Interview

„Ein Bedingungsloses Grundeinkommen könnte man mit einer Algorithmen-Steuer finanzieren“

Men and machines at work. © Pexels
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Killen Roboter unsere Jobs? Wird uns ein Bedingungsloses Grundeinkommen in Zukunft Sicherheit und Raum zur Selbstentfaltung bringen? Brauchen große Unternehmen die Hilfe von Startups, um wettbewerbsfähig bleiben zu können? Und müssen junge Menschen programmieren können, um in der Arbeitswelt von morgen bestehen zu können? Diese Fragen beschäftigen auch Dr. Wilhelm Bauer vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart.

Am Mittwoch, 21. Februar ab 18 Uhr, wird Bauer im Rahmen der Event-Reihe “Horizonte” der Außenwirtschaft Austria einen Vortrag zur „Zukunft des Arbeitens“ halten (kostenlose Anmeldung). Trending Topics, Medienpartner der Veranstaltung, hat Bauer im Vorfeld über die drängendsten Fragen gesprochen, die durch Digitalisierung und Automatisierung auf Unternehmen und Mitarbeiter zukommt.

Trending Topics: Sie beschäftigen sich wissenschaftlich mit der Arbeit der Zukunft. Wird sich unsere Arbeitswelt wirklich so drastisch ändern, wie sie – oft dystopisch – beschrieben wird?

Nein, jedenfalls nicht von heute auf morgen. Die Arbeitswelt wird sich – weiter – ändern. Aber dies ist nicht neu, das war schon immer so. Vielleicht beschleunigt sich der Veränderungsprozess durch die Digitalisierung, aber im Grunde sind wir spätestens seit dem Beginn der Industrialisierung in einem kontinuierlichen Transformationsprozess.

Es gibt zahlreiche Studien, die besagen, dass durch Automatisierung und Roboterisierung in den nächsten 10 bis 15 Jahren Millionen Jobs wegfallen werden. Andere Studien besagen, dass die Digitalisierung viele neue Jobs und Berufsbilder schafft. Was ist aus Ihrer Sicht richtig, wird unter- oder übertrieben?

Es wird beides passieren: Alte Jobs werden wegfallen und neue entstehen. Wie der Saldo sein wird, kann man nicht seriös vorhersagen, das ist viel Spekulation. Zwei Dinge sind sicher: Neue Jobs bedeuten andere Qualifikationen und Kompetenzen. Daran müssen sich auch heute 40-Jährige noch anpassen, wenn sie beschäftigungsfähig bleiben wollen. Das heißt, wir brauchen die richtigen Curriculas für die Ausbildung, aber auch ganz viel Aktivitäten in der Weiterbildung. Dazu sind moderne Lernformen mit zukunftsorientierten Inhalten gefragt. Und zweitens: Nur, wenn wir weiter hochinnovativ sind und unsere Produkte und Dienstleistungen auf den Weltmärkten gefragt sein werden, dann entstehen auch wirklich neue Jobs.

Digitalisierung schafft auch viele Freiheiten, etwas was Tele-Arbeit, flexible Arbeitszeiten oder Freiberufe angeht. Wird hier nicht oft auch zu schwarz gemalt?

Ja, natürlich. Digitalisierung hat viele gute Seiten, die gilt es auch konsequent zu nutzen. Es kann viel mehr Selbstbestimmung im Arbeitsleben entstehen, in zeitlicher, örtlicher und struktureller Hinsicht. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die möglichen negativen Wirkungen beherrschen lernen, viel Gutes entstehen kann. Dazu brauchen wir Mut, Agilität und Offenheit, in der Politik und in der Sozialpartnerschaft.

In Deutschland und Österreich gibt es sehr viele Menschen, die älter als 45 sind und nicht mit der Digitalisierung aufgewachsen sind. Wie kann man diese in den Arbeitsmarkt der Zukunft integrieren?

Man muss nicht mit Digitalisierung aufgewachsen sein, um aus ihr Nutzen ziehen zu können. Digitale Systeme sind doch im Grunde so einfach, dass sie jeder ganz schnell und intuitiv erlernen kann. Und wenn der Mut nicht ausreicht, dann müssen Vorgesetzte mit gutem Beispiel vorangehen und die „Digitalen“ im Team aktivieren und als Transformations-Coaches einsetzen. Es gibt viele Wege, man muss sie nur gehen.

