Wirtschaftsministerin Schramböck: „Ich glaube, das bedingungslose Grundeinkommen braucht es nicht“
Zuerst CEO von NextiraOne, einem, IT-Kommunikationsunternehmen mit Sitz in Paris, dann CEO von Dimension Data Austria und zuletzt CEO von A1 Telekom Austria. Vor ihrem Antritt als Ministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) hat Margarete Schramböck (1970 in Tirol geboren) eine Reihe von Führungspositionen in großen IT-Unternehmen inne gehabt.
Seit Anfang des Jahres leitet sie nun das BMDW uns ist in Sachen Startups- und Digitalisierungsthemen stets präsent. Regelmäßig lädt sie Vertreter der Startup-Szene ins Ministerium zum Frühstück, um vor Ort über aktuelle Themen zu diskutieren. Zuletzt besuchte Schramböck China und Südkorea, um die beiden Länder, die in Sachen neuer Technologien sehr weit vorne sind, für österreichische Unternehmen leichter zugänglich zu machen.
Trending Topics hat die Gelegenheit beim Startup-Frühstück genutzt, um mit der Ministerin über Strategien bei Künstlicher Intelligenz, digitale Behördengänge und das Bedingungslose Grundeinkommen in Zeiten zunehmender Automatisierung zu sprechen.
Trending Topics: Digitalisierung ist einer der am häufigsten verwendeten Begriffe im Regierungsprogramm. Mehr als 90 Mal kommt er vor – fast doppelt so oft wie zum Beispiel Frauen. Können Sie den Begriff eigentlich noch hören?
Margarete Schramböck: Ja, das ist ja mein Ministerium und ich bringe bei diesem Thema seit mehr als 20 Jahren etwas voran. Es ist aber natürlich ein Thema, das über die Zeit verschwinden bzw. selbstverständlich werden sollte. Die Digitalisierung wird unser Leben begleiten und sollte deshalb nie als gesonderter Bereich betrachtet werden.
Warum sind die Digitalisierungsagenden im Wirtschaftsressort angesiedelt? Ist das nicht ein Thema, das jedes Ressort betreffen sollte?
Es ist zum ersten Mal ein Ministerium geschaffen worden, das Digitalisierung und Wirtschaftsstandort heißt. Wir arbeiten als Digitalisierungsministerium aber auch an Lösungen, die mit dem Wirtschaftsstandort nur indirekt zu tun haben. Ein Beispiel dafür ist die App Österreich.gv.at, mit der jeder Bürger und jede Bürgerin Behördenwege digital abwickeln kann (ab Anfang 2019, Anm.).
Die neue Digitalisierungsagentur (DIA) wurde mit bekannten Gesichtern der Startup-Szene besetzt. Was genau sind ihre Aufgaben, an welchen konkreten Projekten soll gearbeitet werden?
Wir freuen uns sehr, dass wir Andreas Tschas (ehem. Pioneers, Anm.) als Leiter gewinnen konnten. Die Aufgaben sind ganz klar auf die mittelständische Wirtschaft ausgerichtet. Es geht darum, KMU zu helfen, bei der Digitalisierung möglichst schnell zu sein und die Chancen möglichst gut zu nutzen. Eine konkrete Maßnahme sind die Innovation Hubs. Mittelständische Unternehmen tun sich oft schwer, wenn sie Innovationen oder neue Produktionswege testen wollen. Es soll in jedem Bundesland einen Innovation Hub geben, wo mittelständische Unternehmen hingehen können und zum Beispiel erfahren, wie sie 3D-Druck bei der Produktion von Glocken oder Tischen einsetzen können. Die DIA hat als eine der Hauptaufgaben, diese Innovation Hubs einzurichten. Anfang nächsten Jahres werden die ersten drei starten – insgesamt sollen es neun in ganz Österreich werden.
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Die Digital-Sorgen von KMU sind oft ganz andere als die von Startups. Viele KMU haben keine Website oder keinen Online-Shop. Wie kann man diese Brücke schlagen?
