Analyse

Wirecard. Eine herber Rückschlag für die deutsche Fintech-Branche

Ex-Wirecard-Chef Markus Braun. © Klaus Ranger
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Im September 2018 hat man die Commerzbank in der ersten Börsenliga DAX abgelöst, 2020 ist es nicht mehr sicher, ob es das Unternehmen im September überhaupt noch in der Form geben wird. Nachdem nun der österreichische Manager und ehemalige Wirecard-Chef Markus Braun festgenommen wurde, stellen sich die deutschen Strafverfolger nun die Frage, ob Bilanzsumme und Umsatzvolumen des einstigen Fintech-Stars „durch vorgetäuschte Einnahmen aus Geschäften“ künstlich aufgebläht wurde – möglicherweise, um das Unternehmen mit Hauptsitz in Aschheim bei München besser für Investoren und Kunden darzustellen.

Nun ist Wirecard 1999 zu einem Fintech-Unternehmen gewachsen, das auf der einen Seite im Wochenrhythmus neue Kunden und Partner kommunizierte, auf der anderen Seite aber angebliche Bankguthaben auf Treuhandkonten bei zwei philippinischen Banken von mehr als 1,9 Milliarden Euro „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ gar nicht hat. Ein Fintech also, das auf der einen Seite seine eigenen Erfolge feierte, auf der anderen Seite aber laut deutscher Staatsanwaltschaft unter dem Verdacht steht, vorgetäuschte Einnahmen aus Geschäften mit sogenannten Third-Party-Acquirern (TPA) aufgebläht zu haben.

Wer wird in den Strudel gezogen?

Nun wird interessant werden, welche TPA-Partner da in die Untersuchungen hineingezogen werden. In Asien hat das Unternehmen keine eigene Lizenz als Zahlungsdienstleister, deshalb braucht der Konzern dort eben die sogenannte Drittpartner, die vor Ort mit den Händlern, die Payment anbieten, arbeiten.

Auch werden viele andere Kooperationspartner, darunter etwa das Fintech Klarna, GetYourGuide, Here Mobility, Alipay oder Grab neu evaluieren, ob sie künftig gemeinsam mit Wirecard Angebote im Payment-Bereich am Markt haben wollen.

Dazu kommt auch der Consumer-Bereich. Mit boon.Planet gibt es ein N26 nicht unähnliches mobiles Bankkonto, hinter dem die Wirecard Bank AG steckt. Schon haben Nutzer vorsorglich eine Mail bekommen, in der versichert wird, dass die Einlagen der Kunden einen „Mindestschutz von 1 Million Euro“ haben würden. Die Geschehnisse rund um das deutsche Unternehmen könnten das Vertrauen der boon-Nutzer aber schmälern. Die Wechselbereitschaft ist in Zeiten von Challenger-Banken ohnehin hoch.

Österreicher bei Wirecard

Auch die deutsche Finanzaufsichtsbehörde Bafin, die bei kleinen Fintechs als sehr genau gilt, rückt ins Scheinwerferlicht. Man habe als Behörde habe nicht genug getan, um Betrügereien bei Wirecard aufzudecken, gestand Bafin-Chef Felix Hufeld bereits ein. Auch wird an der Bafin kritisiert, dass sie 2019, als Wirecard schon im Kreuzfeuer stand, erstmals ein Leerverkaufsverbot einführte. Das verhinderte, dass Anleger auf Kursverluste bei Wirecard-Aktien wetteten.

Bitter auch aus österreichischer Sicht: Der Österreicher Markus Braun, der in Wien Wirtschaftsautomatik studierte, wird heute im Laufe des Tages der Ermittlungsrichterin vorgeführt werden, die über die Haftfortdauer entscheidet. Die Zeiten, in denen er als erfolgreicher Fintech-Milliardär als Beispiel erfolgreicher heimischer Management-Skills auf Konferenzen und in Medienporträts gefeiert wurde, sind nun auch vorbei. Der Aufsichtsrat, in dem auch der Österreicher und Speedinvest-Partner Stefan Klestil sitzt, feuerte am Montag auch den bereits suspendierten Vorstand Jan Marsalek „mit sofortiger Wirkung“ – ebenfalls ein Österreicher.

Insgesamt bedeutet der Wirecard-Skandal einen herben Rückschlag für den Fintech-Standort Deutschland, der sich in den vergangenen Jahren zu einer Alternative zu London mausern wollte. Nun ist genau dort das Vertrauen erschüttert, wo es besonders wichtig ist: beim Geld. „Das ist die Zukunft des Financial Commerce“, steht noch auf der Webseite von Wirecard. Fragt sich, wie lange noch.

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