Carbon Removal

Zertifizierte CO2-Entnahme soll zum Billionen-schweren Geschäft in der EU werden

Direct Air Capture-Anlage "Orca" von Climeworks und Carbfix fängt CO2 aus der Luft © Climeworks
Direct Air Capture-Anlage "Orca" von Climeworks und Carbfix fängt CO2 aus der Luft © Climeworks
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Bis 2050 will die EU Europa als ersten Kontinent der Welt klimaneutral machen – und dafür wird es nicht reichen, durch Energie- oder Mobilitätswende CO2 einzusparen. Gleichzeitig muss das seit Jahrzehnten in die Atmosphäre entlassene CO2 entfernt werden. Und dafür will die EU-Kommission nun strenge Regeln einführen, was als echte CO2-Entnahme (Carbon Removal) gilt und was nicht.

„Mehr Transparenz wird bei Interessenträgern und Industrie Vertrauen schaffen und Grünfärberei verhindern. Der CO2-Abbau kann und muss eindeutige Vorteile für das Klima mit sich bringen, und die Kommission wird Maßnahmen zum CO2-Abbau Vorrang einräumen, die erhebliche Vorteile für die biologische Vielfalt haben“, heißt es dazu aus Brüssel. Im Vorfeld war es bereits zu Kritik gekommen, weil die EU offenbar vorhat, dass technisches Carbon Capture (z.B. mit den CO2-Staubsaugern von Climeworks) mit der CO2-Speicherung in Böden, Bäumen oder Produkten gleichgesetzt wird (mehr dazu hier).

Billionen-Geschäft im Entstehen

Weil es mittlerweile einen unregulierten Wildwuchs von CO2-Zertifikaten, der Greenwashing Tür und Tor öffnet, gibt, soll es in der EU künftig strenge Kontrollen über die nachhaltige, umweltfreundliche und langfristige CO2-Entnahme geben. Über ein öffentliches Register soll dann auch ein neuer Markt für die zertifizierte CO2-Entnahme entstehen. „Die zertifizierte CO2-Entnahme schafft neue Geschäftsmöglichkeiten für Landwirte, Forstwirte und Landbewirtschafter, die sich für Klima und Umwelt besonders ins Zeug legen wollen“, meint etwa Frans Timmermans, Exekutiv-Vizepräsident für den europäischen Green Deal.

Daraus kann tatsächlich ein Billionen Euro schwerer Markt entstehen. In der EU ist eine Tonne CO2 aktuell etwa 85 Euro wert. Den USA, die kürzlich mit dem „Inflation Reduction Act“ das ambitionierteste Klimaschutzgesetz der Welt erließen, ist eine entfernte Tonne CO2 etwa 180 Dollar wert. In Europa muss, umdie Klimaziele zu erreichen, alleine im Sektor Landnutzung und Forstwirtschaft (LULUCF) eine Nettomenge von 310 Millionen Tonnen CO2 abgebaut werden.

In der EU müssen mehrere hundert Millionen Tonnen CO2 pro Jahr aus der Atmosphäre zum Ausgleich der verbleibenden Emissionen entfernt werden. Das zeigt bereits heute das Potenzial für einen riesigen neuen Markt. Über die Jahre wird das enorm viel Geld sein, dass sich mit Carbon Removal verdienen lässt. Deswegen werden CO2-Staubsaugern wie jenen des Schweizer Unicorns Climeworks auch so großes Marktpotenzial vorhergesagt.

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Was ist echte CO2-Entnahme?

Die EU-Kommission will ziemlich streng dabei sein, was als wirkliche CO2-Entnahme gilt und was nicht. Dazu wurden folgende Felder definiert:

  • Dauerhafte Speicherung
    • Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (bioenergy with carbon capture and storage, BECCS): z.B. Verarbeitung von Biomasse
    • Direkte CO2-Abscheidung aus der Luft und CO2-Speicherung (direct air capture and storage, DACCS): z.B. Climeworks‘ CO2-Staubsauger in Kombination mit Carbfix‘ Speicherung des CO2 im Boden
  • Klimaeffiziente Landwirtschaft
    • CO2-Speicherung in Böden und Wäldern verbessern (z. B. Agroforstwirtschaft, Wiederherstellung von Wäldern, bessere Bodenbewirtschaftung)
    • Freisetzung von CO2 aus Böden in die Atmosphäre verringern (z. B. Wiederherstellung von Torfflächen)
  • CO2-Speicherung in Produkten: Atmosphärisches CO2, das mithilfe von Bäumen oder industriellen Technologien abgeschieden wird, kann auch in langlebigen Produkten und Materialien wie Baumaterialien auf der Basis von Holz oder gebundenem Karbonat verwendet und gespeichert werden.

Die Abscheidung von fossilem CO2 zur Speicherung (CCS) oder Nutzung (CCU) soll nicht gelten. „Diese Technologien tragen zwar dazu bei, fossile CO2-Emissionen zu recyceln oder zu speichern, es wird aber kein CO2 aus der Atmosphäre entnommen“, heißt es seitens EU-Kommission. Das bedeutet also, dass Öl- und Gaskonzerne keine CO2-Entnahme betreiben, nur weil sie das Treibhausgas direkt bei ihren Raffinierien einfangen und irgendwo speichern.

In Stein gemeisselt ist aber noch nichts. Der vorliegende Vorschlag der EU-Kommission wird nun in den nächsten Monaten (oder sogar Jahren) mit dem EUJ-Parlament sowie den EU-Mitgliedsstaaten verhandelt. Eine erste Sitzung ist für das erste Quartal 2023 geplant, heißt es aus Brüssel.

EU will Carbon Removal zertifizieren – Kritik von Umweltorganisationen

CO2-Ausgleich ≠ CO2-Entnahme

CO2-Entnahme muss man unbedingt von CO2-Ausgleich trennen. Zweiteres ist heute weit verbreitet, und zwar vor allem durch CO2-Zertifikate, die sich Firmen kaufen, um den eigenen Klimafußabdruck zu mindern. Der Klassiker sind Baumpflanzungen über verschiedenste Anbieter: Unternehmen A bezahlt Unternehmen B dafür, dass es Bäume (meist in fernen Ländern) pflanzt, und erhält dafür ein Zertifikat. Wie mehrmals berichtet, sind vor allem Umweltschützer:innen strikt gegen diese Art der Kompensation, weil man Gefahr läuft, dass die CO2-Reduktion doppelt gerechnet wird (mehr dazu hier). Der Konsument:innenschutz in Deutschland will gar Marketing verbieten, dass Klimaneutralität behauptet. Der Handel mit freiwilligen Kompensationszertifikaten sei nicht reguliert, und deswegen nicht verlässlich und transparent.

CO2-Entnahme hingegen soll viel strenger sein. Unabhängige Prüfstellen sollen genau kontrollieren, wie und ob Unternehmen oder Organisationen CO2 wirklich dauerhaft der Umwelt entnehmen. Daraus soll dann ein regulierter Markt für CO2-Entnahmezertifikate mit einem öffentlichen Register entstehen, um Schummeleien oder Betrug vorzubeugen.

Klimaneutral durch Bäumepflanzen? Umweltschutz-NGOs sehen es „kritisch“

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