Josef Zotter: „Wenn diese Monsterwirtschaft implodiert, haben wir ein Problem“
Die Coronavirus-Krise hat bisher kaum einen Stein auf dem anderen gelassen. Das radikale Herunterfahren der Wirtschaft hat auch die Kritik am etablierten Wirtschaftssystem salonfähig gemacht: Regionalisierung statt Globalisierung, Nachhaltigkeit statt Kapitalismus. Es könnte also kaum einen besseren Zeitpunkt für das neue Buch dreier schillernder Persönlichkeiten der österreichischen Unternehmerszene geben: „Eine neue Wirtschaft – Zurück zum Sinn“ lautet der Titel, unter dem Chocolatier Josef Zotter gemeinsam mit Sonnentor-Gründer Johannes Gutmann und Beziehungsethiker Robert Rogner eine „Revolution der Wirtschaft“ fordern.
Tech & Nature: Warum haben Sie ein Buch über „eine neue Wirtschaft“ geschrieben?
Josef Zotter: Bücher habe ich schon viele geschrieben, aber kein Wirtschaftsbuch. Wir (Zotter, Gutmann, Rogner, Anm.) haben ja schon bei der letzten Wirtschaftskrise 2008 das Blumauer Manifest verfasst. Schon darin haben wir drei niedergeschrieben, dass wir eine neue Form von Wirtschaft brauchen. Nämlich eine, die den Menschen dient. In der Coronakrise haben wir festgestellt, dass das Thema wichtiger wird.
Was soll sich denn dringend ändern?
Mein Unternehmen läuft sensationell und ich kann nur sagen: schaut euch das Konzept an und überlegt, ob das nicht zu kopieren wäre. Da geht es um Nachhaltigkeit, eine ökologische Ausrichtung und zum Beispiel darum, Energie selbst zu produzieren – das rechnet sich und ist auch ökologisch besser. In der Corona- und Wirtschaftskrise ist der Klimawandel ein wenig in den Hintergrund geraten. Den kann man aber nicht wegwischen, der geht schleichend weiter. Wir müssen Maßnahmen setzen und haben jetzt die Gelegenheit dazu. Es kann nicht sein, dass Kapital, das nichts kostet in Dinge fließt, das nicht gebraucht wird.
In dem Buch ist von der Monsterwirtschaft die Rede, was charakterisiert sie?
Monsterwirtschaft ist für uns das, wo Kapital von einzelnen Unternehmen angesaugt wird. Diese Unternehmen, ich will die Namen hier jetzt gar nicht wiederholen, sind noch dazu so global, dass sie sich gegenüber der regionalen Wirtschaft auch noch steuerliche Vorteile holen. Das ist wie ein Krebsgeschwür und so schnell wie eine Atomexplosion. Es wird dabei auch Monokultur produziert und das hat, wie man weiß, noch nie funktioniert. Wenn diese Monsterwirtschaft implodiert, haben wir ein Problem. Wir haben eine Urbanisierung von 60 bis 80 Prozent. Was passiert denn, wenn in die Städte plötzlich kein Essen mehr hinein transportiert wird? Wenn die Wirtschaft kleiner strukturiert ist und agiler bleibt, würde so etwas nie passieren. Wenn die Wirtschaft kleinteiliger ist, kann man in der Stadt auch Gemüse anbauen. Darüber wird immer geredet, aber es passiert nicht.
Was macht Zotter als Unternehmen anders?
Ich habe drei Grundwerte: Alle Zutaten kommen zu 100 Prozent aus biologischer Landwirtschaft. Der zweite große Teil ist der faire Handel. Wenn alle mit Augenmaß agieren, kann man gute Produkte machen und der Konsument bekommt eine ehrliche Ware. Die dritte Säule wird gerade sehr spannend: Wir nennen es Insourcing statt Outsourcing. Da sind wir wieder bei der Monsterwirtschaft. Die produziert und ist total abhängig von Lieferungen aus China, Afrika, Indien – wenn da eine Schraube nicht kommt, kann das ganze Flugzeug nicht fliegen. Wir nennen das bei uns auch „Bean to Bar“, also von der Bohne bis zur fertigen Schokolade und machen den ganzen Prozess selbst. Das ist zwar aufwändiger, aber sicherer.
Können sich exportorientierte Länder wie Österreich diese Globalisierungs-Kritik leisten?
Aus wirtschaftlicher Sicht sicher nicht, das ist mir klar. Unser Kernmarkt ist der deutschsprachige, wir liefern aber auch nach China und Amerika. Wenn ein Unternehmen 80 Prozent vom Export abhängt, dann ist das gefährlich. Wenn es nur 20 Prozent sind, ist das nicht mehr so gefährlich. Es geht nicht darum, dass die Globalisierung schlecht oder böse ist. Wir haben sie ausgereizt und die großen Wirtschaftsmächte beginnen damit, Barrieren aufzubauen. So wie wir uns das vorgestellt haben, dass auf der Welt überall alles gleich ist und von vielleicht 100 Unternehmen alles produziert werden kann, zum Glück spielt es das nicht.