Wird Silicon Valley Bank zu Lehman II? Angst vor Banken-Crash greift um sich
Sie galt als die Hausbank der Startup, Scale-ups und Unicorns des Silicon Valley und zählte insgesamt über die vergangenen 35 Jahre 700 Einhörner und 60 Decacorns zu den Kunden. Doch jetzt steht die Silicon Valley Bank (SVB) ganz schief da. Wie berichtet haben die am Mittwoch präsentierten Quartalszahlen und eine spontane Notfall-Kapitalerhöhung durch Aktienverkäufe Schockwellen nicht nur durch das Hightech-Mekka nahe San Francisco, sondern durch den gesamten Bankensektor gejagt.
Aufgrund einer sich verschlechterten Wirtschaftslage muss SVB dringend satte 2,3 Milliarden Dollar aufnehmen. Durch Notverkäufe von Wertpapieren im Wert von 21 Milliarden Dollar musste die Bank im ersten Quartal 2023 einen Schaden von 1,8 Milliarden Dollar hinnehmen. Doch die erst am Mittwoch bekannt gegebene nötige Kapitalerhöhung schlug bis dato fehl, weswegen nun bereits zwei Tage später die Gerüchte über das Vorhaben, gleich die ganze Bank zu verkaufen, durchs Netz wandern – ein so genannter Fire Sale. Lediglich Großinvestor General Atlantic sagte den Kauf von Shares in der Höhe von 500 Mio. Dollar zu.
Handel mit den SVB-Aktien ausgesetzt
CNBC berichtete kurz vor dem Börsenstart am Freitag nachmittag, das SVB bzw. eigentlich konkret die börsennotierte SVB Financial bereits einen Komplettverkauf erörtert. Es sollen bereits große Finanzhäuser prüfen, ob sie die Übernahme wagen. Ein potenzieller Käufer wurde die Bank derzeit wohl zum Spottpreis bekommen, ist der Börsenkurs von SVB in den vergangenen zwei Tagen um 62 Prozent gefallen, im Vergleich zu vor einem Jahr sogar um 80 Prozent. Vorbörslich ist der Kurs der Bankaktie am Freitag noch einmal um 68 Prozent gefallen, weil Anleger:innen versuchen, das Papier noch irgendwie loszubekommen. Der Handel mit den SVB-Aktien wurde mittlerweile ausgesetzt.
Das es so weit kommen konnte, ist für viele überraschend, für einige aber nicht. Aus einem E-Mail der VC-Firma Greenoaks Capital Partners aus dem Dezember 2022 geht hervor, dass Probleme der Bank bereits bekannt waren, berichtet Bloomberg. Denn etwa ein dutzend von Unternehmen aus dem Greenoaks-Portfolio hatte bereits damals auf die Warnung ihres Investors reagiert und in den letzten Monaten etwa 1 Milliarde Dollar von der Bank abgezogen. Derzeit bangen mittlerweile sogar Startups aus Deutschland darum, ob sie ihr Geld, das sie bei der SVB liegen haben, jemals wiedersehen werden.
Überschwappen auf die Wall Street befürchtet
Bis dato noch versucht SVB-CEO Greg Becker die Kunden zu beruhigen („stay calm“), doch immer mehr versuchen derzeit, ihr Geld aus der Bank zu bewegen – davon zeugt auch die Webseite, die am Freitag nachmittag immer wieder wegen Überlastung nicht aufrufbar ist – quasi ein digitaler Bankrun. Die Ursachen der Probleme der SVB sind vermutlich in der COVID-19-Pandemie zu suchen. Da schwappte ein Wagniskapital-Boom auch durchs Silicon Valley und deckte unzählige Startups, Scale-ups und Unicorns mit großen Summen an Geld ein. Viele legten dieses Geld bei der SVB ein, die immer als erste Adresse für die Bedürfnisse von Startups galt. Nachdem sich die Lage für viele Tech-Jungfirmen 2022 deutlich verschlechterten, muss sich das auf die Bank durchgewirkt haben.
Und schon werden wieder die Vergleiche zur Vergangenheit gezogen. Enron, Lehman Brothers – die großen Firmen-Crashs der Vergangenheit wiederholen sich nun im Falle von SVB nun wieder. „Es ist möglich, dass wir heute unser Enron gefunden haben“, twitterte Star-Investor Michael Burry, bekannt als der „Big Short“-Investor, der die Finanzkrise 2008 vorhersagte. Auf Twitter wird die Lage der SVB auch bereits als „Lehman-Moment der Startup-Welt“ bezeichnet. auch geistern bereits Kommentare durch die Online-Foren, dass die SVB-Krise gepaart mit dem Kollaps der Krypto-Bank Silvergate (mehr dazu hier) auf die Finanzindustrie insgesamt überschwappen könnte.
Us-Finanzministerium überwacht bereits „ein paar Banken“
Die Gefahr besteht wirklich. In einer Anhörung vor dem Ways & Means Committee des US-Repräsentantenhauses sagte US-Finanzministerin Janet Yellen am Freitag, dass das Ministerium angesichts der Probleme bei der SVB „ein paar“ Banken überwacht. Bereits der Kollaps der Krypto-Bank Silvergate hat die Aufmerksamkeit der US-Regierung bekommen, die die Vorkommnisse genau beobachtete.
Warum ist der drohende Ausfall der SVB ein ernstes Warnsignal? Die Bank hatte langlaufende Staatsanleihen gekauft, als die Zinssätze nahe Null lagen, was den großen Verlust erklärt, den sie mit dem Verkauf machte. Die SVB ist aber bei weitem nicht die einzige Bank, die solche Wertpapiere mit langen Laufzeiten hält, weshalb es nun Sorgen um weitere Regionalbanken gibt. Wenn auch die sich gezwungen sehen, solche Wertpapiere zu verkaufen, dann werden auch sie wahrscheinlich große Verluste verbuchen und könnten in eine ähnliche Situation wie die SVB jetzt kommen.
Neben Kryptowährungen gaben am Donnerstag bereits die Kurse der US-Großbanken JPMorgan Chase, Wells Fargo oder Bank of America deutlich nach. Besonders hart traf es auch die Aktien der Banken First Republic Bank (FRB) und Signature – der Handel mit Signature-Aktien wurde ebenfalls ausgesetzt. Nun blickt die Finanz- wie die Tech-Industrie gebannt auf die Ereignisse, die noch am Freitag nachmittag passieren können.