Zillertal: Österreich bekommt eine der ersten Wasserstoffbahnen der Welt
„Tuutuuut!“ „Tschtschtsch!“ „Töfftöfftöff!“ Wie werden Kinder in Zukunft einen Zug nachmachen? Mit dem Start in die neue Wasserstofftechnologie im Bahnverkehr bleibt einmal abzuwarten, wie der Nachwuchs künftig das leise Gleiten der Brennstoffbahnen und deren Lüfter vertonen werden. Jedenfalls: Ab 2023 wird es in Österreich die erste Wasserstoffbahn geben, wie Helmut Schreiner, Vorstandsmitglieder der Zillertaler Verkehrsbetriebe, bei der Konferenz energy2050 gezeigt hat.
“Die Anrainer sehnen die neue Bahn schon herbei”, sagt Schreiner im Gespräch mit Trending Topics. Die Wasserstoffbahn wird im Zillertal zwischen Jenbach und Mayrhofen fahren und auf einer 45-Minuten-Fahrt durch 18 Stationen rund 450 Fahrgäste transportieren. Produziert werden die Fahrzeuge vom Schweizer Hersteller Stadler Rail und sollen 2022 an die Zillerbahntal geliefert werden. Sie wird die derzeit im Einsatz befindlichen Dieselzüge ersetzen und nicht nur leiser sein, sondern mit Hilfe von grünen Wasserstoff CO2-neutral fahren. Im Vergleich zu den Dieselzügen können so mehr als 2.000 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr eingespart werden.
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„Der Wasserstoffzug ist günstiger“
„Wir wollten die Eisenbahn elektrifizieren, um die Fahrzeiten zu verkürzen. Bei den Dieselmotoren wird nicht mehr weiter entwickelt“, sagt Schreiner. So sei man vor der Entscheidung gestanden: entweder eine H2-Bahn, oder ein herkömmlicher Elektrozug. Die Kostenvergleichsrechnung hätte dann ergeben: „Der Wasserstoffzug ist auf den Zugkilometer gerechnet um sechs Prozent günstiger“, sagt Schreiner im Gespräch mit Trending Topics.
Wasserstoffzüge seien zwar tendenziell teurer als Elektrotriebzüge, weil sie neu entwickelt werden müssen. Doch dafür würde man sich die teure Oberleitung, die Elektrozüge brauchen, sparen. Ein H2-Zug kostet etwa 8 Prozent mehr als ein Wechselstromzug, dafür spart man sich aber wie gesagt die Oberleitung.
Insgesamt kostet das Projekt „Zillertalbahn 2020+“, gerechnet auf 30 Jahre, rund 156 Millionen Euro. Denn es müssen nicht nur die entsprechenden Züge angeschafft werden, sondern auch die Infrastruktur gebaut werden. Neben dem Neubau des Bahnhofs Mayrhofen ist es vor allem die Wasserstoffinfrastruktur, die kostet. Denn der H2 wird lokal per Elektrolyse-Verfahren produziert werden – und zwar mit Hilfe der zahlreichen Wasserkraftwerke im Zillertal in Kooperation mit der Verbund Hydro Power GmbH.
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Lokal produzierter, grüner Wasserstoff
Ebenfalls Fakt: Die Wasserstoffbahn wird mehr Stromverbrauch (etwa um den Faktor 1,8) verursachen als ein Elektrozug. Denn in dem Verfahren wird Strom in den chemischen Energiespeicher H2 umgewandelt, und die Brennstoffzellen an Bord wandeln den Wasserstoff dann zurück in elektrische Energie. Die Abwärme bei den Umwandlungsschritten soll aber genutzt werden, um die Bahnhofsanlagen und die Fahrzeuge zu beheizen. Und: Wenn Wasserstoff lokal produziert wird, könnten so auch die derzeit im Tal fahrenden Dieselbusse auf die Brennstoffzelle umgerüstet werden.
Sicherheitsaspekte sollen ebenfalls für den H2-Zug sprechen: Die Oberleitung fällt weg, und „Wasserstoff ist in freier Wildbahn weitgehend ungefährlich“, sagt Schreiner. „Würde er brennen, würde es eine Stichflamme 12 bis 15 Meter nach oben geben. Da ist die Traktionsbatterie viel gefährlicher.“
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„Die Mobilität auf Nachhaltigkeit umzubauen, ist gut für den Tourismus“
Wenn 2023 also die erste Schmalspurbahn der Welt mit Wasserstoffantrieb in Betrieb gehen wird, wird das viel Aufmerksamkeit auf die Tourismusregion Zillertal lenken. „Die Mobilität auf Nachhaltigkeit umzubauen, ist gut für den Tourismus“, sagt Schreiner. Während die Nächtigungen im Winter stagnieren, wächst die Gästezahl im Sommer von Jahr zu Jahr. Bis 2040 sollen 4,5 Millionen Fahrgäste pro Jahr transportiert werden, das ist fast eine eine ordentliche Steigerung zu heute (2018: 2,9 Millionen).
Und da ist es auch klar, dass der Tourismus die Wasserstoffbahn mitfinanzieren wird. Jeder Gast über 16 Jahren zahlt eine Tourismustaxe, ein Teil davon finanziert den öffentlichen Verkehr mit. Dieses Geld soll neben Bund, Land und Gemeinden teilweise in die H2-Bahn fließen. „Dafür haben die Gäste im Gegenzug die Möglichkeit, den Zug kostenlos zu benutzen“, sagt Schreiner. Und weiter: „Für die Einheimischen wird es rund einen Euro am Tag kosten, um die Züge benutzen zu können.“
2022 wird Hersteller Stadler Rail die H2-Züge liefern, dann wird getestet. Kann die Wasserstoffbahn Vorbildwirkung auf andere Regionen haben? „Die Wasserstoffbahn muss genau analysiert werden, wo sie wirtschaftlich Sinn macht und wo nicht“, sagt Schreiner. Denn es kommen verschiedene Faktoren zusammen. Je mehr Triebzüge auf einer Strecke benötigt werden, umso teurer wird es. Auch Steilstrecken mit viel Verkehr sprechen eher für Elektrozüge. Heißt: Der Fall der Zillertalbahn kann nicht einfach etwa aufs Murtal oder andere Regionen umgelegt werden.
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Verzicht auf autonomes Fahren
Wenn der Plan mit dem H2 nicht aufgeht, ist übrigens nicht viel verloren. „Sollte die Wasserstofftechnologie wider Erwarten nicht funktionieren, könnte man die Züge mit relativ geringem Aufwand auf herkömmlichen Elektroantrieb umbauen“, sagt Schreiner. Die Oberleitung müsse dann eben noch gebaut werden. Doch das Projekt sei schon weit fortgeschritten.
Die Züge selbst werden den Fahrgästen eine leisere, schnellere und CO2-neutrale Reise durchs Zillertal bieten. Auch WLAN und Ladestationen für Elektrofahrräder soll es an Bord geben. Auf eine technologische Neuerung hat die Zillertalbahn übrigens verzichtet. „Was wir nicht gemacht haben, ist, auf autonomes Fahren zu setzen“, so Schreiner. Bedeutet: „Der Personalstand wird sich nicht dramatisch ändern.“