In Österreich erzeugen Erdäpfel-Felder jetzt Ökostrom
Große Photovoltaik-Anlagen in freier Landschaft sorgen oft für Kritik, da diese Freiflächen dann für anderwertige Nutzung nicht mehr zur Verfügung stehen. Für Landwirtschaft zum Beispiel. Warum also nicht kombinieren? In Österreich ist Ende Oktober nun ein Pilotprojekt gestartet: Ein Erdäpfel-Acker in Guntramsdorf erzeugt nun Strom.
Positiver Effekt auf Ernte möglich
60 Sonnenstrom-Module stehen in Zweierreihe und liefern eine Leistung von rund 22,5 Kilowattpeak. Wien Energie rechnet mit einer Erzeugung von rund 23.300 kWh pro Jahr, womit rund 50 Haushalte versorgt werden könnten. Die landwirtschaftliche Leistung des Ackers wird dabei kaum geschmälert. Ein Forschungsprojekt in Deutschland, in Heggelbach am Bodensee, ergab vor einem Jahr, dass die Erträge bei mehr als 80 Prozent der Ernte lagen.
Teilweise gab es sogar einen deutlich positiven Effekt. Im trockenen Hitzesommer 2018 profitierten die Sonnenstrom-Acker von der teilweisen Verschattung durch die Module, da dort der Boden weniger schnell austrocknete. Das Ergebnis des zweijährigen Projekts: Rechnet man Ernte und Solarstrom zusammen, lag die „Landnutzungseffizienz“ sogar bei 186 Prozent.
BOKU als Forschungspartner
In Guntramsdorf wird das Projekt von der Universität für Bodenkultur (BOKU) begleitet, die im Frühjahr 2020 detaillierte Ergebnisse präsentieren will. Erste Ergebnisse zeigen laut den Forschern aber bereits, „dass der CO2-Einsparungseffekt hoch ist, wenn vertikale, zweiseitige Photovoltaik-Module auf einem Kartoffelacker zum Einsatz kommen“.
Im Unterschied zu herkömmlichen Freiflächen-Anlagen, werden bei Agrar-Photovoltaik-Anlagen die Module senkrecht angeordnet und nicht schräg Richtung Süden. Die senkrechten Module in West-Ost-Ausrichtung können auf Vorder- und Rückseite Strom erzeugen, was laut Wien Energie einen besonders hohen Ertrag sichert.
Feldversuch soll Schule machen
„Mit diesem Pilotprojekt können wir die vielseitigen positiven Effekte in der Praxis für den Landwirtschaftsstandort Österreich erstmalig veranschaulichen“, sagt Wien-Energie-Geschäftsführer Karl Gruber. „Unser Feldversuch wird Nachahmer finden. Wir haben bereits weitere Agrar-Photovoltaikanlagen in Planung, um die Agrar-Solar-Kopplung in Österreich Schritt für Schritt zu etablieren.“
In Guntramsdorf betreibt Wien Energie auf rund 50.000 Quadratmetern eine der größten Freiflächen-Solaranlagen Österreichs. Rund 1.390 Haushalte können dadurch mit Ökostrom versorgt werden. „Heute zeigen wir mit der innovativen Erweiterung dieser Anlage, dass sich die traditionelle Landwirtschaft und ausgeklügelte Energieerzeugungsformen nicht ausschließen. Im Gegenteil: Die Landwirte profitieren nun nicht nur von der Nahrungsmittel-, sondern auch von der Stromernte“, meint Bürgermeister Robert Weber.
Freiflächen-Photovoltaik in Österreich
Neben Wien Energie setzt auch der Verbund auf ungenutzte Freiflächen zur Sonnenstromerzeugung. Heuer wurden an den OMV-Standorten Schönkirchen und Neusiedl an der Zaya auf einer Gesamtfläche von 200.000 Quadratmetern (!) 60.000 Photovoltaikmodule aufgestellt. Damit könnten bis zu 5.500 Haushalte versorgt werden.
Mit 160 Kilowattpeak ist die Anlage von Verbund und OMV im internationalen Vergleich aber nach wie vor klein. Bereits 2011 hat im deutschen Brandenburg ein Solarkomplex mit einer Leistung von 166 MWp den Betrieb aufgenommen. Dass es hierzulande noch so wenige große Freiflächen-Photovoltaik-Projekte gibt, liegt an der mangelnden Unterstützung durch die öffentliche Hand, wie Energieversorger regelmäßig kritisieren.
Im Unterschied zu Deutschland werden in Österreich bisher nur Solaranlagen auf Gebäuden gefördert. Das von der türkis-blauen Regierung angedachte Erneuerbaren Ausbau Gesetz 2020 hätte das ändern sollen, liegt nun aber auf Eis.