Wiener Börse: Sorgen vor einer Abkehr von ATX-Investoren
Ein Notkaufprogramm für Anleihen in Höhe von 750 Milliarden Euro: Die Europäische Zentralbank (EZB) will inmitten der Corona-Krise durch den Kauf sowohl von staatlichen als auch privaten Wertpapieren die Wirtschaft stabilisieren und eine Euro-Krise abwenden. Diese Käufe von Aktien europäischer Unternehmen sollen bis Jahresende stattfinden. „Es gibt keine Grenzen für unsere Engagement für den Euro“, so EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Deswegen wird jetzt die, wie man so schön sagt, „Bazooka“, also die ganz große Maßnahme ausgepackt.
Die Börsen in Europa, die wie alle anderen weltweit in den letzten Tagen stark abstürzten, haben positiv auf das PEPP getaufte Notfall-Anleihekaufprogramm (Pandemic Emergency Purchase Programme) reagiert. Europäische Börsen-Indizes wie DAX (Deutschland), CAC 40 (Frankreich), SMI (Schweiz), FTSE (Großbritannien) oder ATX (Österreich) reagierten am Donnerstag morgen, am Tag nach der Ankündigung, positiv und stehen leicht im Plus. Abzuwarten gilt, wie lange nach.
Sorgen vor Abkehr vom ATX
Dass nach dem starken Kursverlusten die Nerven blank liegen, zeigt auch die Reaktion der Wiener Börse. Der ATX musste kürzlich den größten Tagesverlust seiner Geschichte hinnehmen und steht derzeit so tief wie seit etwa acht Jahren nicht mehr. Kein Wunder, dass es nun große Sorge gibt, dass Investoren dem ATX den Rücke zuwenden.
„Es wäre ein Fehler, sich jetzt von österreichischen Aktien abzuwenden. Die aktuelle Bewertung, der ATX wird weit unter seinem Buchwert gehandelt, spiegelt nach Meinung der heimischen Leitbetriebe ein zu pessimistisches Bild wider“, so Christoph Boschan, Vorstandsvorsitzender der Wiener Börse in einem offenen Brief, den auch die CEOs der im ATX abgebildeten Unternehmen (u.a. Erste Bank, OMV, Verbund, Raiffeisen Bank International, voestalpine) unterschrieben haben. „Der ATX notiert mittlerweile weit unter seinem Buchwert. Die Analysten schätzen das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis für 2020 auf sechs bis sieben.“
„Österreich hat früher reagiert“
Anleger dürften jetzt nicht den Glauben an die österreichische Wirtschaft verlieren. „Österreich hat früher und weitgehender als andere EU- Länder reagiert. Neben den strikten Maßnahmen zur Bekämpfung der Virusverbreitung wird alles daran gesetzt, die Wirtschaftstätigkeit aufrechtzuerhalten“, heißt es in dem offenen Brief weiter. „Anders als gelegentlich international berichtet, befindet sich Österreichs Wirtschaft mitnichten im Stillstand. Der hohe Digitalisierungsgrad des Landes erweist sich als Vorteil. Die Bürger gehen unter strenger Beachtung der Virusbekämpfungsmaßnahmen konsequent und effizient ihren Aufgaben nach.“
Außerdem wurde an der Wiener Börse ein erweitertes Leerverkaufsverbot für österreichische Aktien durch die Finanzmarktaufsicht – also ein Verbot für so genanntes „Short Selling“, bei dem vereinfacht ausgedrückt auf sinkende Aktienkurse von Unternehmen gewettet wird. Das soll zusätzliche Beruhigung bringen.
Heimo Scheuch, CEO von Wienerberger und Aufsichtsratsvorsitzender der Wiener Börse, will Investoren ebenfalls beruhigen. Er sehe „keinen Widerspruch zwischen Produktionstätigkeit und den neuen Vorschriften“. „Jeder achte Euro der heimischen Wertschöpfung wird durch börsennotierte Unternehmen erwirtschaftet. Die heimischen Leitbetriebe sind exzellent aufgestellt. Mit den richtigen hygienischen Maßnahmen sehe ich keinen Grund für Produktionsstopps in der heimischen Industrie.“