„Women are over-mentored and underfunded“: Startup-Szene bleibt „Boys Club“
Im ersten Halbjahr 2023 ist das Finanzierungsvolumen für österreichische Start-ups um 60 Prozent auf 356 Millionen Euro gesunken. Dies entspricht einem Rückgang von rund 33 Prozent im Vergleich zu 2021. Trotzdem ist es immer noch das größte Finanzierungsvolumen für ein erstes Halbjahr und liegt um 140 Prozent über dem bisher stärksten ersten Halbjahr 2020. Die Anzahl der Finanzierungsrunden stieg hingegen um 15 Prozent auf 91 und erreichte damit einen neuen Rekord für einen Halbjahreszeitraum in Österreich.
Die Investitionen in österreichische Start-ups gehen weiterhin fast ausschließlich an rein männlich besetzte Gründungsteams. Bei 82 Prozent der Finanzierungsrunden im ersten Halbjahr 2023 bestanden die Gründungsteams nur aus Männern. Bei 15 Prozent waren sowohl männliche als auch weibliche Gründer:innen beteiligt, während nur drei Prozent der Finanzierungsrunden von rein weiblich besetzten Führungsteams durchgeführt wurden. Trotz zahlreicher Initiativen, die zum Ziel haben, mehr Frauen in Führungspositionen in der Startup-Szene zu etablieren, zeigen sich keine Resultate.
Laut dem Female Funding Index H1/2023 von Female Founders, Fund F und EY profitieren weibliche Gründerinnen nach wie vor nur begrenzt von Kapitalinvestitionen. Im ersten Halbjahr 2023 erhielten sie lediglich 18 Prozent der Investments, obwohl der Anteil der Female Start-ups in Österreich bei 36 Prozent liegt. Das Ungleichgewicht zeigt sich auch beim Finanzierungsvolumen, da 89 Prozent des investierten Kapitals in Start-ups und Scale-ups mit rein männlichen Gründungsteams flossen.
Was Österreichs Female Founders für nachhaltigeres Gründen brauchen
Nur jeder zehnte gefundete Founder weiblich
Insgesamt waren 153 Gründer:innen im ersten Halbjahr 2023 an zumindest einer Finanzierungsrunde beteiligt. Nur 15 dieser 153 Gründer:innen und damit rund jede:r zehnte Gründer:in war weiblich. Damit liegt der Anteil an Gründer:innen mit einer Investitionsrunde deutlich unter dem jährlichen Durchschnitt (17 %).
Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit früheren Studien, die gezeigt haben, dass der Anteil von Frauen in der Gründerszene in Österreich höher ist als der Anteil an Kapitalinvestitionen. Laut dem Austrian Startup Monitor wurden 2022 knapp 39 Prozent der Start-ups von Frauen gegründet, während nur 18 Prozent der Investments an Female Start-ups gingen.
Das strukturelle Ungleichgewicht in der Start-up-Finanzierung zeigt, dass der österreichische Markt immer noch ein „Boys Club“ ist. „Female (co-) founded Unternehmen können offensichtlich nicht von diesem Trend profitieren. Sogar ganz im Gegenteil: Im ersten Halbjahr 2023 ist weniger Kapital an Unternehmen mit mindestens einer Gründerin geflossen als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber nicht nachvollziehbar, da die Performance von gemischten Teams nachweislich besser ist. Das zeigt uns auch eindeutig die Auswertung des Gründerinnenanteils nach Höhe der Finanzierungsrunden: Den höchsten Anteil an Gründerinnen sehen wir bei den wenigen Unternehmen, die es geschafft haben, zwischen zehn und 50 Millionen Euro einzusammeln und entsprechend fortgeschritten in ihrer Unternehmensentwicklung sind. Wirtschaftlicher Erfolg und Diversität gehen also nachweislich Hand in Hand“, so Lisa-Marie Fassl, Managing Partner bei Fund F, in einer Aussendung.
„Ich glaube wir kennen mittlerweile alle die notwendigen Maßnahmen, um mehr Kapital für gender-diverse Teams zu mobilisieren. Aber leider passiert hier von politischer Seite noch immer wenig bis nichts, das tatsächlich einen relevanten Unterschied macht. Um es auf den Punkt zu bringen: ‚Women are over-mentored and underfunded‘. Und das gilt nicht nur für die Startup-Welt, sondern beinahe jeden Bereich der Wirtschaft“, so Fassl weiter.