Forschung

Wie grüne Steine zu einem der wichtigsten CO2-Speicher werden können

Olivin-haltiges Gestein bindet CO2 besonders gut. © James St. John (CC BY 2.0)
Olivin-haltiges Gestein bindet CO2 besonders gut. © James St. John (CC BY 2.0)
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Rund 0,04 Prozent, also 400 Teilchen pro Million (ppm = Parts per Million), macht der Anteil von CO2 in unserer Erdatmosphäre aus. Im April 2021 wurden am Mauna-Loa-Observatorium in Hawaii erstmals mehr als 420 ppm gemessen, ein Rekordwert. Noch vor dem industriellen Zeitalter, etwa bis Mitte des 19. Jahrhunderts, lag der Anteil noch bei durchschnittlich 280 ppm, wie etwa Bohrkerne aus dem Eis der Antarktis zeigen. 420 Teile pro Million Moleküle mag nicht nach viel klingen, für das Klima habt ein solcher Anstieg allerdings verheerende Auswirkungen. Wie auch das Umweltbundesamt verweist, sind selbst nach 1000 Jahren noch etwa 15 bis 40 Prozent von heute ausgestoßenem CO2 in der ⁠Atmosphäre⁠ zu finden.

CO2 aus der Luft holen und speichern

Umso wichtiger sind Technologien, die bereits ausgestoßenes Kohlendioxid entweder wieder aus der Luft holen, oder direkt aus den Rauchgasen abscheiden, bevor diese in die Atmosphäre entweichen. Direct Air Capture (DAC) steht für ersteres,  Carbon Capture and Storage (CCS) für zweiteres. Diese Verfahren kamen vor allem in den letzten Jahren in Schwung. Das Prinzip klingt prinzipiell erst einmal einfach: CO2 wird aus der Luft abgeschieden und für längere Zeit gespeichert. In der Natur findet der Prozess ganz natürlich durch Bäume beispielsweise statt. Sollte er allerdings wieder verrotten oder verbrennen, wird auch das CO2 wieder freigesetzt. Eine deutlich längere Speicherkapazität haben allerdings Steine. Das CO2 versteinert quasi, es mineralisiert, Fachleute sprechen von Karbonisierung.

Climeworks: CO2 mit Direct Air Capture aus der Atmosphäre holen

Das funktioniert nicht bei allen Gesteinsarten gleich gut: Die Mineralien müssen in der Lage sein, CO2 zu binden. Besonders geeignet sind etwa Olivine: Das grünliche Mineral findet sich in vielen Gesteinsbrocken. Olivin besteht aus Magnesium, Silizium und Sauerstoff, chemisch wird das Mineral als Mg2SiO4 beschrieben. Kommt es mit in Wasser gelöstem CO2 in Verbindung, entsteht Quarz (SiO2) und Magnesiumcarbonat (MgCO3), ebenfalls ein Mineral. So kann das CO2 sehr lange gespeichert bleiben.

Fein gemahlenes Pulver bindet CO2 besser

Die Speicherkapazität ist allerdings ausgeschöpft, wenn die Oberfläche des Olivins bereits vollständig mit dem CO2 reagiert hat. Es gilt – je mehr Oberfläche, desto mehr CO2 kann auch gebunden werden. Ein feines Pulver kann somit mehr Kohlendioxid speichern als große Brocken, poröses Gestein mehr als kompaktes. Aus diesem Grund gingen einige Expert:innen bisher davon aus, dass nur fein gemahlene Mineralien, wie etwa Olivin oder Basalt, effizient CO2 binden können. Dieser Mahlprozess und der Transport des Pulvers seien jedoch energieaufwendig

Hier kommt allerdings die Forschung der Geopysikerin Catalina Sanchez-Roa von der UCL London ins Spiel. Sie fand in mehreren Experimenten heraus, dass poröse Gesteinsbrocken mehr Speicherpotenzial besitzen, als bisher angenommen. Bisher ging man nämlich davon aus, dass die mikroskopisch kleinen Risse und Tunnel im Gestein verstopfen würden, sobald sie mit dem CO2 reagiert haben. So wird die Oberfläche verkleinert, was wiederum kontraproduktiv für die Karbonisierung ist, also die Reaktion mit CO2. Nach kurzer Zeit nimmt die Speicherkapazität des Gesteins daher rapide ab.

Dasselbe Ergebnis konnte auch Sanchez-Roa beobachten. Doch die Karbonisierung ging weiter, langsamer zwar, aber doch. Selbst nach 35 Tagen nah das Gestein immer noch CO2 auf, was Sanches-Roa so zum ersten Mal beobachtete, wie sie selbst sagt. Und sie kam auch auf eine Erklärung: dadurch, dass Quarz und Magnesiumcarbonat mehr Platz brauchen als das herkömmliche olivinhaltige Gestein, entsteht im Gesteinsbrocken Druck, der wiederum neue kleine Risse aufreißt, in dem das CO2 wiederum reagieren kann. Um das Olivin-Gestein auch industriell als CO2-Speicher zu nutzen, seien laut Sanches Roa zwar noch weitere Experimente erforderlich.