Das ist tatsächlich so, dass mittelständische Unternehmen oft erst am Anfang stehen. Nur 30 Prozent der österreichischen Unternehmen verkaufen über das internet. Aber 80 Prozent der 40-Jährigen kaufen im Internet ein. Was passiert? Kaufkraft fließt ins Ausland ab. Wir müssen also ganz am Anfang ansetzen: was bedeutet Digitalisierung für mich, wenn ich einen Friseurbetrieb habe, wenn ich eine Tischlerei habe. Da werden die Antworten durchaus unterschiedlich sein.
Wer kümmert sich um die negativen Folgen der Digitalisierung, wie Fake News oder Hass im Netz?
Wir haben auch dieses Thema auf unserer Agenda. Der erste Schritt ist, dass man grundsätzlich mehr darüber diskutiert. Es wird Dialoge mit Bürgerinnen und Bürgern geben, die die Digitalisierungsagentur umsetzt. Was sind die Herausforderungen? Das ist das Thema Sicherheit im Netz, das ist der Umgang miteinander im Netz, das Thema Fake News und verschiedene mehr. Die DIA hat ein zweites Standbein, nämlich genau diese Dialoge mit den Menschen aufzubauen. Wir starten damit nächsten Jänner. Wir fördern auch ganz konkret eine Stelle, bei der sich Menschen melden können, die von Hass im Netz betroffen sind.
Kommen wir zu einem Aspekt der Digitalisierung. Künstliche Intelligenz wird zu einem entscheidenden wirtschaftlichen Faktor. Die USA und China ziehen uns aber davon – kann Europa überhaupt noch aufholen?
Europa ist sehr gut bei dem Thema Business-to-Business. Für Consumer gibt es die großen Plattformen, die in den USA entstanden sind – ja, da hat Europa den Zug verpasst. Wichtig ist jetzt, dass wir uns auf den Bereich Business-to-Business fokussieren, auf unsere Hidden Champions, auf unsere Leitbetriebe. Da braucht es gute Rahmenbedingungen, damit die schnell vorankommen. Wir haben deshalb auf europäischer Ebene eine neue Industriepolitik aufgelegt. Ich bin momentan im Rat die verantwortliche Ministerin.
Die neue Industriepolitik basiert auf AI und Robotics. Für Unternehmen soll es leichter werden, in diese Themen zu investieren. Wir müssen hier über alle EU-Länder zusammenarbeiten. Beim letzten Wettbewerbsrat haben wir uns darauf geeinigt, dass wir entsprechende Aktionspläne in den Ländern umsetzen wollen. Da wird es auch Fördergeld geben. Ich bin nicht immer nur für Förderungen, aber es geht um wichtiges Kapital, um die Forschung im Bereich AI anzukurbeln und mehr Firmen in den Markt zu bringen.
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Um Künstliche Intelligenzen zu trainieren, braucht man Massen an Daten. Europa ist aber – Gott sei Dank – Vorreiter bei strengem Datenschutz. Wie kann dieser Spagat gelingen?
Da werden immer zwei Dinge miteinander vermischt. Das eine ist der Schutz meiner ganz persönlichen Daten. Wenn wir aber zum Beispiel wollen, dass Krebs rechtzeitig festgestellt wird, dass das Hautbild aus vielen vielen Bildern erkannt wird, dann werden wir auch – anonymisiert – die Daten zur Verfügung stellen müssen. Ich setze da gerade im Rat einen wichtigen Schritt, der nennt sich Public Sector Information (die entsprechende Richtlinie wird überarbeitet, Anm.). Informationen aus dem öffentlichen Bereich, die anonymisiert sind, sollen in einem Pool zur Verfügung gestellt werden. Auf dieser Basis können Forschungseinrichtungen ihre Aktivitäten aufbauen. Im persönlichen Datenschutz liegen wir weit vorne – das sollten wir uns erhalten. Daten anonymisiert in einen Pool zu geben, damit geforscht werden kann, davon profitiert jeder Einzelne.
Durch Künstliche Intelligenz werden sehr viele Jobs wegfallen. Welches der möglichen Rezepte gefällt ihnen am besten?
