Wie London mit Mini-Sensoren gegen Luftverschmutzung vorgeht
Autos und LKWs, die sich im Stau durch die Straßen schlängeln. Abgase aus der Industrie, die sich über der Stadt verteilen – sie alle verstärken die Luftverschmutzung, die für Menschen auf Dauer tödlich sein kann. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Luftverschmutzung das größte Umweltrisiko für die Gesundheit und kann jedes Organ im Körper schädigen. Doch wie es schon bei der Erderhitzung der Fall ist, sind nicht alle Menschen gleich von diesem Risiko betroffen. Das hängt laut einem Bericht der Europäischen Umweltagentur (EUA) nämlich stark von Einkommen, Arbeitslosigkeit und Bildung ab. Gerade in Großstädten sind es vor allem ärmere Bevölkerungsgruppen, die Luftschadstoffen am meisten ausgesetzt sind. In London ist das nicht anders.
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99 Prozent leben in Stadteilen mit schlechter Luft
So zeigt etwa eine Studie, die vom britischen Beratungsunternehmen Aether im Jahr 2017 in der britischen Hauptstadt durchgeführt wurde: In Gebieten mit der schlechtesten Luftqualität stammen 32 Prozent der Menschen aus Gruppen, die sozioökonomisch am stärksten benachteiligt sind. Zwar hat sich die Luft in London laut einem Bericht der Londoner Stadtregierung insgesamt gebessert. Dennoch leben 99 Prozent der Londoner weiterhin in Stadtteilen, die eine Luftverschmutzung aufweisen, die über den empfohlenen Grenzwerten der WHO liegt.
Gehäufte Studien und Todesfälle haben die Luftverschmutzung bei den Londoner Behörden in den vergangenen Jahren stärker zum Thema gemacht. In dem Bemühen, die Erfassung von Daten über die Luftverschmutzung zu verbessern und zu demokratisieren, hat Londons Bürgermeister Sadiq Khan mit finanzieller Unterstützung des weltweiten Netzwerks C40 das Projekt „Breathe London“ ins Leben gerufen, wie das Magazin Fast Company am Donnerstag berichtete. Ziel des Projekts ist es demnach, besonders in einkommensschwachen Gemeinden Sensoren zur Messung der Luftqualität zu installieren, um dadurch besser gegen die Luftverschmutzung vorzugehen und vulnerable Gruppen besser zu schützen.
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Flexible Sensoren sollen Luftwerte messen
Die von der Initiative bereitgestellten Sensoren werden von der kalifornischen Firma Clarity hergestellt und laufen mit Solarenergie. Kompakt sind sie auch: Sie in etwa so groß wie ein Schuhkarton. Dadurch können sie leicht an Laternenpfählen, Ampeln, Dächern oder Orten wie Spielplätzen und Wohngebieten angebracht werden. Die Luftwerte werden dort dann folgendermaßen ermittelt: Die Sensoren sind mit einer Chemikalie beschichtet, die mit Schadstoffpartikeln reagiert. Dabei erzeugen sie einen geringen elektrischen Strom, mit dessen Stärke sich Rückschlüsse auf die Luftverschmutzung ziehen lassen. Die Sensoren bilden laut Fast Company eine Ergänzung zum London Air Quality Network (LAQN), ein Netzwerk von komplexeren und teureren Messstationen, das von einer Umweltforschungsgruppe am Londoner Imperial College betrieben wird.
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Wandel in Kommunalpolitik erhofft
Ohne finanzielle Unterstützung sind die Sensoren mit knapp 2.260 Euro derzeit noch sehr teuer – vor allem für einkommensschwache Gruppen. Breathe stellt daher in den nächsten drei Jahren kostenlos 60 Sensoren zur Verfügung, die von der Wohltätigkeitsorganisation Bloomberg Philanthropies gespendet wurden. Ende dieser Woche sollen laut die ersten zehn Sensoren zugeteilt werden. Dabei sucht die Initiative vorzugsweise nach Gemeinschaftsgruppen, wie Wohnheimverbänden oder Eltern-Lehrer-Vereinigungen. Vor allem aber werden sozioökonomisch benachteiligte Gemeinden angesprochen, in denen die Luftverschmutzung häufiger auftritt, wie die genannten Studien belegen konnten.
Die Initiative erhofft sich durch die Datenerfassung Veränderungen in der Kommunalpolitik zu erreichen. Etwa, dass Behörden neue Schulwege einrichten, den Verkehr reduzieren oder neue Parks anlegen. Teilweise werden die Sensoren bereits mit Kameras ausgestattet, um Trends zwischen Verkehrs- und Verschmutzungsdaten zu ermitteln. Aus Sicht der Forschenden beim London Air Quality Network ist es wichtig, dass die Gemeinden selbst bestimmen, was sie mit den Messergebnissen machen. Damit die Entscheidungen am Ende bei denen liegen, die am meisten betroffen sind.