Wiener Parkpickerl: Mit höheren Kosten gegen zu viele Autos in der Stadt
Die Ziele der Stadt Wien sind ambitioniert: bis 2030 möchte sie die CO2-Emissionen des Verkehrssektors pro Kopf um 50 Prozent reduzieren – bis 2040 um 100 Prozent, wir berichteten. Dafür hat die Stadt bereits viel Geld in den öffentlichen Verkehr investiert, doch bisher war der Erfolg anscheinend noch nicht ausreichend. Laut einer Studie der TU-Wien von 2015 im Auftrag der Arbeiterkammern Wien, Niederösterreich und Burgenland pendelten zum Zeitpunkt der Datenerhebung täglich rund 167.000 Arbeitnehmer:innen aus Niederösterreich und dem Burgenland nach Wien. Auch aus Wien fuhren laut der Studie über 57.000 Wiener:innen in die beiden Nachbarbundesländer zur Arbeit und zurück. Doch nur rund 60.000 Pendler:innen nutzten dazu die Öffentlichen Verkehrsmittel. Die restlichen rund 70 Prozent der in Wien arbeitenden oder wohnenden Pendler:innen pendelten noch in ihrem eigenem Auto.
Auch wenn der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Studie bereits sieben Jahre her ist, ist das Problem der vielen Parkraumflächen innerhalb der Stadt und dem innerstädtischen Verkehr weiterhin nicht gelöst. Helfen soll nun eine neue Parkregelung.
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Für zehn Euro im Monat Parken
Das Parkpickerl soll den entscheidenden Durchbruch hin zur Verkehrswende schaffen, hofft die Stadt. Unumstritten ist die Parkregelung dabei nicht. Dabei haben das Parkpickerl und die Kurzparkzonen in Wien schon eine lange Geschichte. Seit fast 30 Jahren gibt es die Parkregelung. Von dem ersten Bezirk aus, hat sich das System immer weiter ausgebreitet, bis es ab heute für alle Bezirke gilt. Für die Bewohner:innen Wiens bedeutet das, dass sie, auf Antrag bei der Stadt, zehn Euro pro Monat zahlen müssen. Dafür sind alle Kurzparkzonen in ihrem Bezirk dann für sie kostenlos. Für alle Nicht-Bewohner:innen kostet ab heute das Parken in diesen flächendeckenden Zonen 1,10 Euro pro halbe Stunde, so die Stadt Wien. Die neuen Regeln gelten ab heute in allen Bezirken von Montag bis Freitag (werktags) von 9 bis 22 Uhr, Ausnahmen von dieser Regelung gibt es kaum.
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Lob aus den eigenen Reihen
Ob diese Regelung tatsächlich die erhoffte Verkehrswende bringt, ist jedoch nicht unumstritten. Zumindest, wenig überraschend, bei der Opposition. Die Stadt Wien selbst aber lobt sich in einer Aussendung dafür: “Viele Menschen – besonders in den von den täglich rund 200.000 PendlerInnen zugeparkten Außenbezirken – wünschen sich seit Jahren eine Lösung. Mit dem flächendeckenden Parkpickerl sorgen wir nicht nur für die lang geforderte Entlastung der Bewohnerinnen und Bewohner, sondern gehen auch den Wiener Weg in Sachen Klimaschutz konsequent weiter. Dieser Meilenstein für die Klimamusterstadt Wien ist ein wirksames Instrument, um den Verkehr in unserer Stadt zu beruhigen und die Öffi-Nutzung weiter anzukurbeln“, so Mobilitätsstadträtin Ulli Sima in der Aussendung. Zudem fließen die Einnahmen aus dem zusätzlichen Parkgebühren, laut der Stadt Wien, in den weiteren Ausbau der Öffis.