Selbstfahrende Taxis, vollautomatisierte Fabriken, Hightech-Supermärkte ohne Personal. Was wird mit niedrig qualifizierten Arbeitskräften passieren? Schafft die Industrie 4.0 eine Art neues „Lumpenproletariat“?

Ich hoffe nicht, dass es so kommen wird! Und ich glaube das auch nicht. Wenn wir Menschen uns auch in Zukunft einbringen und mit Kreativität und Engagement immer wieder Neues gestalten, dann kann auch in Zukunft genügend Arbeit für alle entstehen. Womöglich werden wir in Summe etwas weniger arbeiten, aber das wäre ja auch gar nicht so schlecht. Eventuell brauchen wir dann doch auch so etwas wie ein bedingungsloses Grundeinkommen, mit einer Art Algorithmen-Steuer könnte man das auch finanzieren. Im Übrigen gilt: Auch zukünftig wird es Jobs für niedrig Qualifizierte geben. Ich sehe eher die Sach- und Facharbeit unter Druck geratend.

Dr. Wilhelm Bauer vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation. © Fraunhofer.de
Dr. Wilhelm Bauer vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation. © Fraunhofer.de

Die „Gig Economy“ ist diesbezüglich ein brisantes Thema. Was halten sie von diesem Trend? Welche positiven oder negativen Folgen hat sie?

Auch das darf man ja nicht Schwarz-Weiss sehen. Es ist für eine zunehmende Zahl an Hochqualifizierten durchaus interessant, ihre sehr nachgefragten Kompetenzen und Fähigkeiten am Arbeitsmarkt sehr zielgerichtet und auf Zeit unterschiedlichen Auftraggebern zu hohen Salären anzubieten. Wenn ich an mathematische Fähigkeiten, an Daten- und Softwarekompetenzen denke, da ist ja ein riesiger Nachfragemarkt vorhanden. Aber für die Mehrzahl der Beschäftigten ist sicherlich der Normalarbeitsvertrag immer noch am attraktivsten. Ich denke, das wird auch in den nächsten Jahren nicht anders werden.

Viele mitteleuropäische Unternehmen wollen sich innovieren und suchen dafür die Zusammenarbeit mit digitalen Startups. Ist das der richtige Weg, Innovation von außen ins Unternehmen zu holen, anstatt selbst inhouse zu entwickeln?

Ich denke, das ist schon ein richtiger Weg. Ideen und Agilität von aussen zu holen, war schon immer gut. Neues schafft halt schon eher Neues. Aber Unternehmen können das eine tun und das andere nicht lassen: sie sollten „beidhändig“ agieren – wir nennen das ambidextres Verhalten. Also Startup auf der einen und die agile Transformation des bestehenden Geschäfts und Unternehmens auf der anderen Seite.

In der Innovations-Branche gibt es viele Stimmen, die meinen, dass Programmieren als Pflichtfach für alle Schüler eingeführt werden sollte, um jungen Menschen eine zukunftssichere Ausbildung zu bieten. Ist das eine richtige Forderung?

Ja, dieser Meinung bin ich auch. Wenn Digitales in der Zukunft ist so bedeutsam ist, wie wir es annehmen, warum sollten dann Kinder und Jugendliche nicht ab einem bestimmten Alter auch das lernen? Wer sagt denn, dass das, was bisher in den Lehrplänen der Schulen steht, wichtiger als Programmieren ist. Das ist doch alles nur eine Frage der Sicht: Sicht mit Blick auf de Zukunft oder aus dem Blickwinkel „der guten alten Zeit“.

Sehen Sie Ihren eigenen Job als Forscher, etwa durch Künstliche Intelligenz, bedroht?

Nein, ganz sicher nicht. Ich sehe aber meinen Beruf sich durchaus verändern: Routineaufgaben, Auswertungen, Meetingmanagement und viel Kleinkram meiner Tätigkeit werden lernende Algorithmen übernehmen und ich kann mich auf das Wesentliche konzentrieren, auf das was Wichtig ist und mir auch Spaß macht. Ich kann dann mehr denken, kreativ sein, konzeptionell arbeiten. Eine schöne Perspektive!

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