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Wisr: „Bei Social-Impact-Startups glauben die Leute sofort, du machst Charity“

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Das Wiener Startup Wisr vermittelt aktive Pensionisten an Arbeitgeber und will so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: alten Menschen eine sinnvolle Tätigkeit geben und eine immer größer werdende Lücke am Arbeitsmarkt schließen. Mit dieser Idee hat das erst 2017 gegründete Social-Impact-Startup jetzt ein erstes Investment über 250.000 Euro eingestreift. Im Interview mit Trending Topics spricht die 32-jährige Gründerin Klaudia Bachinger über die Herausforderungen, vor denen man bei der Entwicklung einer Web-Plattform für ältere Menschen steht, über das aktuelle Investment und ihre Zukunftspläne.

Wisr: „Bei Social-Impact-Startups glauben die Leute sofort, du machst Charity“

Trending Topics: Wisr vermittelt Pensionisten an innovative Unternehmen. Warum macht ihr das und wie funktioniert das genau?

Klaudia Bachinger: Es gibt zwei große Zukunftsthemen, die uns treffen werden. Einerseits gehen uns die Arbeitskräfte aus. Durch die demografische Entwicklung werden wir immer älter und es gibt nicht genug junge Menschen für alle Arbeitsplätze. Alleine in Deutschland werden in den nächsten zehn Jahren acht Millionen Menschen fehlen. Das sind 20 Prozent der Arbeitskräfte. Das betrifft nicht nur Europa, sondern ist weltweit so. Diese Lücke kann man nur über eine starke Migration schließen oder man holt mehr Frauen in den Arbeitsmarkt oder man reaktiviert ältere Menschen. Wir haben uns für die letzte Option entschieden.

Andrerseits ist für Menschen, die jung und fit in die Pension gehen, genau dieser Schritt sehr schwierig. Sie waren es gewohnt, in der Arbeit Wertschätzung zu erfahren und ihr Wissen aktiv einsetzen zu können. Dann gehen sie mit 60 in Pension und verlieren soziale Kontakte, ihr Netzwerk und die Wertschätzung. Das belastet extrem – ich kenne das auch von meiner eigenen Oma. Ich habe live miterlebt, wie schnell die Leute abbauen und depressiv werden. Das wird ein großes gesellschaftliches Thema.

Wie funktioniert eure Plattform genau?

Es funktioniert ein bisschen wie LinkedIn. Auf der einen Seite können sich Firmen registrieren und Jobs ausschreiben. Auf der anderen Seite können sich aktive Pensionisten anmelden und ihre Fähigkeiten präsentieren. Viele unserer „Silver User“ haben noch nie einen Lebenslauf geschrieben und wir helfen ihnen dabei. Die User beantworten einfache Fragen und unser System generiert einen Lebenslauf. Im Zentrum steht nicht der tabellarische Lebenslauf, sondern Interessen, soziale Kompetenzen und Lebens-Highlights.

Sind Unternehmen nicht eher auf der Suche nach jungen Talenten? Wieviele ältere Menschen habt ihr schon vermittelt?

Alle Firmen wollen „jung und dynamisch“. Aber es gibt für jede Lebensphase unterschiedliche Jobs. Wir haben uns auf Jobs spezialisiert, die besonders für ältere Menschen geeignet sind. Wir haben zum Beispiel viele Anfragen für Buchhaltung, Lohnverrechnung und Verkauf – das geht vom Billa-Verkäufer bis hin zur Sales-Expertin. Das ist etwas, was Jüngere oft nicht so gerne machen. Die wollen Online-Marketing oder Growth Hacking. Wir haben uns Jobs herausgepickt, die schwer zu besetzen sind und wo Firmen bereit sind, auch ältere Menschen einzustellen. Immer öfter kommt auch die Frage nach UX- oder Produkttestern für ältere Zielgruppen. Sehr viele Unternehmen bedienen diese Zielgruppe und haben oft keine Leute, die das mitgestalten.

Wieviele Menschen wir vermittelt haben, ist schwer zu sagen. Zu Beginn habe ich die Vermittlung immer offline gemacht. Wir haben ungefähr 500 User und bei den Firmenprofilen sind wir jetzt im Aufbau.

Womit verdient ihr Geld?