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Kritik durch Opposition
Klimaschutz, Ausbau der Öffentlichen Verkehrsmittel und Entlastung der Wiener Straßen: alles in allem scheint das ein guter Deal. Kritiker:innen sehen jedoch die Belastung für die Einzelnen zu hoch. Zum einen hätten den Vorteil des Parkpickerls nur Anwohner:innen. Gerade aber für Pendler:innen, die nicht ihren Hauptwohnsitz in Wien haben, bedeutet die ausgeweitete Regelung weitere Kosten für ihre Berufsausübung. Das könnte eine Arbeitsstelle in der Innenstadt unattraktiver machen. Außerdem müssen Besucher:innen und Tourist:innen zukünftig die erhöhten Parkpreise in Kauf nehmen, auch wenn ihnen vielleicht kaum eine andere Wahl als das Auto blieb.
So sah das auch bereits 2019 der Österreichische Automobil-, Motorrad- und Touring Club (ÖAMTC), als Kurzparkzonen in Döbling und Währing ausgeweitet wurden: „Wien ist eines von drei Bundesländern, das über kein eigenes „Landesparkgesetz“ verfügt. Dadurch darf in Kurparkzonen etwa nur max. drei Stunden geparkt werden und „Besuchertickets“ sind nicht möglich, was angesichts der Tatsache, dass es sich dabei zugleich um eine Millionenstadt handelt, paradox ist, “ so ÖAMTC-Jurist Nikolaus Authried in einer Aussendung. Zu der neuen Regelung für ganz Wien, hat sich der Club noch nicht geäußert. Er prognostizierte jedoch bereits in einer Aussendung, dass es aufgrund der neuen Regelung in kommender Zeit wohl zu vermehrten Strafen wegen Falschparkens kommen wird.
Die Opposition kritisierte indessen, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen durch die Neuregelung benachteiligt seien: „Es ist unumgänglich für die ältere Bevölkerung und einzelne Berufsgruppen flexible Lösungen anzubieten. Hier geht es etwa um einen Angehörigen, der ein pflegebedürftiges Familienmitglied betreut, bis hin Enkerl-Fahrdienst. Mit dem jetzigen Modell wird die die Mobilität dieser Gruppen eingeschränkt, “ so Gemeinderätin Elisabeth Olischar von der ÖVP in einer Aussendung. Ihre Partei schlägt in dieser vor, statt einem generellen Parkpickerl, durch eine gestaffelte Preisgestaltung in Parkraum-Zonen das „tiefere Eindringen“ in die Stadt unattraktiver zu machen.
Potential für umweltfreundlicheres Pendeln gegeben
Unabhängig von der Kritik, sollen durch das Parkpickerl vor allem Emissionen eingespart werden. Außerdem könnten, wenn weniger Parkplätze genutzt werden, bisher versiegelte Parkflächen wieder aufgebrochen und zu Grünflächen umgewandelt werden. Inwiefern dies tatsächlich erreicht werden kann, bleibt abzuwarten. Das Potential für ein “grüneres” Pendeln nach Wien ist jedenfalls da. Zu dieser Ansicht ist zumindest die 2015 veröffentlichte Studie der TU Wien gekommen. Nach dieser wohnen rund 90 Prozent der Wien-Pendler:innen im Umkreis von neun Kilometern zum nächsten Bahnhof. Mit dieser räumlichen Nähe zu den Öffentlichen Verkehrsmitteln könnten theoretisch über 120.000 Wien-Pendler:innen die Bahn anstatt des Autos nutzen, so die Aussendung der Arbeitskammer Wien – das wäre eine deutliche Entlastung des Klimas und der Straßen.
Zudem ist im Vergleich zu 2015 auch inzwischen das Klimaticket österreichweit aktiv. Speziell für die Ostregion gibt es seit dem 25.10.2021 ein VOR KlimaTicket Region, welches auf allen VOR-Linien in Niederösterreich und dem Burgenland gültig ist, für 550 Euro im Jahr und ein VOR KlimaTicket Metropolregion, welches in allen drei Ostbundesländern gültig ist, für einen Jahrestarif von 915 Euro. Das österreichweite Ticket liegt bei 1.095 Euro. Somit sind die preislichen Argumente für den Umstieg auf die öffentlichen Verkehrsmittel gesetzt. Um das Pendeln per Öffis aber auch tatsächlich attraktiv zu machen, braucht es eine entsprechende attraktive Anbindung