Zukunft auf Rädern: Wien zwischen Elektroautos, Seilbahnen und Supergrätzln
Welche Verkehrsmittel haben in der Stadt Zukunftspotenzial? Werfen wir einen Blick auf Wien in Bezug auf Elektromobilität und grüne Wohnviertel. Während sich manche eine komplett autofreie Stadt wünschen, sehen andere in der E-Mobilität und im Ausbau der öffentlichen Infrastruktur die große Zukunft.
Dieser Artikel stammt aus unserem Magazin „Unter Strom 2023“ mit Schwerpunkt auf E-Mobilität. Das rund 70-seitige Magazin steht hier kostenlos zum Download parat.
Text: Julia Gerber, Fotos: David Visnjic
Elektromobilität, Angebote für die ‚letzte Meile‘, Car-Sharing oder Öffis: Welche Verkehrsmittel in Wien in Zukunft wichtig bleiben und werden, ist Gegenstand zahlreicher Diskussionen. „E-Autos sind nicht die Lösung“, davon ist etwa Dieter Schmidradler, Obmann der Plattform verkehrswende.at, überzeugt. Mehr einspurige Fahrzeuge und Supergrätzl sollen stattdessen her. Noch besitzt Wien nur ein Supergrätzl, aber das darf laut der Verkehrswissenschaftlerin Barbara Laa nicht so bleiben. Denn in Wien könnte aufgrund der steigenden Bewohner: innenanzahl der Platz ausgehen. Laa möchte die ganze Stadt deshalb in Zonen einteilen, um an geeigneten Orten Supergrätzl und damit Verkehrsberuhigung entstehen zu lassen – am liebsten über Nacht. Die Stadt Wien plant große Veränderungen im Mobilitätsbereich, lässt uns Ulli Sima, die amtsführende Stadträtin für Innovation, Stadtplanung und Mobilität, wissen. Aber ist das ausreichend und werden diese auch schnell genug umgesetzt?
Während die einen von einer autofreien Stadt träumen, sehen andere in der E-Mobilität und im Ausbau der öffentlichen Infrastruktur die große Zukunft. Die Meinungen und Standpunkte zum Verkehr in Wien sind genauso vielfältig wie seine Bewohner:innen. In welche Richtung soll sich unser Mobilitätsverhalten in den nächsten Jahren bewegen? Inwiefern ist E-Mobilität schon jetzt ein wertvoller Bestandteil unseres Alltags und an welchen internationalen Vorbildern sollten wir uns anlehnen? Über das Potenzial von E-Mobilität in Wien sprechen hier Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Die Wiener Mobilitätsstadträtin Ulli Sima, Verkehrswissenschaftlerin Barbara Laa und verkehrswende.at-Obmann Dieter Schmidradler erzählen, wo sich die Verkehrswende in Österreich hinbewegt. Daniela Wieser, Head of Multimodal Mobility bei den Wiener Linien, liefert Fakten und Zahlen zur richtigen Einordnung.
E-Sharingangebote liegen im Trend
Das Mobilitätsverhalten der Wiener:innen zeigt: Sie sind multimodal unterwegs. „Die Stadtbewohner:innen nutzen die Öffis, gehen zu Fuß, fahren mit dem Fahrrad oder mit Sharing Fahrzeugen“, so Daniela Wieser von den Wiener Linien. Schon heute sind dies 74 Prozent der Wiener:innen, ergänzt das Planungs- und Mobilitätsressort der Stadt Wien unter Ulli Sima. Wieser erwähnt den restlichen Personenanteil, der weiterhin den privaten Pkw nutzt. Im Bundesländervergleich gehen laut dem Verkehrsclub Österreich (VCÖ) allerdings am wenigsten Kilometer auf das Konto der Hauptstadt. Der Car- und Bikesharing-Trend habe sich jedoch in den letzten Jahren verstärkt. Grund dafür seien einerseits Nachhaltigkeitsfaktoren, andererseits ist der Besitz eines Fahrzeuges auch mit hohen Kosten verbunden, die sich nicht jede:r leisten will oder kann.