Wir haben bisher von den Firmen eine Provision bekommen. Sobald die Plattform funktional ist, bezahlen die Firmen bereits für den Zugang zur Plattform und sie können sich als Generationen-freundlicher Arbeitgeber branden. Wir haben auch noch ein paar Zusatzleistungen, die unabhängig von der digitalen Plattform sind. Da fallen Consulting-Leitungen, Coaching, Kompetenzanalysen, Workshops für Führungskräfte und ähnliches hinein.

Vor welchen Herausforderungen steht man, wenn man eine Web-Plattform für ältere Menschen entwickelt?

Es ist sehr spannend, sich die Anwenderfreundlichkeit für die Zielgruppe näher anzuschauen. In den meisten Produkten, die jetzt am Markt sind, wird diese Zielgruppe völlig ignoriert, obwohl sie die kaufkräftigste Gruppe ist. Wir haben bemerkt, dass es oft schon daran scheitert, dass jemand nicht versteht, was ein Browser ist. Es gibt viele Kleinigkeiten, bei denen man bemerkt, dass die Zielgruppe das vielleicht ganz anders versteht als die jüngere Generation. Darauf müssen wir einen speziellen Fokus legen.

Vor welchen speziellen Herausforderungen steht man als Social Impact Startup?

Wenn man eine soziale Komponente hat, glauben die Leute sofort, du machst Charity und damit kann es nicht profitabel sein. Das ändert sich jetzt gerade ein bisschen. Mittlerweile gibt es viele Impact Investoren, die nur in gesellschaftlich relevante Themen investieren. Bei unserer Fundraising Round war das eigentlich gar kein Thema. Unsere Investoren sind überzeugt, dass unsere Plattform ein wichtiges Zukunftsthema ist. Zusätzlich haben wir auch ein valides Businessmodell.

Was habt ihr mit dem Geld des Investments vor?

Wir haben letztes Jahre eine Wirtschaftsagentur-Förderung über 100.000 Euro bekommen. Damit haben wir einen Prototypen entwickelt. Nicht abgedeckt waren die Marketingleistungen und Sales. Genau das können wir jetzt mit den 250.000 Euro machen. Wir können Growth Hacking machen und verschiedene Kanäle testen. Wir haben im Sales einen neuen 63-jährigen Mitarbeiter und werden noch einen zusätzlichen Entwickler einstellen. Wir wollen in den nächsten 12 Monaten 10.000 Silver User erreichen und 30 Corporate Partner.

Der Jobvermittlungsmarkt ist gut gesättigt. Wie geht ihr mit Konkurrenz um?

Das ist eine Frage, die sehr oft kommt. Das AMS hat ja jetzt auch 50+-Initiativen. Die ganze berufliche Lebensphase wird am Markt wirklich schon sehr gut abgedeckt. Die nachberufliche Lebensphase wird aber noch gar nicht abgedeckt. Für aktive Pensionisten gibt es eigentlich nichts und schon gar nicht im Online-Bereich. Wir schützen uns außerdem durch strategische Partnerschaften vor Nachmachern und versuchen in der Anwenderfreundlichkeit einen Fokus zu legen. Eine Plattform, die für 20-Jährige funktioniert, kann nicht automatisch für 60-Jährige funktionieren. Das Recruiting wird grundsätzlich immer Zielgruppen-orientierter.

Du bist eine von wenigen Startup-Gründerinnen. Wie ist es, in so einem stark männerdominierten Umfeld zu arbeiten?

Wir sind da wirklich etwas speziell, weil wir zwei Geschäftsführerinnen sind. Wir haben zwar den Martin an Bord, der unser dritter Gründer ist, aber als Frauen stehen wir oft im Vordergrund. Mich stört das nicht, ich nehme das zum Teil auch als Vorteil wahr. Es ist zum Beispiel im Recruiting leichter – bei uns bewerben sich viele Frauen.

Warum denkst du gründen so wenige Frauen?

Ich glaube, es trauen sich viele Frauen nicht zu. Man denkt sich vielleicht, nicht gut genug zu sein und eigentlich gar nicht qualifiziert. Das hält viele Frauen davon ab. Wir haben auch einen antrainierten Perfektionismus, weil Mädchen immer alles perfekt machen müssen, während kleine Jungs auf die Nase fallen dürfen. Das ist schon noch sehr tief in uns drinnen.

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