Wie Non-Profits und Impact-Startups zusammen die Gesellschaft verändern können
Startups und Großunternehmen arbeiten zusammen an Innovationen – das ist mittlerweile ein viel erprobtes Konzept. Weniger etabliert ist hingegen die Partnerschaft von gemeinnützigen Organisationen und Startups, dabei liegt hier ein großes ungehobenes Potenzial, um die Welt ein Stück besser zu machen. Jörg Reschke und Claudia Winkler widmen diesem Bereich in ihrem im Springer Verlag erschienen Buch „Online Fundraising“ ein eigenes Kapitel, das Tech & Nature hier auszugsweise veröffentlichen darf:
Die Digitalisierung im Non Profit Sektor ist ausbaufähig
Die grundsätzliche Bereitschaft zur Implementierung digitaler Technologien im Nonprofit- Sektor in Deutschland, Österreich und der Schweiz scheint durchaus gegeben. In vielen Diskussionen wird deutlich, dass der digitale Wandel als notwendig betrachtet wird, um auf den steigenden Wettbewerbsdruck im Markt zu reagieren und Chancen zur Effizienz und Spendensteigerung zu sichern. Entscheidungsträger im Non-Profit-Sektor stehen jedoch vor den gleichen Herausforderungen wie zahlreiche kleine und mittelständige Betriebe: zum Beispiel die Einhaltung des Datenschutzes und der Erneuerung der IT-Infrastruktur bei geringem Investitionsbudget. Darüber hinaus müssen die Fähigkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Umgang mit digitalen Technologien weiter ausgebaut werden. Das führt zum Teil dazu, dass der Reifegrad der Technologien und deren tatsächliche Anwendung in der Praxis auseinanderklaffen und der NPO Sektor in Punkto Digitalisierung nachhinkt.
COVID brachte Digitalisierungsschub
So ist zum Beispiel der Spendenmarkt in Österreich kaum digitalisiert. Neue österreichische digital-only Lösungen von Startups aber auch von NPOs (sofern vorhanden) konnten sich bis dato noch nicht im großen Stil durchsetzen, auch wenn die COVID Krise dem Sektor einen Digitalisierungsschub gegeben hat. Laut Altruja-Studie 2019 bezeichneten Organisationen das Online-Fundraising als den wichtigsten Spendenkanal der Zukunft. Bei den Spendenerträgen liegen jene aus dem Online-Bereich derzeit jedoch nur im unteren Bereich: Ein Großteil der NPOs (40,65%) gibt an, dass Online-Spenden derzeit 1-4% am Gesamtspendenvolumen ausmachen. 12,3% der Organisationen erreichen bereits ein Volumen von über 16% am Gesamtaufkommen. (Quelle Spendenbericht 2019 Fundraisingverband) Diese Zahl gilt für den gesamten DACH Raum, Expert*innenmeinung zufolge liegt in Österreich der digitale Anteil weit unter dieser Zahl.
Digitale Social Businesses scheitern oft an der Skalierung
Tech-affine Impact Startups verfügen über technologisches Know-How haben aber ein „Kaltstart-Problem“. Sie schaffen es nur mit großen Kosten ihre innovativen Lösungen zu vermarkten und stoßen auf Hürden NPOs als Kommunikationspartner zu gewinnen, da sie die wahren Probleme und Prozesse von NPOs oft nicht kennen. Der Impact von Charity-Tech Startups wie beispielsweise impactory, goood mobile und NPO-eigenen digitalen Lösungen ist in Österreich derzeit noch überschaubar. Die etablierteste digitale Fundraising Innovation in Österreich der letzten 10 Jahre ist aufrunden.at welches laut aktueller Presseaussendung in Kooperation mit der Caritas EUR 1 Mio. Spenden in 7 Jahren generieren konnte. Respekt.net konnte laut Informationen auf der Webseite EUR 2,5 Mio. seit der Gründung erzielen. Die Lösungen wachsen laufend. Generell ist der Erfolg von digitalen Lösungen in Österreich im Vergleich zu den konventionellen Kanälen aber noch sehr überschaubar. Mit Ausnahme von Ecosia, share the meal und der deutschen Plattform Betterplace konnte bis dato kaum eine Lösung Product/Market Fit erreichen und massiv wachsen und damit zu einer gesamtgesellschaftlich wirkenden sozialen Innovation werden.
Kollaboration als Lösung
Aber genau diese skalierenden digitalen sozialen Innovationen brauchen wir in unserer Gesellschaft künftig, um den globalen Herausforderungen wie Klimawandel und steigende Ungleichheit gerecht zu werden.
Die große Frage für viele große und kleine Organisationen ist es, wie es gelingt, Innovationen zuzulassen und zu skalieren, damit ein echter gesellschaftlicher Wandel entstehen kann. Aus unserer Sicht ist ein Schlüssel dazu sektorenübergreifende Kollaboration. Drei Kollaborationsansätze aus dem Bereich digitales Fundraising zeigen, wie diese gelingen kann.
