WWF: Plastikverschmutzung belastet den Globalen Süden zehnmal mehr
Die Ergebnisse einer aktuellen Studie im Auftrag der Umweltschutzorganisation WWF (World Wide Fund for Nature), durchgeführt von der Beratungsfirma Dalberg, zeigen, dass vor allem Länder im Globalen Süden die schwerwiegenden Konsequenzen der globalen Plastik-Krise in vollem Umfang tragen müssen. Daher setzt sich der WWF für ein starkes UN-Abkommen ein, das klare und einheitliche Regeln für die Produktion und den Gebrauch von Plastik festlegt.
Geringe Kosten, hohe Belastungen
Plastik ist ein unverzichtbares Material, das in unserem Alltag weit verbreitet ist. Es ist preisgünstig, vielseitig einsetzbar und einfach herzustellen. Doch hinter dieser vermeintlichen Wirtschaftlichkeit verbirgt sich ein erheblicher sozialer Preis, der ungleichmäßig aufgeteilt ist. Eine jüngst veröffentlichte Studie im Auftrag des Umweltschutzverbandes WWF (World Wide Fund for Nature), durchgeführt von der Beratungsfirma Dalberg, zeigt, dass vor allem ärmeren Ländern die Auswirkungen der weltweiten Plastikkrise stark zu schaffen machen. Die gesamte Plastik-Wertschöpfungskette, beginnend bei der Rohstoffgewinnung, über die Produktion und Nutzung bis hin zur Entsorgung und Plastikmüllverschmutzung, ist von strukturellen Ungerechtigkeiten geprägt, die das weltweite soziale Ungleichgewicht weiter verschärfen.
Ungerechte Verteilung von Umweltschäden
“Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen tragen bis zu zehnmal höhere Kosten der weltweiten Plastik-Krise als reiche Industrienationen, obwohl sie pro Kopf fast dreimal weniger Plastik verbrauchen. Wir brauchen dringend ein starkes, internationales Abkommen, um diese Schieflage zu korrigieren und die Plastik-Flut zu stoppen”, sagt WWF-Experte Axel Hein mit Blick auf die gestern gestarteten UN-Verhandlungen in Nairobi, Kenia.
Während in wohlhabenden Industrienationen die geschätzten Gesamtkosten für ein Kilogramm Plastik bei 19 US-Dollar liegen sollen, steigen die Kosten, dem Report nach, in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen um das Achtfache, und zwar auf 150 US-Dollar. Bei einer ausschließlichen Betrachtung von Staaten mit niedrigem Einkommen würden sich die Kosten sogar auf das Zehnfache erhöhen, nämlich auf 200 US-Dollar pro Kilogramm Plastik.
Plastikmüll seit dem Jahr 2000 auf 353 Millionen Tonnen verdoppelt
Die zusätzlichen Kosten im Globalen Süden entstehen hauptsächlich aufgrund der Umweltauswirkungen des Plastiksystems, wie beispielsweise Luftverschmutzung und der Verschmutzung von Gewässern und der Natur. Das liegt daran, dass die weltweite Menge an Plastikmüll seit dem Jahr 2000 auf 353 Millionen Tonnen verdoppelt hat. Allerdings wird nur ein kleiner Teil dieses weltweiten Plastikmülls recycelt – nur etwa zehn Prozent. Die restlichen 20 Prozent landen auf problematischen Deponien, werden unkontrolliert in die Umwelt freigesetzt oder illegal verbrannt.
Länder im Globalen Süden sind dabei jedoch oft unzureichend ausgestattet, um den Ansturm von Plastikmüll zu bewältigen. Das führt nicht nur zu direkten Umweltschäden, sondern stellt auch eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit benachteiligter Bevölkerungsgruppen dar. Krankheiten, die mit unsachgemäßer Abfallbewirtschaftung in Verbindung stehen, führen jährlich zu bis zu einer Million Todesfällen, wovon 93 Prozent in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen auftreten. Zudem sind die Arbeitsbedingungen in der Abfallentsorgung oft gefährlich für die Arbeiter:innen.
Details: Plastik-Müll in den Ozeanen
Beispielsweise führt die mangelhafte Abfallentsorgung in ärmeren Ländern dazu, dass weggeworfenes Plastik in Flüssen landet und schließlich in die Ozeane gelangt. Dies hat verheerende Konsequenzen für die marine Nahrungskette. Schätzungen zufolge treiben etwa 150 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Weltmeeren, was katastrophale Auswirkungen auf die Tierwelt hat. Diese reichen von Tieren, die Plastik im Magen haben, bis hin zu tödlichen Umwicklungen von Plastik um den Hals und der Aufnahme schädlicher Chemikalien in den Blutkreislauf.
Bis zu 90 Prozent aller Seevögel und 52 Prozent aller Meeresschildkröten verschlucken bereits Plastik. Korallenriffe und Mangrovenwälder, die zu den wichtigsten marinen Ökosystemen gehören, werden besonders stark von der Verschmutzung betroffen.
WWF will internationales Abkommen
“Das derzeitige Plastik-System ist tödlich. Ohne dringend nötige Reformen wird sich die Krise nur noch verschlimmern und dabei die Schwächsten weiterhin am härtesten treffen. Wir müssen die Verursacher viel stärker in die Pflicht nehmen”, so Hein.
Der WWF fordert daher dringend ein starkes internationales Abkommen, das verbindliche und einheitliche Regeln für die Produktion und den Verbrauch von Plastik vorsieht. Ein effektives Abkommen sollte problematische Kunststoffprodukte verbieten und die Produktion von besonders schädlichen oder toxischen Polymeren und Chemikalien auslaufen lassen. Ein weltweites Verbot von risikoreichen und unnötigen Einwegplastik-Produkten, wie Plastikbesteck oder Zigarettenfilter, sollte Teil der Lösung sein, da Einwegplastik-Produkte 60 Prozent des weltweit produzierten Kunststoffs ausmachen. Darüber hinaus sollte das Abkommen Regeln zur Verbesserung der Wiederverwertbarkeit und Recyclingfähigkeit von Plastikprodukten enthalten.
Die Studie des WWF unterstreicht die dringende Notwendigkeit, die globalen Auswirkungen der Plastik-Krise zu adressieren und die Verantwortlichen stärker in die Pflicht zu nehmen. Ein gerechtes internationales Abkommen zur Regulierung von Plastik ist von entscheidender Bedeutung, um das soziale Ungleichgewicht zu korrigieren und unsere Umwelt zu schützen.
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