Als Head of Multimodal Mobility erzählt Wieser: „Die Wiener Linien möchten den Menschen mit dem Bike- und E-Carsharing ‚mobile Freiheit‘ ermöglichen. Gleichzeitig setzen wir auf umweltbewusste Mobilität.“ Dafür gibt es das E-Carsharing Angebot ‚WienMobil Auto‘, das seit September 2022 auf den Straßen nutzbar ist. Fahrer:innen können sich vom Kleinwagen bis zum Transporter unterschiedliche Fahrzeugtypen ausborgen. „Der Service wurde von Beginn an viel besser angenommen, als wir erwartet haben. Beim Carsharing hat das Angebot die Nachfrage geschaffen“, erzählt Wieser. Typischerweise seien die Nutzer:innen von Sharing-Formen zwischen 25-35 Jahre alt und tendenziell eher männlich. „Bis dato verzeichnen wir mehr als 50.000 Buchungen. Das sind durchschnittlich rund zwei Fahrzeugausleihen pro Tag.“ Nach Angaben des VCÖ gibt es österreichweit derzeit mehr als 100.000 Carsharing-Haushalte, das Potenzial sei aber um ein Vielfaches höher.
Geht der Platz in Wien aus?
In diesem Punkt sind sich Politik, Wissenschaft und zivilgesellschaftliche Vertreter:innen einig: In der Stadt ist immer weniger Platz verfügbar, die Bevölkerung wächst aber weiter. Deshalb muss Wien so gestaltet werden, dass in Zukunft ein klimagerechtes und sozial nachhaltiges Leben für alle Verkehrsteilnehmer:innen funktionieren kann. Für die Verkehrswissenschaftlerin Laa von der TU Wien, die als Österreicherin des Jahres nominiert ist, ist E-Mobilität ein wichtiger Baustein der Zukunft. Sie sieht großes Potenzial in Pedelecs, vor allem, wenn es um das Bewältigen von weiten Strecken oder steileren Straßen geht. B
ei Pedelecs handelt es sich um Fahrräder mit elektrischer Unterstützung, bei denen der Motor die Tretkraft verstärkt. Auch E-Autos werden laut ihr stärker gefragt sein, wobei das Thema ‚Auto‘ sowohl aus wissenschaftlicher Perspektive als auch aus Sicht des verkehrswende.at-Obmanns Schmidradler ein heikles ist. Denn was es braucht, und davon sind beide Parteien überzeugt, ist eine dringende Flächenumverteilung. „Wir müssen anders mit unserem öffentlichen Raum umgehen, um eine Umverteilung kommen wir nicht herum. Viele Parkplätze, auf denen Autos 23 Stunden oder länger parken, verbrauchen wertvollen Raum“, so die Expertin. Auch fahrende Autos sind im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln relativ ineffizient in Bezug auf den Flächenverbrauch.
Auf der Vernetzungsplattform verkehrswende.at sind verschiedenste Verkehrsinitiativen für ganz Österreich gelistet. Das Ziel ist, jede einzelne Initiative nach bestem Wissen und Gewissen zu stärken, um die Verkehrswende herbeizuführen. „Wenn man fragt, welche Initiative die dringlichste ist, dann wäre das genauso, wie wenn man wissen möchte, welches Insekt auf keinen Fall aussterben darf“, sagt Schmidradler. Für den Obmann geht es dabei besonders um den Zusammenhalt zwischen Gesellschaft und Politik. Es seien auch sehr viele Politiker:innen privat bei diversen Initiativen engagiert. „Wir wissen doch, der Verkehrssektor ist einer der brennendsten Punkte, wo wir den größten Hebel haben, um im Umwelt- und Klimaschutz voranzukommen“, so Schmidradler.
Neue (einspurige) Wege im Stadtverkehr
Schmidradler wünscht sich eine weitgehend autofreie Stadt. Er sieht E-Autos nicht als Lösung, da man den motorisierten Individualverkehr sowieso zurückfahren müsse. „Das Auto an sich ist das Problem, nicht nur der Verbrenner“, sagt er. Dieser habe einen ganz verheerenden Wirkungsgrad und müsse abgeschafft werden. Das Elektroauto als Lösung zu verkaufen, sei nur eine Augenauswischerei. Er weist auf das Mikroplastik hin, dass aus dem Reifenabrieb entsteht und ein großes Gesundheitsproblem für die Menschen darstellt. Die Partikel gelangen nicht nur direkt, sondern auch über den indirekten Weg der Nahrungsmittelaufnahme und in der Nahrungsmittelproduktion in unsere Körper.