1. Kollaboration bei der Produktentwicklung
Der Schlüssel zu Innovation ist die Überwindung organisatorischer und disziplinärer Grenzen. Innovationen sind in der Regel eher neue Kombinationen oder Hybride aus bestehenden Elementen als tatsächlich völlig neu. Zusammenarbeit und Systemdenken können helfen dabei, neue Ansätze für digitale Impact-Innovationen mit geringerem Aufwand zu realisieren. Das gelingt besser, als wenn sie nur innerhalb der eigenen Organisation entwickelt werden.
Es braucht Mut, aus der eigenen Organisation herauszutreten und Partner zu finden, mit denen gemeinsam an einer nachhaltigeren Zukunft gearbeitet wird. Im Rahmen von Skill-based Corporate Volunteering sind Unternehmen mit digitalem Know-how oft bereit, mit ihrem Fachwissen zu unterstützen. Non-Profit-Organisationen können auch Unterstützer auf die gleiche Weise einbinden. Sie haben gegenüber klassischen Unternehmen den Vorteil, dass sie grundsätzlich über eine recht loyale Unterstützer*innenbasis verfügen, die sich gerne an der Weiterentwicklung der Organisation beteiligen. Diese Unterstützer*innen sind die Zielgruppe, wenn es um Umfragen zur Ideengenerierung oder Feedback zu neuen digitalen Prototypen geht.
Ein oft vernachlässigter Kooperationsansatz sind Partnerschaften mit Social Entrepreneuren aus dem Digitalbereich. Sie sind sehr erfolgsversprechend und werden bereits von ersten führenden Organisationen wie z.B. der Caritas Wien oder SOS Kinderdorf umgesetzt, die aktiv mit Social Businesses zusammenarbeiten. Aber die Kooperation wird meist von Social Businesses getrieben. Die Sachspendenplattformen faimittlerei ist ein Beispiel, wie Innovation für NPOs aus dem Social Business Sektor zugänglich wird. Sie wirbt neuwertige Sachspenden ein und vermittelt sie an gemeinnützige Organisationen. Sie agiert als Schnittstelle zwischen der Industrie und den Organisationen und ist dabei offen für Partnerschaften.
2. Kollaboration im Bereich Transparenz
Menschen wollen unterschiedlich involviert werden. Erfolgreiche Organisationen erkennen das und kommunizieren kleine Dinge, die Menschen in ihrem Leben tun können, um eine Wirkung zu erzielen. Sie helfen Unterstützer*innen, die Wirkungen zu verfolgen, die sie beitragen. Damit machen sie ihre Förderinnen und Förderer zu Botschaftern der guten Sache und stärken zugleich die Bindung an die Non-Proft-Organisation. Der Trend zu mehr Involvierung erklärt auch die zunehmende Beliebtheit von Peer-o-Peer-Spendenaktionen.
Fehlende Transparenz und Nachvollziehbarkeit ist eine große Barriere für Unterstützer*innen sozialer Organisationen. Bis dato war das Herstellen von Transparenz aufwändig und teuer für NPOS. Neue Technologien eröffnen neue Möglichkeiten, so liegt z.B. das größte Potential der Blockchain-Technologie im NPO Fundraising-Bereich in der Chance, Vertrauen in die Verwendung von Spenden aufzubauen und damit mehr Spender*innen anzusprechen. Dank der Blockchain-Technologie können Spender*innen den Weg ihrer Spende immer einwandfrei nachvollziehen. Ein bekanntes Beispiel aus Österreich ist das Projekt Token4Hope. Entwickelt wurde das System vom Startup Collective Energy gemeinsam mit dem Wiener Hilfswerk. Es handelt sich um ein bargeldloses, transparentes und manipulationssicheres Spendensystem mit anonymisierten Daten auf Basis der Blockchain. Das System bringt Spender*innen und Empfänger*innen näher zusammen und kann künftig Peer-to-Peer, also direkte, Transaktionen möglich machen.
3. Kollaboration im Bereich „nachhaltiger Konsum“
Niemand wird bezweifeln, dass wir in einer Zeit des Umbruchs leben. Der Klimawandel erfordert ein deutliches Umdenken hinsichtlich unseres Konsumverhaltens, die fortschreitende Digitalisierung verändert nicht nur die Arbeitswelt, sondern bestimmt gleichermaßen das Kaufverhalten ganzer Generationen. Die Bedeutung der sozialen Medien insbesondere für die jüngere Generation, hat das Informationsverhalten grundsätzlich verändert und macht diese Zielgruppe für klassische Kommunikationskanäle wie Tageszeitung TV-Nachrichten enorm schwer erreichbar.