Was oft passiert, ist, dass die Angst größer ist als die Wahrnehmung der Chancen. Das ist auch ein bisschen typisch österreichisch – zuerst fürchten wir uns ordentlich, dann können wir lange nicht denken und dann reagieren wir erst. Es ist ganz wichtig, dass wir den Blick auf die Chancen richten. Wir haben ja Zeit und die Möglichkeit, uns weiterzuentwickeln und die notwendigen Schulungen und Trainings anzubieten. Deshalb habe ich den Pakt für digitale Kompetenz ins Leben gerufen – mit der Wirtschaft und mit anderen Ministerien. Was tun wir hier? In allen ganz unterschiedlichen Lebenslagen sollen Menschen fit fürs Internet gemacht werden.
Heute haben wir zusätzlich die sogenannten Digi-Bootcamps gelauncht, wo Firmen ihre Mitarbeiter schicken können, die über vier Monate ausgebildet werden, damit sie die neuen Herausforderungen ihres Berufes wahrnehmen können. Ein Beispiel aus der Vergangenheit ist das Fräulein vom Amt. In den 50er-Jahren gab es Tausende, die als Fräulein vom Amt agiert haben. Heute gibt es den Job nicht mehr, trotzdem haben wir fast Vollbeschäftigung. Wir haben dafür über 300.000 Menschen, die in der IT- und Telekombranche arbeiten. Die Berufsbilder verändern sich und wir müssen dafür sorgen, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Betrieben, ihren Job noch ausfüllen können. Bestimmte Dinge werden wegfallen. Bei manchen davon ist das ja auch gut, dann können wir andere Dinge tun.
Was halten Sie von der Idee eines Grundeinkommens?
Die Regierung und ich auch stehen nicht für die Idee eines Grundeinkommens. In Finnland gab es den Versuch und der ist abgebrochen worden, er war nicht erfolgreich. Ich stehe dafür, dass man Dinge findet, die man gerne tut. Es gibt für jeden das, was er gerne tut und wo er gut drin ist. Wir haben ganz viele Handwerksbetriebe, es gibt im Bereich Coding ganz viele neue Chancen und es gibt auch in der Pflege ganz großen Bedarf. Ich glaube, das bedingungslose Grundeinkommen braucht es nicht.
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Ihr Vorgänger hat das Thema Startups ganz deutlich auf seine Fahnen geschrieben. Wie sieht ihr Weg zum Startupland Nr. 1 aus?
Wir haben gerade ein Startup-Frühstück gehabt, bereits das dritte. Da arbeiten wir ganz intensiv mit den Startups zusammen. Startups sind sozusagen das Salz in der Suppe. Sie machen einen Wirtschaftsstandort nicht alleine aus, aber sie sind ein Zeichen für einen erfolgreichen Wirtschaftsstandort. Mir ist sehr wichtig, dass sich die vielen mittelständischen Unternehmen nicht zurückgesetzt fühlen.
Wir haben verschiedenste Maßnahmen, um Startups voranzubringen. Zum Beispiel, damit man leichter an Förderungen herankommt, sogenannte Pitch your Idea Events. Das ist eine Möglichkeit, seine Idee vorzustellen und dann die entsprechende Förderung vorgeschlagen zu bekommen (Trending Topics berichtete). Wir wollen schneller werden. Wir werden auch im Rahmen der Steuerreform die Lohnnebenkosten senken und wir schauen, dass wir mehr Fachkräfte in Österreich haben können – aus der EU, aber auch aus Drittstaaten. Da geht es um hochqualifizierte IT-Fachkräfte. Wir überarbeiten gerade die Rot-Weiß-Rot-Karte.
Sie veranstalten regelmäßig ein Frühstück mit Vertretern der Startup-Szene – was waren die wichtigsten Dinge, die sie dort gelernt haben?
Es ist ja bekannt, was zu tun ist, es muss jetzt nur umgesetzt werden. Das Wichtigste war der Zugang zu Fachkräften: wie kann ich es schaffen, IT-Experten in Österreich auszubilden und wie kann ich sie auch nach Österreich holen. Auch wichtig: Wie kann ich ich es nach der Pre-Seed-Finanzierung schaffen, dass Startups in Österreich bleiben? Dass eine N26 nicht nach Berlin gehen muss, sondern dass sie von hier in Österreich aus die Welt erobern kann. Das muss so selbstverständlich werden, wie von anderen Ländern aus. Daran zu arbeiten, ist unsere wichtigste Aufgabe.