Um den ersten Schritt in Richtung umwelt- und klimafreundlicherer Mobilität zu gehen, bedarf es einer drastischen Verringerung des Autoverkehrs. Es bringe nichts, nur darüber nachzudenken, wie man die gleichen Mobilitätsbedürfnisse erfüllen kann. Auch Wieser von den Wiener Linien betont, wie wichtig es bis 2050 für die Stadt sein wird, den Individualverkehr weiter einzuschränken und neue nachhaltige Lösungen anzubieten.
„Eine große Hoffnung setze ich in einspurige E-Fahrzeuge, zum Beispiel Pedelecs. Die sind ideal für Menschen, denen es schwerfällt, aufs Fahrrad umzusteigen aber gleichzeitig bereit sind, ein bisschen umweltfreundlicher unterwegs zu sein“, fährt Schmidradler fort. Ein elektrisch angetriebenes Fahrzeug mit nur zwei Rädern ist lärmfrei, verursacht weniger Staus und ist damit wesentlich verträglicher für den Straßenverkehr als ein Auto. Entsprechend müssen die Wege für einspurige Fahrzeuge aufgewertet werden.
Wieser von den Wiener Linien ergänzt die vielen Möglichkeiten, die der automatisierte Verkehr mit sich bringen wird. Ab 2026 sollen X-Wagen erstmalig in Wien als völlig autonome Verkehrsmittel ohne Fahrer:in auf der U-Bahnlinie U5 eingesetzt werden.
Die Straßenbahn und ihr Schienenbonus
Für den Obmann des Vereins Verkehrswende bedeutet eine zukunftsfähige E-Mobilität, auch den schienengebundenen Verkehr zu priorisieren. Laa stimmt dem zu. Auch sie findet, man sollte stärker auf Straßenbahnen setzen. Diese sind im Vergleich zur U-Bahn kosten- und ressourcenschonender, da sie sich an der Oberfläche bewegen. Weder gibt es Höhenunterschiede zu überwinden, noch fallen teure Tunnelgrabungen an. Die Stationsabstände sind kürzer, was bedeutet, es kann ein engmaschigeres Netz geschaffen werden.
Laut Laa wird bei Bussen momentan noch herumexperimentiert, indem man die Verbrenner auf elektrischen oder Wasserstoffantrieb umrüstet. „Die Straßenbahn ist sowieso elektrisch und wir sprechen auch von einem sogenannten Schienenbonus. In der Nutzung vom öffentlichen Verkehr sehen wir, dass schienengebundene Verkehrssysteme wie die Straßenbahn und die U-Bahn attraktiver sind, als es bei Bussen der Fall ist“, so Laa. Zudem nutzen mehr Menschen Straßenbahn- als Busstationen und erstere können im Vergleich zum Bus auch eine höhere Anzahl an Personen transportieren. Wien verfügt über eines der weltweit größten Straßenbahnnetze. Ganz ohne Busse kommt die Stadt jedoch nicht aus. Bis Ende 2025 sollen laut Wiener Linien 60 E-Busse auf neun Linien unterwegs sein.
Problemmacher E-Ladestation
Auch für die Mobilitätsstadträtin Ulli Sima spielt die E-Mobilität eine zentrale Rolle. Sie berichtet vom laufenden Ausbau der E-Ladestellen in Wien. „Nach der planmäßigen Errichtung von 1.000 öffentlichen E-Ladestellen im Auftrag der Stadt Wien nimmt Wien Energie noch dieses Jahr die zwei ersten öffentlichen Schnellladeparks in Betrieb.“ Bis Ende 2024 sollen weitere 200 öffentliche Ladestellen errichtet werden, um den Anforderungen an die steigende Anzahl der E-Autos in Wien gerecht werden.
