Greenwashing

„Wir verarschen uns selbst“: Ein Plädoyer gegen den „Scheinklimaschutz“

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Bei einem Mediengespräch von „Diskurs. Das Wissenschaftsnetz“ und Scientists 4 Future Österreich am 27. April fand Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der BOKU Wien, klare Worte für den jetzigen Zustand der Klimapolitik in Österreich. „Wir verarschen uns selbst“, wird der Politologe von der APA zitiert. „Gleichzeitig sind wir dabei, alle Ziele krachend zu verfehlen.“ Besonders konservative Parteien würden auf „Scheinklimaschutz“ setzen. Sie tun so, als würde man den Klimaschutz ernst nehmen, ohne Klimaverschmutzung dadurch wesentlich zu reduzieren.

Der dritte Teil des sechsten Sachstandsberichts des UN-Weltklimarates (IPCC) hat erneut gezeigt, dass sich das Zeitfenster, in dem wir das 1,5 °C Ziel noch erreichen können, schließt. Bis 2030, also binnen 8 Jahren, müssen die Treibhausgasemissionen um mindestens 48 Prozent fallen, um das genannte Ziel vielleicht noch erreichen zu können. Selbst dann sei es fast unvermeidlich, diese Temperaturschwelle zumindest temporär zu überschreiten, so die Forschenden. Für weitere Verzögerungen bleibt keine Zeit.

Eine Politik des Scheinklimaschutzes

Umso besorgniserregender sei es laut Steurer, dass nach wie vor auch in Österreich das „So-tun-als-ob“ in der politischen Logik weit verbreitet ist. Als Beispiele nennt er das mit dem derzeitigen Kurs unerreichbare Ziel „Klimaneutralität 2040“, Greenwashing der Wirtschaft, indem sie etwa „klimafreundliche Gasheizungen“ bewirbt, den Bau neuer Straßen, aber auch individuelle Maßnahmen wie das Kompensieren von CO2-Emissionen bei Flügen.

Viel zu oft werden Projekte und Maßnahmen als Beitrag zum Klimaschutz dargestellt, obwohl sie das genaue Gegenteil davon sind. Dieser Scheinklimaschutz ist fatal, da er nicht nur echte Maßnahmen verhindert, sondern auch vortäuscht, es würde genug unternommen. „Diese Art von Selbsttäuschung ist so viel angenehmer als das ehrliche Eingeständnis, dass wir immer noch viel zu wenig tun“, erklärt der Politologe im Telefongespräch mit Tech & Nature. „Wir müssen allerdings anfangen, uns mit der unangenehmen Klima-Realität auseinanderzusetzen.“

Klimakrise lässt sich nur politisch lösen

Die Klimakrise lasse sich nur politisch lösen – durch Wahlverhalten, der Teilnahme bei Demonstrationen oder sonstigen Druck auf Entscheidungsträger:innen, ist dieser überzeugt. Und Wahlen können einen großen Unterschied machen: So analysierte etwa ein Expert:innengremium des Climate Centers Austria im Vorfeld der Nationalratswahl 2019 die Parteiprogramme der antretenden Parteien auf die Vereinbarkeit mit dem Pariser Klimazielweg. Grüne, Liste JETZT und NEOS lagen dabei (in dieser Reihenfolge) am ehesten mit den Klimazielen in Einklang, gefolgt von der SPÖ. Abgeschlagen dahinter fanden sich ÖVP und FPÖ.

Best of Greenwashing: Offsetting

Steurer fordert daher auch Journalist:innen auf, Scheinklimaschutz zu erkennen, klar zu benennen und anzuprangern. „Das ist unangenehm, das ist klar“, so der Politologe „aber das ‚So-tun-als-ob‘ wird früher oder später sowieso auffliegen – etwa wenn wir von Dürre, Hitze und Hungersnöten geplagt werden.“ Es gebe bereits Journalist:innen, die sich gut mit dem Thema auskennen würden, „man stehe aber am Beginn eines längeren Lernprozesses“, so Steurer.

Optimismus und Pessimismus sind fehl am Platz

Wirtschaftlich scheint sich allerdings langsam etwas zu bewegen in Österreich. „Bis vor kurzem war der Druck aus der Wirtschaft gegen die Klimamaßnahmen enorm“, sagt Steurer. Mittlerweile fordere aber selbst die Wirtschaftskammer den schnelleren Ausbau Erneuerbarer Energien. „Optimismus ist allerdings fehl am Platz, genauso wie Pessimismus auch. Ich bemühe mich um Realismus“, so der Professor. Seine Hoffnung war jedoch 2019 – zur Hochzeit der Fridays for Future-Bewegung – schon größer. „Dieses Momentum ist durch die Pandemie abgeflacht“, sagt Steurer. Er hoffe aber, dass es jetzt wieder an Fahrt aufnimmt.

Startups, hütet euch vor der Greenwashing-Falle!

„Es ist ein offenes Rennen“, ist Steurer überzeugt. Dass es auch anders gehen kann, sehe man anderen Ländern, wie etwa Dänemark oder Schweden. Die beiden Länder zeigen, dass man gleichzeitig auf einem guten Klimaweg und wirtschaftlich erfolgreich sein kann. „Leider ist das noch nicht bei der Wirtschaftskammer angekommen“, meint Steurer.

Licht und Schatten

Beim Pressegespräch von „Diskurs. Das Wissenschaftsnetz“ und Scientists 4 Future Österreich waren auch Renate Christ, langjährige Leiterin des Sekretariats des Weltklimarats (IPCC), und Ulrich Leth vom Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien dabei. Christ betonte dabei, dass es auch positive Maßnahmen in Österreich gebe – etwa das Klimaticket oder die Förderung von Photovoltaikanlagen. Leth bezeichnete die Mobilitätspolitik als „das größte Sorgenkind der Klimaschutzpolitik“. Er forderte eine allgemeine Reduktion des Autoverkehrs und stattdessen ein umfassendes Mobilitätskonzept.

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