Wie Wien die Stadtbäume klimaresilienter machen will
Bereits in der Vergangenheit konnte sich die Stadt Wien einige Titel sichern, welche sie als „lebenswerteste“ und „grünste“ Stadt der Welt auszeichneten. Das hängt wesentlich mit dem hohen Grünraumanteil in der Stadt zusammen: rund 53 Prozent machen Wien, laut der kanadisch-amerikanische Consulting-Agentur Resonance, zur grünsten Stadt der Welt.
Auch wenn es in den letzten Monaten rund um geplante Straßenbauprojekte der Stadt einiges an Kritik regnete, will diese in anderen Projekten den Grünraumanteil noch erhöhen. Bereits im Jänner 2021 betonte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bei einem Mediengespräch im Rathaus, dass Wien zur „Klimamusterstadt“ werden soll. Geplant sind dafür unteranderem im Stadtentwicklungsplan STEP 2035 25.000 neue Bäume und 400.000 Quadratmeter an Parkanlagen.
Ein kleiner Anteil wurde nun heuer umgesetzt. Im Jahr 2021 wurden rund 4.500 Bäume neu gepflanzt, 2.000 davon in den vergangenen Herbstmonaten, so die Stadt Wien.
Wien erhält „Europäischen Stadtpreis“
Dafür konnte sich die Stadt heuer nun eine neue Auszeichnung sichern. Im Oktober 2021 wurden die Wiener Stadtgärten vom European Arboricultural Council (EAC) mit dem Europäischen Stadtbaumpreis 2021 (European City of the Trees – ECOT) ausgezeichnet. „Hier reiht sich Wien uneingeschränkt in die Riege der jüngsten ECOT-Preisträger von 2018 (Apeldoorn) und 2019 (Moskau) ein“, erklärte Jan Goevert, Vorsitzender der ECOT-Arbeitsgruppe im EAC.
„Bäume erfüllen wichtige Funktionen für das Stadtklima. Sie binden Feinstaub und CO2, geben lebenswichtigen Sauerstoff ab und sie kühlen die Umgebung deutlich ab, was angesichts der steigenden Temperaturen und immer häufiger werdenden Hitzetage besonders wichtig für die Wienerinnen und Wiener ist“, so Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky in einer Mitteilung. Gerade auch um vulnerable Gesellschaftsgruppen, vor den negativen Folgen des Klimawandels bestmöglich zu schützen, sei es laut Czernohorszky wichtig, Abkühlungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum zu schaffen.
Erstmals Schwammstadt-Prinzip „im großen Stil“
Die Stadt Wien fördert daher eine Reihe von Maßnahmen, um die Stadtbäume nachhaltig gesünder und “klimafitter” zu machen. Helfen soll dabei das „Schwammstadt-Prinzip“, so die Stadt. Dabei wird den Bäumen mehr Platz für den Wurzelraum unter den Straßen gegeben– also auch unter Fahrbahnen, Parkplätzen, Gehwegen. Um mehr Wasser und Luft für die Baumwurzeln zu lassen, werden unterhalb der befestigten Oberflächen im Straßenraum Schotterkörper geschaffen. Dadurch stehen die Bäume wie üblich in ihren Baumscheiben, haben aber direkten Kontakt zu den lockeren Schotterkörpern und können diese durchwurzeln. Das anfallende Oberflächenwasser wird über z. B. über Absetzbecken gefiltert und in den Schwammkörper geleitet, wo es dann verteilt wird. Regenwasser kann so gespeichert und zurückgehalten werden, sodass es den Bäumen länger zur Verfügung steht. So leistet das Schwammstadt-Prinzip einen Beitrag zur Annäherung an natürliche und lokale Wasserkreisläufe.
In der Seestadt Aspern und anderen Bezirken wie Neubau oder Währing wird das Schwammstadt-Prinzip bereits eingesetzt. Nun soll es jedoch in Wien erstmals in einem noch größeren Stil genutzt werden, so verkündet die Stadt.
Anpassung der Stadtbäume
Darüber hinaus werden weitere Maßnahmen gesucht, um die Anpassungsfähigkeit der Stadtbäume an die sich wandelnde Klimabedingungen zu verbessern. Deshalb entwickelten die Wiener Stadtgärten – gemeinsam mit Wissenschaftler:innen – ein spezielles Baumsubstrat, so die Stadt. Das patentierte Substrat bestehe aus organischen und mineralischen Substanzen, die eine verbesserte Wasserspeicherfähigkeit und gute Durchlüftung garantieren sollen. Die verwendeten Materialien kommen aus Wien oder der näheren Umgebung. Rund 20.000 m³ Substrat wurden 2021 bereits, laut Angaben der Stadtgärten, in Eigenproduktion hergestellt und bei jeder Jungbaumpflanzung eingesetzt.
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Bis zu 11 Grad kühler
Die Wichtigkeit solcher Stadtbäume wurde in diesem Jahr mehrmals durch Studien bewiesen. Eine im Februar in der Zeitschrift Scientific Reports veröffentlichte Studie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Universität Leipzig (UL) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena, zeigte auf, dass Straßenbäume das Depressionsrisiko von Stadtbewohner:innen senken können, wir berichteten.
Weiterhin sind sie natürlich auch ein wichtiger Faktor im Kampf gegen Luftverschmutzungen und Hitzeoasen in den Städten. Letzteres zeigt auch eine aktuell im Fachjournal „Nature Communication“ veröffentliche Studie der ETH Zürich auf. Das Forschungsteam um Jonas Schwaab wertete die von Satelliten gemessene Oberflächentemperatur in 293 europäischen Städten aus. Dabei verglichen sie die Oberflächentemperaturen von Grünzonen mit Bäumen, mit Grünzonen ohne Bäume und bebaute Areale. Mit dem Ergebnis: An den städtischen Arealen, an welchen Bäume wachsen, ist die Bodentemperatur deutlich kühler.
Weniger Hitze: Bäume senken Bodentemperatur in Städten deutlich
Am Beispiel der österreichischen Hauptstadt wurde diese Differenz sogar in Zahlen ausgedrückt: In Wien sind Gebiete mit Bäumen im Sommer im Durchschnitt um 5,5 Grad Celsius kühler als baumlose Grünflächen und im Vergleich zu bebauten Flächen sind sie sogar um elf Grad Celsius kühler. Dass dieser Effekt dann auch bei den Städtern ankommt, ist damit aber nicht bewiesen, so der Forschungsleitende Schab gegenüber der apa: „Es ist mir allerdings wichtig zu sagen, dass es sich hier um Oberflächentemperaturen handelt, die aus Satellitendaten abgeleitet sind. Die Temperaturunterschiede in der Luft, zum Beispiel in zwei Metern Höhe, wären sehr viel weniger groß.“