Kommentar

Wir brauchen dringend mehr Energy Literacy

Energie. © Rohan Makhecha on Unsplash
Energie. © Rohan Makhecha on Unsplash
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Merit-Order-Prinzip, Shortselling, Initial Margin, Variation Margin, dazu Gasumlage, Strompreisdeckel und Windfall Tax – das sind die „neuen“ Begriffe, die derzeit in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Der Fall Wien Energie im Konkreten und der Energiekrieg Russlands im Allgemeinen hat ein Thema ganz nach oben gerückt: die Energie.

Und da zeigt sich, dass die meisten von uns bei dem Thema ziemlich nackert dastehen. Energie kam für uns bisher als Selbstverständlichkeit aus der Steckdose und dem Zapfhahn und zeigte sich als fader Fixposten auf den Rechnungen. Das war’s dann auch schon – maximal hat man sich noch mit der Akku-Leistung von Notebook und Smartphone auseinandergesetzt, ansonsten war Energie einfach da wie Luft und Wasser.

Doch das ändert sich gerade in dramatischer Geschwindigkeit so drastisch, dass viele Menschen panikartig Holz hamstern, weil sie es im Winter zu Hause warm haben wollen. Holz, das ist einfach zu begreifen – das schlägert man, zahlt man, lagert man, verbrennt man, fertig. Währenddessen müssen uns Expert:innen heute nochmal im Detail und in einfacher Sprache aufdröseln, wie das nun ist mit den Verkäufen und Käufen an den Energiebörsen, warum der Strompreis vom Gaspreis abhängt, was eigentlich LNG ist, warum Atomenergie so seine Nachteile hat, wie eine Wärmepumpe funktioniert, was ein Pumpspeicherkraftwerk ist und dass Europa mal Weltmarktführer bei Solarenergie war.

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Aus Geldsparfüchsen werden Stromsparfüchse

Wenn man aber an eine Energiezukunft denkt, die nicht nach Literpreis Benzin, sondern nach kWh abgerechnet wird, in der Wärme und Strom nicht aus der Leitung, sondern vom Dach und aus dem Boden kommen, und in der der Stromspeicher in der Abstellkammer mit dem Auto in der Garage zusammenspielen muss, dann versteht man: Energie wird auf absehbare Zeit nicht mehr eine Selbstverständlichkeit sein, die irgendwer irgendwo für uns regelt, wir werden selber aktiv werden müssen. Aus Geldsparfüchsen werden Stromsparmeister werden.

Das hat aus journalistischer Sicht auch die Challenge, Expert:innen zu Thema zu finden, die einen neutralen und seriösen Blick auf die Sachlage werfen und uns abseits von politischem Hickhack erklären können, was da an den Energiebörsen abgeht und wie uns das am Ende betrifft. Zum Glück gibt es Menschen wie Helmut Spindler, der mit dem Startup PowerBot eine Softwarelösung für algorithmischen Handel an den europäischen Strombörsen betreibt, und der sich sogar in seinem wohl verdienten Urlaub Zeit nimmt, um ein Interview zum Thema zu geben – vielen Dank dafür!

Bis vor kurzem schwirrte noch der Begriff „Financial Literacy“ durch die Gegend – also der Hinweis darauf, dass es den durchschnittlichen Mitteleuropäer:innen an Finanzwissen fehlt und ihnen das in Zeiten von Krise und Inflation auf den Kopf fallen könnte. Nun, 2022, muss man einen neuen Begriff einführen: Wir brauchen dringend viel mehr „Energy Literacy“.

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