein junges Unternehmen umso schwieriger, sich nicht entmutigen zu lassen.
Wie siehst die Zukunft des Emissionszertifikatehandels? Erkennst du dabei schon bestimmte Entwicklungen oder Trends?
Es gibt zwei verschiedene Varianten von Emissionshandel. Es gibt einmal den gesetzlichen Emissionshandel, zum Beispiel EU ETS, was der größte weltweit ist. Und dann gibt es den Freiwilligen, in dem wir uns ja bewegen, wo es letztendlich um die Carbon Credits geht.
Was wir gerade beobachten, ist, dass diese zwei Bereiche immer mehr miteinander verschmelzen. Das heißt Unternehmen, die vorher freiwillig ihren CO2-Fußabdruck senken wollten, müssen jetzt gesetzlich immer öfter Carbon Credits kaufen. Zum Beispiel gibt es da das System CORSIA, was mit Emissionshandel für die Luftfahrtindustrie zu tun hat. Das muss jetzt CO2-Zertifikate kaufen, aber vom freiwilligen Markt. Diese Verschmelzung ist meines Erachtens wichtig, weil, wenn man den CO2-Fußabdruck einfach freiwillig niedrig halten will, ist der Anreiz nicht so groß, wie wenn man es gesetzlich verpflichtet ist oder es letztendlich Strafen dafür gibt, wenn man sich nicht an die Richtlinien hält.
Die andere Sache ist, dass der Markt immer digitaler wird. Vor fünf Jahren hat jedes Projekt so stattgefunden, dass jemand aus dem Team in den Amazonas geflogen ist und wirklich mit einem Maßband die Bäume gemessen hat, was natürlich wieder Emissionen freigesetzt hat. Und jetzt wird Satellitentechnik, aber auch künstliche Intelligenz eingesetzt, um zu messen, wie viel CO2 eine Baumkrone speichert. Das alles macht es einfacher und kostengünstiger, neue Projekte zu starten, aber auch zu skalieren.