Es entstehen neue Wirtschaftsmodelle, in denen eine immer größere Gruppe von Menschen Gemeinschaft und Nachhaltigkeit vor schnellem Wachstum priorisieren. So geben laut einer Studie von Polycore und Spiegel 89 % der Befragten an, künftig nachhaltiger leben zu wollen. Konzepte der Kreislaufwirtschaft boomen: lokaler, ökologischer Landbau, Crowdfarming und ähnliche.
Angebote von Purpose-Unternehmen, die ihre Produkte auch auf soziales Engagement ausrichten, sind stark im Kommen. Ein Beispiel hierfür ist das Unternehmen Share. Mit dem Kauf eines Produkts dieser Marke in Partner-Supermärkten wie REWE und DM hilft man einem Menschen in Not: Jeder Bio-Nussriegel spendet eine Portion Essen, jede Handseife spendet ein Stück Seife und jede Flasche Wasser spendet einen Tag Trinkwasser. Wesentlich hierbei ist, dass die Produkte ungefähr gleich teuer sind wie vergleichbare Produkte. Angebote von Purpose-Unternehmen sind mittlerweile in vielen Branchen zu finden: Vom Erlös der Glasfaschen von Soulbottle wird ebenso ein Euro an Wasserprojekte gespendet wie bei Viva con agua. Der soziale Mobilfunkanbieter goood mobile geht ähnliche Wege in der Mobilfunkbranche, indem zehn Prozent der monatlichen Grundgebühr an eine Non-Profit-Organisation gespendet wird, die der Kunde bzw. die Kundin individuell auswählt.
Soziale Projekte und Non-Proft-Organisationen können diesen wirtschaftlichen Wandel als Chance begreifen. Sie können entweder selbst mit sozialen Produkten ihr Portfolio durch nicht rein altruistische Angebote diversifizieren, oder mit Unternehmen zusammenarbeiten, die hier mit gleichen Werten aktiv sind.
Gemeinsam verändern
Die große Angst vieler etablierter NPO Organisationen ist, dass Digitalisierungsprojekte zu groß und kostspielig für die Organisation sind. Aus Angst, dass der Aufwand zu groß ist und man scheitern könnte, bleiben einige Organisationen auf der sicheren Seite und machen nur das absolute Minimum. Allerdings stehen NPOs unter Druck da sie anderen Organisationen in puncto Digitalisierung nachstehen. Der Aufbau von technischem Know-how und Interesse an digitalen Trends ist eine wichtige Voraussetzung für etablierte Organisationen, um langfristig weiter bestehen zu können. Digitale Angebote müssen laufend adaptiert und optimiert werden.
Allerdings sind hierfür ein digitales Grundverständnis und ein agiler Managementstil nötig, welche in vielen Non-Proft-Organisationen und sozialen Projekten oft erst noch aufgebaut werden muss. Der Kampf um digitale Talente im Arbeitsmarkt ist groß und es ist höchste Zeit für Non-Proft-Organisationen sich in diesem Feld zu positionieren. Das Management von Innovationen ist kein Einmalaufwand. Digitalisierung, das Testen von Prototypen und ständige Optimierung der Maßnahmen sind das neue Tagesgeschäft auch für NPOs, die hier allerdings oft an ihre Grenzen stoßen.
Die Social Business Community ist im Kern ihrer Mission auf Zusammenarbeit ausgerichtet und kann in Kooperation mit etablierten Organisationen digitale soziale Innovationen testen und einführen. Das bietet NPOs Chancen für Innovationen, die innerhalb bestehender Organisationsstrukturen aufgrund von fehlenden digitalen Know-how oft nicht selbst durchgeführt werden können und Social Businesses die Möglichkeit ihre digitalen Ansätze in Kooperation mit etablierten Organsiationen leichter zu skalieren. Die Social Entrepreneurship Netzwerke SEND in Deutschland, SENA in Österreich und CooperativeSuisse sind Anlaufstellen, um ein Gefühl für die Möglichkeiten des Sektors zu bekommen.
Dieser Beitrag enthält Auszüge aus dem Anfang Dez 2020 im Springer Verlag erschienen Buch „Onlinefundraising- Wie Sie soziale Projekte und Organisationen erfolgreich finanzieren“ (Hrsg Jörg Reschke). Umfassende Infos zum Buch hier: https://www.digitales-fundraising.de/
Über die Autorinnen:
Jörg Reschke und Claudia Winkler sind Co-Autoren des kürzlich im Springer Verlag erschienenen Buches Online-Fundraising. Sie sind leidenschaftliche digital-soziale Innovatoren und Entrepreneure. Sie tragen mit ihren vielfältigen Projekten wie goood mobile oder good deeeds im DACH Raum zu einer nachhaltigeren Welt bei. Beide sind sehr interessiert an Austausch und Kollaboration.