Wiener Startup lässt Fische in Containern in der Wüste wachsen
Wenn es gelingt, Fische komplett ortsunabhängig und ohne spezielle Ausbildung zu züchten, wäre das wohl ein Meilenstein in der globalen Lebensmittelversorgung. Genau das hat ein Wiener Startup vor und ist bereits weit gekommen: In einer ehemaligen Industrie-Halle in Wien-Liesing lässt Blue Planet Ecosystems erste Fische in geschlossenen Tanks aufwachsen.
2.000 Kilogramm Fisch aus dem Schiffscontainern
Das Ziel ist ein mehr oder weniger autarkes System: Eine Künstliche Intelligenz kümmert sich um das Wohl der Tiere und über eine integrierte Algenfarm werden sie mit Nahrung versorgt. Mitten in der Wüste könnten so in Tanks in Schiffscontainer-Größe bis zu 2.000 Kilogramm frischer Fisch pro Jahr erzeugt werden.
„Die Ressourcen unserer Erde werden nicht reichen, den wachsenden Bedarf an tierischem Protein nachhaltig zu decken“, ist Mitgründer Paul Schmitzberger überzeugt. Laut der Food and Agriculture Organization (FAO) wird sich aufgrund des Bevölkerungswachstums der weltweite Bedarf an tierischem Protein bis 2050 verdoppeln. Als mögliche Lösung gilt die Zucht von Insekten und Schmitzberger sieht auch Blue Planet Ecosystems als einen wichtigen Beitrag.
Algen > Zooplankton > Fische
Das System funktioniert so: In einem ersten Schritt werden künstlich Algen erzeugt. Dazu sind lediglich CO2, Wasser, ein paar Nährstoffe und Sonnenenergie notwendig. Mit diesen Algen wird Zooplankton gezüchtet, das sind winzige Tierchen, von denen sich zahlreiche Fischarten ernähren. Eines dieser Tierchen genügt, um binnen kurzer Zeit eine größere Population zu erzeugen. Mit dem Zooplankton schließlich werden Shrimps oder Fische gefüttert. Alles in einem System aus drei Containern, in dem das Wasser zirkuliert.
„Mit 100 Kilogramm an Babyfischen, die in diesem System gehalten werden, könnte man so ohne Aufwand bis zu 2.000 Kilogramm Fische erzeugen“, erklärt Schmitzberger, der das Startup gemeinsam mit Georg Schmitzberger und Thomas Daniele gegründet hat. Fortpflanzung findet in den Zuchtcontainern keine statt (außer beim Zooplankton) – die Babytiere müssen also in das System eingebracht werden.
Künstliche Intelligenz für optimale Bedingungen
Auf das Tierwohl legt das Team viel Wert, meint Schmitzberger. In einem eigenen Laborraum wird in drei Aquarien getestet, ob die Empfehlungen für das Tierwohl in der Realität auch wirklich für ein angenehmes Fischleben sorgen. Schmitzberger zeigt auf ein Tilapia-Pärchen und erklärt, dass es zu Kämpfen komme, wenn man einen weiteren Fisch in das Aquarium lässt. Fügt man eine Gruppe von fünf Fischen hinzu, legen sich die Auseinandersetzungen wieder. Die Fische fühlen sich also in größeren Gruppen wohl.
Gleichzeitig werden in dem Forschungslabor auch Daten gesammelt, um die Fischzucht zu optimieren und zu automatisieren. Die Software erkennt zum Beispiel anhand der Bewegungen im Tank, ob ein Fisch krank oder vielleicht sogar verstorben ist. Und über Datenanalysen kann auch die Fütterung optimiert werden. „Wenn sie gefüttert werden, schwimmen alle Fische in die Ecke des Beckens“, erklärt Schmitzberger. Diese Bewegung lasse Rückschlüsse darauf zu, wie hungrig die Fische sind oder ob sie vielleicht im Laufe des Tages schon ausreichend gefressen haben.
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Millioneninvestment im Silicon Valley
Die Idee, das Prinzip des Indoor-Farmings auf die Fischzucht umzulegen, hat auch im Silicon Valley für Aufsehen gesorgt. Vergangenes Jahr verbrachte das Startup dort in einem Accelerator und gründete ein eigenes US-Unternehmen, in das schließlich internationale Risikokapitalgeber umgerechnet rund eine Million Euro investiert haben. Das Team ist nun trotz des Ausflugs in die USA wieder in Wien tätig – zum einen, weil zwei der Gründer Wiener sind, zum anderen, weil die Kosten hier viel niedriger sind als im Silicon Valley. Seit Februar arbeitet Blue Planet Ecosystems auch mit der Weltraumagentur ESA zusammen.