Wirtschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP): „Natürlich wollen wir eine weitere Senkung der Lohnnebenkosten“
Er wird gerne als „Mr. Startup“ der Bundesregierung bezeichnet, ist im Mai zum Wirtschafts- und Wissenschaftsminister aufgerückt, hat die Gründerlandstrategie ins Leben gerufen, will mit Spinoff Austria Ausgründungen an Universitäten fördern und hat will der Initiative Blockchain Austria das neue Technologiethema in Österreich vorantreiben: Wir haben Harald Mahrer (44) im Wirtschaftsministerium zum Interview getroffen, um mit ihm über die Zukunft der Startup- und Digitalisierungspolitik in Österreich zu sprechen.
Nach Oliver Stauber von der SPÖ, Hans Arsenovic von der Grünen, Stephanie Cox von der Liste Pilz und Karin Doppelbauer von den NEOS haben wir Mahrer zu der künftigen Strategie und dem Wirtschaftsprogramm der ÖVP in Bezug auf Startups befragt. Hier findet sich das gesamte Interview als Video, unten haben wir die wichtigsten Aussagen von Mahrer zusammen gestellt:
Was hat sich bisher getan hat
Mahrer: Wir haben dem Thema Startups seit drei Jahren einen deutlich höheren Stellenwert einräumen können. […] Beim Thema Finanzierung ist uns sehr viel gelungen, was die Themen Pre-Seed, Seed-Financing und Förderungen angeht, und es ist uns sogar gelungen, Prozesse zu beschleunigen. […] Im Bereich der Beschleunigung des Gründungsprozesses an sich gibt es noch immer eine Menge zu tun, auch da sind einige Programme aufgesetzt, etwa der digitale One-Stop-Shop für Gründer. […] Was mir in den letzten sechs bis zwölf Monaten wichtig war, ist das Verhältnis zwischen Input und Output im Bereich Spitzenwissenschaft, Hochtechnologie und Grundlagenforschung nachhaltig zu verbessern. Wir sind im EU-Ranking auf Platz 2 bei den Spendings von R&D, aber der Output bei der Verwertung von Grundlagenforschung und angewandter Forschung in konkrete Produkte und Dienstleistungen lässt noch zu wünschen übrig. […] Da versuchen wir nachzustoßen, deswegen haben wir das von mir vor einem Jahr angekündigte Spinoff-Fellowship jetzt gestartet. […] Für die nächste Bundesregierung wird es sicher ein Intensivprogramm, da noch mehr im Bereich Wissenstransfer zu tun. […]
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Mahrer: Ich habe das Paper natürlich auch bekommen und es mir angesehen. Das sind Schwerpunktsetzungen, die ich genauso sehe, etwa im Bereich Digital Skills. Also analytische Skills, Programmiersprachen-Kenntnisse, Projekt-Management, also alles was in den Bereich IT, Digitalisierung, Coding, Data Analytics hineinfällt, da gibt es viel zu tun, da kann man gar nicht früh genug damit anfangen. Ich habe das schon länger gefordert, das man schon sehr früh spielerisch im Kindergarten damit beginnt. […] Der andere Teil der Geschichte ist, dass wir in dem Bereich mehr Ausbildungsplätze im Fachhochschulbereich brauchen, und ganz wichtig vor dem Hintergrund der digitalen Transformation, mehr Know-how in den Großbetrieben, den mit denen sollen die jungen, wendigeren Gründungen auch kooperieren. Das ist sicher ein Schwerpunkt im Arbeitsprogramm einer nächsten Bundesregierung.
Geld für Wachstumsfinanzierungen
Mahrer: Bei der Wachstumsfinanzierung müssen wir etwas tun, etwa wenn es um Series A und Series B geht. Da werden wir nicht die riesigen Fonds in Österreich gründen. Das Kapital ist international sehr beweglich, da müssen wir Aufmerksamkeit erzeugen, dass davon etwas nach Österreich kommt.
Weitere Senkung der Lohnnebenkosten
Mahrer: Wir haben eine Senkung der Lohnnebenkosten in einem ordentlichen Wurf umgesetzt. Das ist Schritt 1, natürlich wollen wir eine weitere Senkung der Lohnnebenkosten erzielen, da gibt es Ideen, wie man das über den Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) machen kann. Da muss man schauen, wie man sich mit welchem Koalitionspartner darauf einigt. Der Anreiz, neue Mitarbeiter anzustellen, liegt nicht primär in der Frage der Lohnnebenkostenbelastung alleine, sondern es gibt eine Reihe von weiteren Faktoren, um die wir uns kümmern müssen. Wir müssen schauen, wo wir die qualifizierten Mitarbeiter überhaupt hernehmen, bevor wir darüber debattieren, ob wir die Lohnnebenkosten um weitere fünf Prozentpunkte absenken könnten. First things first – Coding Skills, Bürokratieabbau bei der Arbeitszeitflexibilisierung, Fachkräfte aus dem EU-Ausland, das sind alles große Themen, die von Startup-Gründern an mich kommuniziert wurden.