Die Verkehrswissenschaftlerin Laa findet allerdings, dass öffentliche E-Ladestellen der Stadt erst recht wieder wertvolle Fläche stehlen. „Im Punkt E-Mobilität bin ich der Meinung, dass Ladepunkte nur in Ausnahmefällen im öffentlichen Raum zu finden sein sollten. Mir ist klar, dass es eine massive Aufrüstung der Ladestationen braucht, aber die muss in privaten Garagen umgesetzt werden.“ Man sehe oft, dass E-Tankstellen auf den Gehsteig gesetzt werden und das schränke den Verkehrsraum von Fußgänger:innen ein. Hier entsteht ein Zielkonflikt für Laa: „Einerseits soll nachhaltige Mobilität gefördert werden, andererseits ist der Fußverkehr ein genauso wichtiger Bestandteil. E-Carsharing ja, aber Ladestationen müssen in Kombination mit Parkplatzmöglichkeiten ganzheitlich gedacht werden.“
XL-Bäume, andere Pflanzen und die Seestadt
Die Verkehrsexpertin der TU Wien weiß, ein Großteil der Stadt wurde geplant und umgesetzt, als das Thema Begrünung noch nicht so weit oben auf der Agenda war. Zwar hat man gewisse Stadtteile im Nachgang „grüner gemacht“, aber da sei noch Luft nach oben. Sie sagt außerdem: „Viele Bäume sind noch jung und müssen erst heranwachsen.“ Um dieses Problem zu lösen, möchte Ulli Sima XL-Bäume „in vielen Stadtteilen“ pflanzen. Das sind über 20 Jahre alte Bäume, die gleich von Anfang an Schatten spenden sollen. Laa erzählt weiter, wie groß der Kühlungseffekt von Bäumen im Straßenraum ist und wie wichtig auch andere Arten der Verschattung sind. „Asphalt-und Betonflächen müssen weiterhin aufgebrochen werden. Wenn nicht genügend Wurzelraum für Bäume vorhanden ist, sollte man auf niedrigere Pflanzen setzen, die dann auf Fassaden raufklettern können.“ Laut der Mobilitätsstadträtin Sima fördere die Stadt Wien Fassadenbegrünung bei privaten Bauträgern.
Schmidradler formuliert es noch etwas radikale. Sie sagt: „Bevor wir jetzt unsere gesamte Hoffnung in E-Mobilität legen, sollten wir zuerst mehr Bäume pflanzen. Jeder Baum, der in die Stadt gestellt wird, ist wie eine lebendige Klimaanlage. Wenn es gelingt, mehr Grünraum zu schaffen, den die Menschen zum Wohlfühlen brauchen und auch wieder ein paar Tiere als Teil des Ganzen leben zu lassen, dann ist das ein riesengroßer Schlüssel zur Steigerung der Lebensqualität.“
Apropos Seestadt, sagt Laa: „Was die in Hochtrassen geführte U-Bahn in der Seestadt Aspern betrifft, gab es am Anfang kritische Stimmen. Jetzt freuen sich alle über den Schatten und die Kühle darunter.“ Für Ulli Sima ist das Seeparkquartier nach ihren Nachbesserungen in der Fußgängerzone nun ein „begrüntes Klimaparadies“ mit XL-Bäumen, Stauden- und Gräserbeeten und kühlenden Wasserspielen. Die Platzgestaltung stammt aus der Ära der Grünen Vorgänger:innen im Planungsressort. Die ehemalige Ressortverantwortliche Maria Vassilakou sagt dazu nichts. Sie kommentiere keine Handlungen, Entscheidungen oder Statements ihrer Nachfolger:innen.
Ulli Sima versichert: „Die Initiativen ,Raus aus dem Asphalt‘ haben hohe Priorität.“ Dabei sollen in der Stadt Plätze und Straßenzüge entsiegelt und begrünt – und damit Hitzeinseln beseitigt werden. Als Beispiele für „die klimafitten Umgestaltungsmaßnahmen“ nennt sie den Praterstern, die Thaliastraße und die Reinprechtsdorfer Straße. Ihre Ziele nennt sie beim Namen: Überall viel Begrünung, Bäume, Cooling-Maßnahmen für eine hohe Aufenthaltsqualität.
Auch Seilbahnen sind elektrisch
Zur Kategorie Elektromobilität gehören auch Seilbahnen. Die für 2025 geplante Kahlenberger Seilbahn wird von den Projektinitiatoren als öffentliches Verkehrsmittel und Tourismusattraktion beschrieben. Die Seilbahnstrecke soll von Heiligenstadt über die Donauinsel nach Jedlesee, weiter nach Strebersdorf und von dort auf den Kahlenberg führen.