„Feldtest“ von versteinertem CO2 in Island

Einen ähnlichen Feldtest dieser Art gibt es bereits in der Nähe des Hellisheiði-Kraftwerks, 30 Kilometer östlich der isländischen Hauptstadt Reykyvik. Beim Geothermal-Kraftwerk wird in Wasser gelöstes CO2 in den Erdboden gepumpt. Das Kohlendioxid reagiert dort mit einer CO2-bindenden Basaltschicht, die 400 bis 800 Meter tief liegt. Hinter diesem Prozess steht das isländische Unternehmen Carbfix. 95 bis 98 Prozent des CO2 sei in weniger als zwei Jahren versteinert, geben diese in der Fachzeitschrift Science an. Ziel sei es, bis 2030 eine Milliarde Tonnen CO2 unter der Erde dauerhaft zu binden. Und die Methode sei zudem außerordentlich günstig: 25 Dollar kostet es, eine Tonne CO2 zu speichern. Zum Vergleich: Die CO2-Bepreisung in Österreich ist ab Juli 2022 auf 30 Euro pro Tonne angesetzt.

Das isländische Startup Carbfix verwandelt tonnenweise CO2 in Stein

Eine Milliarde Tonnen CO2 bis 2030 binden, ist das nicht ein sprichwörtlicher Tropfen auf den heißen Stein? Immerhin lag der weltweite CO2-Ausstoß allein im Jahr 2020 bei rund 35 Millionen Tonnen, in den Vorjahren war es sogar noch mehr. „Es ist natürlich nicht die einzige Lösung“, sagt Carbfix-CEO Edda Sif Pind Aradottir in einem Gespräch mit Bloomberg. „Aber wir hoffen, dass wir unsere Technologie immer weiter entwickeln können.“ Neben dem Ansatz, CO2 „versteinern“ zu lassen und so zu speichern, arbeiten Startups bereits an anderen Formen des CO2-Recyclings. Das Unternehmen climeworks arbeitet ebenfalls auf Island mit Carbfix zusammen und hat erst kürzlich die bisher weltgrößte Direct Air Capture Anlage mit dem Namen „Orca“ gestartet, wir berichteten. Mit dieser wird CO2 direkt aus der Luft abgeschieden, die Technik ist allerdings deutlich teurer. In einem früheren Gespräch mit Tech & Nature gab Christoph Beuttler, Head of Climate Policy bei Climeworks an, die Orca-Technologie in Island sei etwa bei 600 Euro pro Tonne CO2 skaliert.

Kosten von CCS-Technologien im Fokus

Der relativ hohe Preis ist auch eines der Hauptprobleme vieler CCS-Systeme (Carbon Capture & Storage). Es gilt: Je höher die CO2-Konzentration in der Luft ist, desto einfacher und daher günstiger ist es, das CO2 abzuscheiden, also es abzusondern. Beim „Direct Air Capture“-Verfahren, wo CO2 direkt aus der Luft abgeschieden wird, gibt die International Energy Agency etwa einen Preis von 130 bis 340 Dollar pro Tonne CO2 an. Deutlich günstiger ist allerdings das Verfahren direkt an der Quelle, wie direkt im Rauchfang: Bei der Bioethanol-Produktion, einem Biotreibstoff, koste die Abscheidung einer Tonne CO2 etwa nur 25 bis 35 Dollar, so die IEA.

 

Kosten für die CO2-Abscheidung pro Tonne. ©IEA 2019
Kosten für die CO2-Abscheidung pro Tonne. ©IEA 2019

Dabei ist aber zu beachten, dass in dem Preis weder Transport noch endgültige Lagerung des Kohlendioxids mit eingerechnet sind. Geologische Voraussetzungen für die unterirdische CO2-Speicherung gibt es nicht überall, weshalb das CO2 in geeignete Regionen transportiert werden muss. Laut IEA kommen daher durchschnittlich 10 Dollar/Tonne für den Transport sowie 30 Dollar/Tonne für die Speicherung noch einmal obendrauf.

Zudem haben CSS-Lösungen mit der Weiterentwicklung von Erneuerbaren Energien vielleicht auch nur eine befristete Einsatzzeit. Die steigende Kosteneffizienz bei Wind- und Solarenergie erlauben eine völlig CO2-freie Elektrifizierung ganzer Sektoren, was den Wert von Carbon Capture & Storage um 15 bis 95 Prozent drückt, so eine Studie von Forschenden des Imperial College London aus dem Jahr 2021. CCS habe aber in Industrien wie Bioenergie, wo CO2 durch natürliche Prozesse anfällt, eine Daseinsberechtigung.

Anders sieht es beim Direct Air Capture aus. Der Weltklimarat ging in seinem Sonderbericht zum 1,5-Grad-Ziel davon aus, dass zur Erreichung der Klimaziele auch negative Emissionen nötig sind und bereits emittiertes CO2 daher aus der Atmosphäre entfernt werden muss. Somit werden solche Anlagen wahrscheinlich auch dann noch gebraucht, wenn die Klimaneutralitätsziele der Länder erreicht sind. Dafür muss die Technik aber noch deutlich weiterentwickelt und vor allen Dingen skaliert werden. Das wird voraussichtlich noch Jahrzehnte benötigen. Zudem braucht es entsprechende Menge Erneuerbarer Energien, um diese auch klimaneutral zu betreiben. Klimaschutzmaßnahmen kann man wegen dieser Technologien somit heute auf keinen Fall vernachlässigen.

Stein, Tierfutter oder Parfum: Startups und das große Geschäft des CO2-Recyclings

 

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