Wir sind Unicorn!
Ist Bitpanda wirklich das erste Unicorn aus Österreich? Wahrscheinlich nicht. Denn wie unsere Leser trefflich angemerkt haben, könnte man den Titel wahlweise auch an bwin, Dynatrace oder Tricentis vergeben, und natürlich haben auch irgendwann mal Red Bull und andere Firmen die Marke zur Milliardenbewertung überschritten. Bitpanda hat also eine Flughöhe erreicht, die die bisherigen Champions Runtastic, Shpock und mySugr nicht erreichten. Die boomten zwar dank Mobile-Ära, aber der Krypto-Hype ist dann noch einmal etwas anderes.
Aber sei es drum. In Sachen Standort-Marketing ist die Bewertung des Krypto-Händlers und baldigen Neobrokers von einer Milliarde Euro natürlich eine hervorragende Sache. Denn bis dato verblasste Österreich und Wien selbst neben viel kleineren Ländern wie Estland, das mit Vinted, Bolt, Pipedrive, Skype und von mir aus auch Wise (die TransferWise-Gründer sind aber eigentlich in London zu Hause) gleich mehrere Unicorns Marketing-technisch clever vorweisen kann.
BEST: Der Token von Bitpanda profitiert stark vom Crypto-Boom
Ritterschlag für die Startup-Szene?
Für Österreich, das sich in den letzten Jahren von vielen anderen Ländern in Sachen Startups und Innovation abhängen ließ, ist das Bitpanda-Investment ein wichtiger Meilenstein, der am Dienstag richtigerweise auch ordentlich (virtuell) gefeiert wurde. Endlich können wir ohne Zögern und Überlegen ein Einhorn in die Liste der europäischen, privaten Wachstumsunternehmen im Digital/Tech-Bereich vorweisen. Bitpanda ist übrigens nun eine von etwa 60 Firmen in Europa, die sich das Einhorn-Abzeichen an die Brust heften können.
In Österreich fragt man sich unterdessen, wer den Unicorn-Status als Nächstes erreichen könnte. Einige aussichtsreiche Kandidaten dafür gibt es natürlich – vor ziemlich genau einem Jahr haben wir sie euch auf Trending Topics vorgestellt. PlanRadar, USound, Adverity und andere Firmen sind auf einem guten Weg.
Doch unter der Decke der Euphorie muss man auch anerkennen, dass Österreich nach wie vor die gleichen Probleme hat, während andere Standorte und Ökosysteme attraktiver sind. Risikokapital ist spärlich gesät. Wieder einmal zeigt sich auch im Falle von Bitpanda, dass das große Geld aus den USA (Valar Ventures) bzw. dem Ausland (Partner von DST Global) kommt. Das ist kein spezifisch österreichisches, sondern ein europäisches Problem: US-Investoren waren 2020 an 19 Prozent der diesjährigen Finanzierungsrunden beteiligt (2019: 16 Prozent).
Und ebenfalls zu beachten: Um das Wachstum zu stemmen, setzt Bitpanda mittlerweile auf ein verteiltes Netz an Standorten. Im polnischen Krakau werden zehn Millionen Euro in die Hand genommen, um 300 Mitarbeiter aufzunehmen – das sind fast noch einmal so viele, wie heute bei Bitpanda arbeiten. Das, aber auch andere Signale vom Markt (z.B. N26-Standort in Wien) zeigen: In Österreich gibt es einfach nicht genug Fachkräfte, um große Digital-Firmen mit genug Team-Mitgliedern zu versorgen. Dass Österreich jahrzehntelang bei der digitalen Bildung verschlafen hat, zeigt sich immer mehr.
Think European
Dementsprechend gilt einmal mehr, dass das nur ein nächster Schritt in die richtige Richtung ist. Aber die großen Brocken (Gesellschaftsrecht, Mitarbeiterbeteiligung, VC, Eigenkapital, Ausbildung – you name it), die liegen noch vor uns. Und bei all dem sollte man den Nationalstolz, der immer noch sehr stark durch die Branche wogt, links liegen lassen. Bitpanda zählt Mitarbeiter aus 44 verschiedenen Nationen und ist gezielt in europäische Märkte wie Frankreich, Spanien oder Italien eingestiegen. Man wolle Europas führender Neobroker werden, lautet das Ziel.
Also sollte man rund um Bitpanda nicht mit der Österreich-Fahne wedeln, sondern lieber mit dem Logo einer Staatengemeinschaft, das CEO Eric Demuth auf gerne mal am Kapuzenpulli trägt. Es zeigt zwölf goldene Sterne auf marinblauem Grund.