Für verkehrswende.at-Obmann Schmidradler ist eine Seilbahn am geplanten Standort kein massentaugliches Verkehrsmittel. „Das soll mir mal einer vorrechnen.“ Ihm stellt sich die Frage, „wem das wirklich dient, wenn man zwei Punkte auf gegenüberliegenden Donauufer Seiten miteinander verbindet“. Er betont die Zerstörung des Landschaftsbildes und die privatwirtschaftlichen Interessen, die in seinen Augen der Hauptgrund für die Konstruktion der Seilbahn sind. Auch für Laa ist der Nutzen für die Gesamtgesellschaft nicht erkennbar. „Die Seilbahn kann als touristisches Projekt Sinn machen. Aus der verkehrsplanerischen Sicht ist das Projekt jedoch weder notwendig noch besonders interessant für die Stadt.“ Laa findet, wenn Straßen vorhanden sind, soll besser ein Bus auf den Berg fahren. Seilbahnen im urbanen Verkehrssystem machen dort Sinn, wo aufgrund von geografischen Gegebenheiten große Höhenunterschied zu überwinden sind – in Südamerika gäbe es gute Anwendungsfälle. Dennoch: Die Seilbahnbetreiber streben eine Integration in das Tarifsystem der Wiener Linien und das VOR-Ticketsystem an.
Städteplanung nach Vorbild Barcelona und Paris
Laa findet das, was Paris geschafft hat, sehr beeindruckend. Sie spricht von der Herangehensweise, wie schnell neue Verkehrsordnungen im ganzen Stadtgebiet umgesetzt wurden. „In Wien haben wir zum Beispiel das Pilotprojekt ‚temporäres Fahrverbot‘ vor ein paar Schulen eingeführt. Doch Paris hat während Covid von heute auf morgen einen autofreien Bereich vor allen Schulen angeordnet.“ Vorerst war das eine Maßnahme auf Probe, aber dann wurde alles nach diesem Muster umgebaut. Das Beispiel zeige, wie schnell es gehen kann, wenn man nur will. „Diese Radikalität und Schnelligkeit in der Umplanung der Stadt und sie ganzheitlich zu denken, fehlt mir in Wien“, so die Verkehrsexpertin.
Ulli Sima plant mehr „grüne Wohnviertel“ für Wien. Ihr Ressort arbeitet gerade an Wiens erstem Supergrätzl. Vorbild dafür sind die ‚Superblocks‘ in Barcelona. Supergrätzl sind definierte, abgrenzbare Gebiete in der Stadt, die aus einem verkehrsberuhigten Kern bestehen und sich durch eine hohe Aufenthaltsqualität auszeichnen. Gleichzeitig will man in diesen Grätzeln den Fuß- und Radverkehr fördern und den öffentlichen Verkehr an den Außenkanten optimieren. Die Umbauarbeiten für das erste ‚Supergrätzl Favoriten‘ sollen bis zum 1. Quartal 2025 abgeschlossen sein. Die ersten Versuche mit Bodenmarkierungen zur Kennzeichnung des gesperrten Bereichs waren eher ernüchternd.
Die Verkehrswissenschaftlerin Laa hält die Idee der Supergrätzl dennoch für eine gute Lösung, die sich auch in Wiener Gründerzeitvierteln umsetzen lässt. Man müsste sagen: „Das ist Wien und wir teilen die ganze Stadt in Blöcke ein, die verkehrsorganisatorisch Sinn ergeben“, so Laa. Die Wissenschaftlerin wünscht sich ein schnelles Ausrollen für eine baldige flächendeckende Verkehrsberuhigung. Diagonalsperren auf bestimmten Straßen würden sich ausgesprochen eignen, zum Beispiel durch große Blumentöpfe oder wie im ‚Supergrätzl Favoriten‘ durch die recycelten Mistkübel von der Donauinsel. Praktisch sei außerdem: „Es müsste dafür nicht jede Straße aufgerissen werden.“
Wie man sieht, haben Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft jeweils ihre eigenen Vorstellungen in puncto Verkehrswende. Fest steht, die verfügbare Fläche in der Stadt ist begrenzt, während die Bevölkerung weiterhin wächst. E-Mobilität gewinnt zweifellos an Bedeutung, doch allein kann auch sie nicht alle Herausforderungen bewältigen. •
Dieser Artikel stammt aus unserem Magazin „Unter Strom 2023“ mit Schwerpunkt auf E-Mobilität. Das rund 70-seitige Magazin steht hier kostenlos zum Download parat.