GmbH-Gründung ohne Stammeinlage
Mahrer: […] Ich kann mir das sehr gut vorstellen, ich weiß, dass es da auch Bedenken gibt, etwa wenn es um Gläubigerschutz-Interessen geht. Aber was passiert denn de facto mit dem Stammkapital, das eingezahlt wird? Mit dem wird ja gearbeitet, da werden Betriebs- und Geschäftsausstattung, die ersten Server, die ersten Lizenzen angeschafft. Das Geld liegt nicht auf der Bank, um es einem Gläubiger auszahlen zu können. […]
Reform der Gewerbeordnung
Mahrer: Wir sprechen von einer Weiterentwicklung vor dem Hintergrund der Digitalisierung. […] Wir wollten einen One-Stop-Shop für die Betriebsanlagengenehmigung zu machen, aber ist ein Eingriff in die Verfassung, eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig, und die haben wir bei der Reform nicht zustande gebracht. Das steht nach wie vor auf unserem Speisezettel. Wir reden nicht davon, dass wir bei den Gewerben selbst etwas verschieben, sondern wir reden davon, dass wir im Betriebsanlagenrecht eine weitere Vereinfachung machen. […] Dann muss man sich anschauen, kommen neue Berufsbilder auf uns zu, und wie sind diese Berufsbilder vor dem Hintergrund der Digitalisierung zu verändern.
Fokus auf Blockchain
Mahrer: Das Thema Cryptocurrencies hat über den Hype um Bitcoin sehr viel Aufmerksamkeit erfahren, ich sehe das Thema aber sehr viel breiter. Die Technologie macht über die nächsten fünf, zehn Jahre möglich, dass das Internet seinen nächsten großen Entwicklungsschritt machen kann. […] Die Blockchain-Technologie, kann, muss aber nicht, das Potenzial haben, in Richtung vollautomatisierten, Smart-Contracts-basierten, Transaktions-basierten Datenverkehr zu gehen, dezentral, hochsicher und anonym. Das sind alles Dinge, die mir sehr gefallen. Ich denke da etwa an die totale Nachverfolgbarkeit von Lebensmitteln vom Produzenten bis zum Endkonsumenten, die vollautomatische Aussteuerung von Energienetzen. […] Ich denke, dass Token-basierte Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum, Dash gerade viel Aufmerksamkeit erfahren, ob das das Hauptthema rund um Blockchain bleiben wird, weiß ich nicht. […] Ich würde das Thema regulatorischer Sanboxes, wenn wir weiter Regierungsverantwortung haben, weiter vorantreiben.
Kryptowährungen in der Grauzone
Mahrer: Wir wollen nichts begünstigen, was in irgendeiner Art und Weise Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung, Drogen- oder Waffenhandel fördert. Wenn wir einen Freiraum schaffen, dann muss der so geschaffen werden, dass die negativen Effekte eingedämmt oder verhindert werden können. Das ist mit der richtigen Regulatorik machbar. Entscheidend ist, dass wir in internationalem Wettbewerb stehen und schnell sein müssen. Ich glaube, dass wir für unsere Startup- und Innovations-Community viel machen können, wenn wir einer der Top 5 Standorte für ICOs werden. Kann ich mir vorstellen, und ist gar nicht so schwierig, wenn wir ein sauberes regulatorisches Setup machen, und dann muss man es dementsprechend bewerben. Bei mir wäre das auf einer Arbeitsagenda ganz oben, zu fragen, wie können wir das Thema ICO für uns nutzen, auch vor dem Hintergrund, dass sich da einige global gesehen schon wieder in die Pampers machen.
Eigene Kryptowährung für Österreich oder die EU
Mahrer: Da bin ich skeptisch, weil was ist der Nutzen davon? Da hat sich mir noch niemand mit einem vernünftigen Konzept nähern können. […] Ich halte das zum jetzigen Zeitpunkt eher für einen Marketing-Gag. Community-übergreifende Token auf globaler Ebene, etwa für alle, die am Thema Klimawandel arbeiten, so etwas kann ich mir vorstellen. Da hätte ich selber Geschäftsideen für einen Zeitpunkt nach der Politik. […] Wir haben den Euro als offizielle Währung, warum sollten wir da eine eigene österreichische Kryptowährung machen. […]
Wirtschaftsminister unter Kurz?
Mahrer: Das bin ich oft gefragt worden. Ich habe ja nicht für den Nationalrat kandidiert, weil ich für den Fall, dass die neue Volkspartei in Opposition gehen muss, ich wieder meiner unternehmerischen Tätigkeit nachgehen will. Aber so wir einen Regierungsauftrag mit Sebastian Kurz in der Regierung bekommen und Sebastian Kurz mich fragt, das zu übernehmen, werde ich mir das gut überlegen und kann mir das weiterhin sehr gut vorstellen. Ich habe mich auch jetzt massiv im Programm eingebracht und hätte noch einiges für das Innovationsland Österreich vor. […]